In zahlreichen Reserveübungen schlüpfte Fregattenkapitän der Reserve Bernd Albrecht zurück in die Uniform. Foto: privat
In zahlreichen Reserveübungen schlüpfte Fregattenkapitän der Reserve Bernd Albrecht zurück in die Uniform. Foto: privat
60 Jahre MFG 3

Wie das MFG 3 aus Nordholz und ein "Wetterfrosch" bei 29 Grad in Kenia überwinterten

von Maren Reese-Winne | 27.04.2024

Die Wetterbriefings für die Marineflieger in Nordholz (Kreis Cuxhaven) waren 34 Jahre lang das Haupt-Metier des Meteorologen Bernd Albrecht aus Altenwalde. Was nicht bedeutete, dass er an den Nordholzer Boden gefesselt war - im Gegenteil.

Ohne ihn und seine Leute kamen die Flieger gar nicht erst in die Luft: Der Altenwalder Bernd Albrecht (82) leitete von 1981 bis 2006 die Geophysikalische Beratungsstelle in Nordholz. Die Wetterbriefings waren (und sind es auch heute noch) die unverzichtbare Grundlage für die Flugplanung.

"Was viele nicht wussten: Wir waren alle auch Reservisten", verrät der Fregattenkapitän der Reserve. Entsprechend häufig nahm auch er an Wehrübungen teil, trug Uniform und fuhr als Bordmeteorologe unter anderem auf der "Gorch Fock" und der "Deutschland". Mit einem U-Boot-Tender ging es zu den Orkney-Inseln inklusive einer Tauchfahrt bis in 80 Meter Tiefe im U-Boot.

In der Breguet Atlantic flog er ebenso nach Übersee wie in die raue Ostsee. Sein letzter Flug kurz vor der Pensionierung 2006 führte nach Lissabon und Ankara.

Sein Weg zur Bundeswehr nach dem Abitur in Bochum war nicht direkt vorbestimmt. Klar, da war der Grundwehrdienst, aber danach wollte er studieren. Eine Anzeige des Deutschen Wetterdiensts machte ihn auf die Meteorologie aufmerksam. Das Studium konnte auch bei der Bundeswehr absolviert werden - gegen die Verpflichtung, hinterher mindestens acht Jahre lang an militärischen Standorten zu arbeiten. 

Späterer ZDF-Experte gab den Anstoß

Bernd Albrecht in seinem Element: Er wollte nicht nur alles über das Wetter wissen, sondern berichtete auch in seinen 34 Jahren beim MFG 3 gerne über die Arbeit und erklärte Hintergründe. Foto: Reese-Winne

Dem Studium folgte eine Referendarsausbildung als Voraussetzung für den Erwerb des 2. Staatsexamens. Aber wohin - Leck, Eggebeck oder Nordholz? "Dieter Walch, damals Dozent in Fürstenfeldbruck und später Klimaexperte im ZDF, empfahl mir Nordholz. Ich konnte dann sogar seine Wohnung in Altenwalde übernehmen", erzählt Bernd Albrecht. Später zog die Familie in ein Eigenheim in Oxstedt.

Bernd Albrecht (r.) und sein Team bei einem Pressetermin (vermutlich in den 90ern) in der Geophysikalischen Beratungsstelle. Foto: Reese-Winne

1972 fing Albrecht als Diplom-Meteorologe in der Geophysikalischen Beratungsstelle an, wurde 1981 deren Leiter und kurz darauf zum Regierungsdirektor befördert. "Ich war einer der wenigen, die die gesamte Dienstzeit - etwas mehr als 34 Jahre - hier absolviert haben. Bereut habe ich das nie."

Er ging "überall dahin, wohin auch das Geschwader ging", so auch mehrfach nach Elmas/Sardinien, von wo aus das MFG während des Jugoslawien-Kriegs Überwachungsflüge unternahm. Bernd Albrecht erinnert sich noch an das Bild des akti[object Object]ven Vulkans Stromboli, dessen Lava nachts wie ein Blinkfeuer aufleuchtete.

Der Chef der italienischen Wetterbeobachter habe danach auch ihn in Nordholz besucht. "Es war immer interessant, zu sehen, wie die Wetterbeobachtung im Ausland funktioniert." Als in Nordholz die Landebahn erneuert wurde, verlegten auch die Wetterexperten nach Twente in den Niederlanden, wo die Gastfreundschaft durch eine traditionelle indonesische Reistafel gekrönt wurde. Ein besonderes Erlebnis war nach der Wiedervereinigung ein Treffen mit U-Jagdfliegern aus Polen, bei dem polnische Soldaten im deutschen Flugzeug mitfliegen durften und umgekehrt.

Zweimal flog Albrecht im Rahmen der Operation "Enduring Freedom" nach Mombasa/Kenia, einmal für zwei und einmal für dreieinhalb Monate. Mit dabei war auch der heutige Kommodore des MFG 3, Kapitän zur See Oliver Ottmüller. Bei dem Anti-Terror-Einsatz überwachten die Seefernaufklärer den Golf von Aden vor Somalia am Horn von Afrika.

Selten war der Begriff "Wetterfrosch" realistischer

In der Geschwaderzeitung "Der Zeppelin" beschrieb Bernd Albrecht die Wetterverhältnisse (von Mitte Mai bis September): "Wir waren im ,Winter' da. Während wir uns bei 29 Grad am Tage und um die 22 Grad in der Nacht sehr wohl fühlten, froren die Einheimischen und trugen abends dicke Jacken und zum Teil Mützen oder Kapuzen." Es stellte sich heraus, dass die deutschen und europäischen Regenvorhersagen beständig daneben lagen: "Man konnte sich fast eher auf eine kenianische Bauernregel stützen, die besagt, dass es bald Regen geben würde, wenn die Frösche quaken und das taten sie häufig." Geregnet habe es jedenfalls täglich. Dem Altenwalder gefiel es dennoch so gut, dass er später als Urlauber mit seiner Frau zurückkehrte.

Aber auch das Wetter im Norden hatte seine Tücken. Die Entscheidung über Fliegen, Nicht-Fliegen und Flugrouten trugen der Gefechtsstand oder der Kommandant: "Wir haben Empfehlungen gegeben", so Albrecht. 

Bei den regelmäßig stattfindenden TACEVAL-Alarmübungen mit NATO-Beobachtern zogen die Wetterexperten vom Tower in den Bunker im Führungsbereich mitten in Nordholz. 1998 endete diese Herausforderung für Bernd Albrecht mit der Verleihung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr in Gold (was er nicht selbst erzählt, sondern ein Fundstück aus der Chronik ist). Das Urteil: "Vorbildliches Engagement und beispielgebende Pflichterfüllung." Die Leistungen der Beratungsstelle erfüllten "höchste Standards". Im Gegenzug beobachteten dann die Deutschen dieselben Übungen im Ausland.

Mit diesem Plakat schickten die Kollegen ihren Chef 2006 in die Pension. Foto: privat

Seine ruhige Art kam Bernd Albrecht bei der Tätigkeit als Ausbildungsbeamter zugute. Er unterrichtete auch Wetterkunde in den Staffeln. Unvergessen sind ihm die großen Flugtage, nach denen sich alle Gastcrews bei ihm die Wetterdaten für den Rückflug abholten. Da könne auch die beste Technik nicht mithalten: "Man braucht immer noch den Menschen."

Weitere Ereignisse in Kürze

Dieser Serienteil behandelt bereits die vierte Dekade des 1964 entstandenen MFG 3, das demnach in diesem Jahr 60 Jahre alt wird. Dafür haben wir wieder einen Blick in die Chronik geworden. Dies sind nur einige Schlaglichter:

Die Krisen im Nahen Osten und der Jugoslawien-Krieg sowie die Themen zivile Mitnutzung und Aeronauticum prägten die Jahre 1994 bis 2002 im MFG 3. Die Anschläge am 11. September 2001 veränderten Abläufe und Aufgaben mit Auswirkungen bis heute.

30. Januar 1993: Bordhubschrauber 83+16 der Fregatte "Bremen" sinkt vor Südamerika, die Besatzung bleibt unversehrt.

28. Mai 1994: 50 US-Veteranen am ehemaligen Einsatzplatz Nordholz.

15. bis 17. Juli 1994: Partnerschaftsbesuch per Fahrrad aus Friedrichshafen.

6. September 1994: Abgabe der ersten Atlantic (61+02) zur Verschrottung bei Dornier in Oberpfaffenhofen.

7. September 1994: Abschiedsempfang der Versorgungsflottille Cuxhaven, Kommodore des MFG 3 wird Standortältester.

13. September 1994: Eine Do 228 und zwei Do 28 kommen vom MFG 5 zum MFG 3, das die Ölüberwachungsflüge übernimmt.

2. Mai 1995: Pioniere aus Dörverden bauen die neue Museumshalle vor dem Kasernentor auf (Richtfest: 22. Mai).

Vor dem Tor des Geschwadergeländes entstand das Deutsche Luftschiff- und Marinefliegermuseum Nordholz, genannt "Aeronauticum". Foto: MFG 3

24. Juli 1995: Mission "Silent Watch" (UN-Bosnieneinsatz) mit "Sigint"-Atlantics über der Adria mit Beginn und Ende in Nordholz.

Juli 1995: Umzug des Geschwaderstabs vom Führungsbereich auf die Basis.

13. August 1995: Tag der offenen Tür mit Flugbetrieb, fast 60 000 Besucher.

22 August 1995: Kommodore Wolfgang Müther übergibt an Kapitän zur See Dietrich Drescher.

25. September 1995: Bundespräsident Roman Herzog schwebt ein; Übergabe der Museumshalle an den Förderverein.

9. Dezember 1995: Großfeuer vernichtet das Unteroffiziersheim.

15. Januar 1996: Crew I entdeckt beim "Sharp Guard"-Einsatz ein sinkendes Floß; alle 15 Personen werden gerettet.

26. Januar 1996: 30 Jahre Breguet Atlantic im MFG 3.

19. Februar 1996: Die indische Marine übergibt einen Seahawk-Jagdbomber für das neue Marinefliegermuseum.

20. Juni 1996: Befehl für die Rückverlegung des Elmas-Detachments, Operation "Sharp Guard" ist damit beendet.

6. Mai 1997: Eröffnung des Aeronauticums.

25. Juli 1997: Einsatz bei der Oderflut.

15. September 1997: MFG 3 sucht nach dem Zusammenstoß einer Tupolew Tu-154 der deutschen Flugbereitschaft und eines US-amerikanischen Militärtransporters Lockheed C-141 Starlifter in Namibia nach Opfern und Spuren. Es gab keine Überlebenden. 33 Menschen starben.

2. März 1998: Neuer Kommodore: Jürgen Ehle.

18. Juni 1998: Zwei Pritschenwagen stoßen auf der Landebahn zusammen, ein 24-jähriger Wehrdienstleistender stirbt.

19. Juni 1998: Zivile Mitnutzung genehmigt, Unterschrift auf dem Rollfeld am 2. Juli.

16. Juli 1998: 30 Jahre Patenschaft mit Friedrichshafen, Teilnahme am 50. Seehasenfest.

10. September 1998: großer Bahnhof für den FC Bayern.

27. Oktober 1998: Einsatz an der brennenden "Pallas" vor Amrum.

5. August 1999: Großeinsatz für die Flughafenfeuerwehr in der Heide.

30. Oktober 1999: Beim Absturz einer Sea Lynx im Mittelmeer stirbt der französische Austauschpilot.

17. Januar 2000: MFG-3-Soldaten helfen Straßenkindern auf Sizilien.

22. Januar 2000: Zum ersten Mal sucht das MFG 3 über eine Zeitungsanzeige Nachwuchs.

4. Februar 2000: Sea Lynx-Sicherheitslandung in Altenwalde.

28. März 2000: erster Spatenstich zum Bau des Sea Airports Cuxhaven-Nordholz.

5. Juli 2000: Airday mit 70 000 Zuschauern.

4. September 2000: Bundeskanzler Gerhard Schröder reist über Nordholz zur Sail nach Bremerhaven.

22. Februar 2001: erster Flug nach Palma de Mallorca mit Air Berlin.

28. April 2001: Hans Meiser dreht im Geschwader für seine Serie "Notruf".

3. März 2001: Vereidigung des ersten weiblichen Soldaten im Geschwader.

21. Juni 2001: Wiedereröffnung der UMG.

5. Januar 2002: 18 Marineflieger zum Horn von Afrika.

1. Februar 2002:  Nordholzer sollen nach Kenia zum Anti-Terror-Einsatz.

Am 1. März 2002 wurde die erste große Passagiermaschine am zivilen Seeflughafen Cuxhaven-Nordholz abgefertigt. Im Hintergrund ein Seefernaufklärer des Typs "Breguet Atlantic".Foto: Ingo Wagner/dpa

1. März 2002: Zivilflugplatz eingeweiht.

13. März 2002: Operation Enduring Freedom, Verlegung nach Mombasa.

15. bis 27. April 2002: Operation Open Skies in Nordholz.

6. August 2002: Nordholzer bauen Brunnen für Kinder in Kenia.

18. September 2002: Einsatz beim Elbhochwasser.

19. September 2002; Kommodorewechsel: Fregattenkapitän Berend Burwitz übernimmt.

Zwei neue Sea-Lynx-Hubschrauber wurden in Nordholz in ein britisches Transportflugzeug verladen, um darin nach Dschibuti am Horn von Afrika geflogen zu werden, wo sie die beiden älteren Sea Lynx auf der Fregatte "Köln" ablösen sollten. Foto: Ingo Wagner/dpa

17. November 2002: 96 Schiffbrüchige werden vor der Küste Jemens durch Bordhubschrauber des MFG 3 gerettet.

3. Dezember 2002: "Öl-Do" hilft bei Ölkatastrophe vor Spanien. 

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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