Im Sozialpraktikum lernen die Schülerinnen und Schüler des Lichtenberg-Gymnasiums Neues. Foto: LiG
Im Sozialpraktikum lernen die Schülerinnen und Schüler des Lichtenberg-Gymnasiums Neues. Foto: LiG
Interview mit Lehrerin

Zehntklässer im Sozialpraktikum: Cuxhavener Gymnasium LiG will nicht mehr verzichten

von Maren Reese-Winne | 13.09.2025

Das Sozialpraktikum am Lichtenberg-Gymnasium Cuxhaven (LiG) bietet Schülern die Chance, Ehrenamt kennenzulernen und soziale Verantwortung zu übernehmen. Ein einzigartiges Konzept, das junge Menschen inspiriert und die Schulgemeinschaft stärkt.

Die Schule hat wieder begonnen. Das bedeutet auch, dass sich die neuen Zehntklässler des Lichtenberg-Gymnasiums Cuxhaven langsam Gedanken über ihr Sozialpraktikum machen können, das sie in diesem Schuljahr absolvieren werden. 20 Stunden für die Gemeinschaft - und für sich. Warum Pauken nicht alles ist, darüber hat Maren Reese-Winne mit Lehrerin Monika Bokemeyer gesprochen.

Frau Bokemeyer, wie ist die Idee für das Sozialpraktikum entstanden?

Ideengeberin war unsere Kollegin Juliane Kopp (Politik und Wirtschaft). Ihr Vorschlag für ein fächerübergreifendes Praktikum zum Kennenlernen ehrenamtlicher Arbeit stieß in unserer Religion- und Werte- und Normen-Fachschaft direkt auf Anklang. Wir haben dann ein Konzept entwickelt und darin festgelegt, dass eine Klassenarbeit durch den Bericht aus dem Sozialpraktikum ersetzt wird, den die Schülerinnen und Schüler bis zu den Osterferien abgeben müssen.

Warum gehört das Sozialpraktikum zum Schulleben des LiG?

Unser Schulleiter Martin Rehermann hat das Sozialpraktikum von Anfang an unterstützt. Es gibt unseren Schülerinnen und Schülern Gelegenheit, Ehrenamt zu entdecken und macht ihnen bewusst, dass überall in der Gesellschaft, hinter jedem Handballtraining oder vielen kirchlichen Aktivitäten, freiwilliges Engagement steckt. Außerdem passt das Praktikum zum Sozialkonzept des LiG, zu dem auch die Aktivitäten unserer Schulsozialarbeiterin Mareika Ohlhaut und unsere Schulhündin Juna gehören. 

LiG-Schulhund Juna. Foto: Jana Spindler

Wie lange gibt es das Sozialpraktikum schon?

Seit 2017 wird es jährlich durchgeführt. Anfängliche Bedenken, dass die zeitliche Belastung zu hoch sein könnte, sind inzwischen verstummt.  

Wird das Praktikum am Stück oder über einen festgelegten Zeitraum durchgeführt?

Das kommt tatsächlich auf die Einsatzstelle und Tätigkeit an. Einen festgelegten Praktikumszeitraum gibt es nicht, meist geben wir die konkreten Informationen nach den Herbstferien heraus und dann begeben sich die Jugendlichen auf die Suche. Bei der Tafel beispielsweise richten sich die Einsatzzeiten auch nach den Platzverhältnissen. Manche Schülerinnen und Schüler leisten ihre 20 Stunden auch in den Ferien in einer Woche am Stück ab, zum Beispiel im Seniorenheim.  

Monika Bokemeyer. Foto: Jana Spindler

Welche Betätigungsstätten können überhaupt ausgesucht werden?

Die Jugendlichen sollten sich einen Praktikumsplatz in einer Institution - also beispielsweise Kirchengemeinden, Vereinen, Sozialverbänden, Sportvereinen oder in ökologischen Einrichtungen - suchen. Die Einsatzorte sollten ihnen die Möglichkeit geben, Eigenes einzubringen und nicht nur zuzuschauen.

Und wie reagieren die Einsatzstätten auf die Praktikanten aus dem LiG?

Die wissen natürlich inzwischen schon Bescheid und sind sehr bereitwillig und dankbar. Die Jugendlichen müssen zunächst eine Bewerbung schreiben. Die Einsatzstellen sind oft sehr angetan, bedeutet doch die Verstärkung auch für sie eine Hilfe. Das berichten zum Beispiel die Seniorenresidenzen oder der Kinderhospizverein. 

Welche Auswirkungen hat das Praktikum auf die Schülerinnen und Schüler?

Wie so oft bei Aktivitäten außerhalb des Unterrichts sind dabei die erstaunlichsten Entwicklungen zu sehen, denn die Schülerinnen und Schüler haben ganz andere Möglichkeiten, aus sich herauszugehen. Sie erfahren Selbstwirksamkeit und entwickeln in bislang unbekannten Situationen Empathie für ihre Mitmenschen. Zu spüren, wie dankbar ältere Menschen sind und wie sehr diese den Kontakt zu anderen Menschen und gerade zu Jugendlichen wie ihnen brauchen, ist wirklich etwas Besonderes, wertvoll für sie und das Gegenüber. 

In der LiG-Aula wird über das Sozialpraktikum aufgeklärt. Foto: LiG

Gibt es eine Aktion, die Sie besonders überrascht, erfreut oder bewegt hat?

Ja, das war die Anfrage aus der Oberschule Cuxhaven-Mitte, ob nicht Schülerinnen und Schüler von uns Lust hätten, sich bei ihnen am Sprachunterricht für nicht deutschsprachige Kinder zu beteiligen. Da haben einige mehrsprachige Schülerinnen und Schüler von uns sofort zugegriffen und gleich gewusst, dass das genau ihr Ding war. Das erforderte schon ein hohes Verantwortungsbewusstsein. Außerdem gefällt mir daran so gut, dass hier eine Vernetzung zwischen den Schulen stattfindet. Es geht uns sehr um eine gute Zusammenarbeit mit allen Schulen der Stadt.  

Ist aus dem Praktikum heraus auch schon längerfristiges Engagement entstanden?

Ja, es haben sich feste Bande entwickelt und mehrere Schülerinnen und Schüler haben sich nach ihrem Praktikum dazu entschlossen, weiter im Kinderhospiz, im Seniorenheim oder einer inklusiven Sportgruppe im Verein zu arbeiten. Gefreut haben wir uns auch über die Initiative unserer letzten Zehntklässer, die die Idee hatten, ihre Einsatzstellen und Tätigkeiten den damaligen Neuntklässlern wie bei einer Messe an Ständen zu präsentieren und davon zu erzählen - sehr nachhaltig! 

Integrieren Sie soziales Engagement oder Kooperation mit Vereinen auch in die Ganztagsaktivitäten am LiG?

Ja, wir kooperieren zum Beispiel mit dem ATSC oder der Musikschule Cuxhaven. Außerdem sind ältere Schülerinnen und Schüler als Mentorinnen und Mentoren im LITUS-Programm (Lichtenberg-Tutorensystem) aktiv und unterstützen andere in den Fächern Mathematik, Deutsch, Englisch, Französisch und sogar Musik, zum Beispiel mit Klavierunterricht, das ist wirklich eine ganz tolle Sache. Eine AG im Ganztagsbereich ist außerdem unseren Klassen- und jahrgangsübergreifenden Erasmus+-Projekten, also dem Austausch mit unseren Partnerschulen in der Türkei und Spanien, gewidmet. In die Vorbereitung und Gestaltung der Treffen sind die Jugendlichen stark mit einbezogen, auch beim nächsten Besuch in Cuxhaven, der am 21. September beginnt. 

An Infoständen kann man sich über verschiedene Stationen informieren. Foto: LiG

Sie sagen das Stichwort Erasmus+: Zum gesellschaftlichen Engagement der Schule gehören auch vielfältige internationale Kontakte. Was nehmen die Jugendlichen hieraus mit?

Mehr als aus einigen Mathe-, Religions- oder Englischstunden. Wir befinden uns zum Beispiel inzwischen im vierten gemeinsamen Projekt mit zwei Schulen in Manisa in der Türkei. Diese Verbindung besteht seit 2014. In den Ferien hat mich ein ehemaliger Schüler kontaktiert und berichtet, dass er mit seinem Austauschschüler immer noch Kontakt hat. So etwas freut mich sehr, zumal wir damals mit dem Schritt in die Türkei - zwar kein EU-Land, aber Beitragskandidat und daher Teil des Erasmus+-Programms - Neuland betreten haben. Es war eine fundamentale Erfahrung. Wir sind so offen und herzlich aufgenommen worden, dass wirklich ein Band zwischen deutschen und türkischen Schülerinnen und Schülern entstanden ist. Hier wird Freundschaft, Lebensfreude, Offenheit und gegenseitige Wertschätzung der anderen Kultur vorgelebt. Schließlich lautet der Anspruch des EU-Austauschprogramms "Exchange of good practice" - also Austausch der besten Methoden und Herangehensweisen.  

Krönung des diesjährigen Erasmus+-Projekts ist die Aufführung des Musicals "Grenzenlos! - Das fliegende Klassenzimmer 2.0" am 26. September um 19 Uhr (Einlass ab 18.30 Uhr, Eintritt frei) im LiG-Forum mit Jugendlichen aus drei Nationen. Was erwartet die Zuschauer?

Wir freuen uns, dass wir damit Teil der Interkulturellen Woche sein dürfen. Das Theaterstück ist der Abschluss unseres Erasmus+-Projekts mit unseren Partnerschulen aus Manisa und Cubelles, einem Vorort von Barcelona in Spanien. Die Rahmenhandlung haben Johanna Rönnfeld, zu dem Zeitpunkt noch Schülerin in der Mittelstufe, und Marie Fehrmann geschrieben und die Gruppen werden sich mit Tänzen und Musik unter der Gesamtleitung von Sabine Rönnfeld beteiligen. Auf jeden Fall werden dabei nicht nur Gegenstände, sondern auch ein paar Vorurteile über Bord gehen und Erfahrungen und Hoffnungen für Europa geäußert. Vorbereitet haben wir alles in der Türkei und in Spanien, dazwischen haben alle ihre Stücke und Rollen weiter geübt. Was wir alle voneinander gelernt haben, soll mit viel Spaß in dem Stück gezeigt werden. Unsere gemeinsame Sprache ist dabei Englisch.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Bokemeyer!

Zur Person: Monika Bokemeyer ist seit 2001 Lehrerin für Religion und Französisch am LiG und ist dort aktuell gleichzeitig Ganztags- und Erasmus-Beauftragte, Mittelstufenkoordinatorin und Fachobfrau für Religion. Erfahrungen mit internationalem Schüleraustausch hat sie bereits in ihrer eigenen Schulzeit gesammelt und dies als überaus bereichernd erlebt. Solche Aktivitäten erweckten nicht nur die Motivation zum Sprachenlernen, sondern auch das Interesse und Verständnis füreinander, sagt sie. Nicht zuletzt eröffne das Erasmus+-Programm auch den Lehrkräften Einblicke in Unterrichtsgestaltung und Schulalltag in ganz Europa - von Sizilien bis Estland.   

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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