Überraschend: Immobilienmarkt im Kreis Cuxhaven entwickelt sich gegen den Trend
Wie entwickelt sich der Bausektor angesichts steigender Zinsen und Baupreise? Dem Landkreis Cuxhaven bescheinigen Immobilien-Experten derzeit überraschende Grundstückspreise. Der Immobilienmakler Stefan Polzin blickt in die Zukunft.
Das kommt überraschend: Von nicht zu erwartenden Grundstückspreisen berichten Branchen-Experten aktuell für den Kreis Cuxhaven. Denn die Entwicklungen verlaufen gegen den Trend. Doch ein Makler äußert Skepsis.
Während anderenorts die Grundstückspreise purzeln, sind sie im Landkreis Cuxhaven noch stabil. Zu diesem Ergebnis kommt sowohl der Gutachterausschuss für Grundstückswerte Otterndorf in seinem Jahresbericht für 2022 als auch der "Küstenreport Nordsee", eine Analyse von von Poll Immobilien in Frankfurt, einem der größten Immobiliendienstleister Europas. Angesprochen auf die künftige Entwicklung, beurteilt Stefan Polzin, Immobilienmakler aus Langen, den Markt eher pessimistisch.
"Landkreis Cuxhaven gehört zu wertstabilsten Regionen"
Der "Küstenreport Nordsee" hat zwölf Regionen zwischen Ostfriesland und Sylt betrachtet und festgestellt, dass im ersten Quartal 2023 die Angebotspreise für Wohnimmobilien an der Nordseeküste im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fallen. Dabei gebe es allerdings große Unterschiede. "Zu den wertstabilsten Regionen gehört danach der Landkreis Cuxhaven, wo die Immobilienpreise lediglich um 1,7 Prozent pro Quadratmeter gesunken sind", berichtet von-Poll-Sprecherin Franka Schulz.
Die Daten stammen von GeoMap, einem Analyseportal für die Immobiliendaten. "Sie bündeln Zahlen der Immobilienportale wie Immobilienscout, Immowelt, ebayKleinanzeigen etc.", erläutert Schulz. "In unserem Fall haben wir die Angebotspreise der Immobilieninserate für Ein- und Zweifamilienhäuser im ersten Quartal 2023 mit dem ersten Quartal 2022 durch GeoMap erhoben."
Günstiger: Bremerhaven und Wesermarsch
Niedriger als im Kreis Cuxhaven, wo der Küstenreport einen durchschnittlichen Angebotspreis von 2.145 Euro für Ein- und Zweifamilienhäuser ermittelt hat, ist das Preisniveau derzeit in der Wesermarsch. Ein Quadratmeter Wohnfläche werde dort im Schnitt derzeit für 2.004 Euro angeboten - 3,6 Prozent weniger als vor einem Jahr.
Noch günstiger ist es in Bremerhaven, wo von Poll Quadratmeterpreise von im Schnitt unter 2000 Euro ermittelt hat. Neben Emden (1.974 Euro/m2) stellt Bremerhaven (1.946 Euro/m2) danach die günstigste Region im Preisranking dar. Bei den verglichenen Preisen handelt es sich um sogenannte Angebotspreise, also nicht um die Preise, für die die Immobilien letztlich tatsächlich veräußert werden.
Über die Marktsituation auf dem Immobiliensektor im Elbe-Weser-Raum im ersten Quartal 2023 vermag der Gutachterausschuss für Grundstückswerte Otterndorf nichts zu sagen. "Wir betrachten immer einen Zeitraum von zwölf Monaten, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten", erklärt René Jacobsen, Dezernatsleiter vom Landesamt für Geoinformation und Landvermessung Niedersachsen bei der Regionaldirektion Otterndorf. Dafür werden alle notariell beurkundeten Kaufverträge ausgewertet und die Bodenrichtwerte für Bauland und landwirtschaftliche Flächen aktualisiert.
Weniger Kaufverträge - mehr Umsatz
Laut aktuellem Gutachterbericht wurden im Landkreis Cuxhaven im vergangenen Jahr 3.505 Grundstückskaufverträge abgeschlossen - so wenige wie seit zehn Jahren nicht mehr. "Insbesondere seit Sommer 2022 ist die Anzahl der Verträge merklich zurückgegangen", sagt Jacobsen. Angesichts gestiegener Zinsen und steigender Baukosten seien Interessenten und Verkäufer eher zurückhaltend.
Aus dem Grundstücksmarktbericht
519 Kaufverträge über unbebaute Bauflächen wurden 2022 laut Gutachterausschuss für Grundstückswerte Otterndorf (GAG) geschlossen - 20 Prozent weniger als 2021. Die zu Cuxhaven oder Bremerhaven verkehrsgünstig gelegenen Orte werden durch den Flächenbedarf an Bauland vermehrt nachgefragt. Um diesen Bedarf zu stillen, wird laut GAG weiter in die ländlichen Regionen ausgewichen, so dass hier die meisten Bauplätze für den individuellen Wohnungsbau veräußert wurden. 391 individuelle Bauplätze wurden veräußert - 17 Prozent weniger als 2021. An der Spitze liegt Land Hadeln (94 Bauplätze), gefolgt von Geestland (76), Wurster Nordseeküste (48) und Beverstedt (41). Die wenigsten Bauplätze wurden mit 17 und 16 Verkäufen in den Gemeinden Schiffdorf und Hagen registriert. Die Preise für individuelle Wohnbauflächen sind um über 10 Prozent gestiegen, was vor allem an den Kurlagen an der Küste liegt.
Obwohl weniger Grundstücke verkauft wurden, sei der Geldumsatz lediglich um 4 Prozent auf fast 778 Millionen Euro gefallen. "Das ist ein Hinweis, dass in den einzelnen Verträgen mehr Geld umgesetzt worden ist als bisher", erklärt Jacobsen. Auch wenn die Preiskurve einen leichten Abwärtstrend aufweise, seien die Preise für Eigenheime im Vergleich zum Vorjahr im Elbe-Weser-Raum in den Mittelzentren und am Randbereich der Großstadtlagen zu Hamburg und Bremen um rund 5 Prozent gestiegen. Im ländlichen Bereich sogar bis zu 7 Prozent.
Polzin sagt einen Abwärtstrend voraus
Stefan Polzin schüttelt den Kopf. "Das war gestern", sagt der Geschäftsführer der Polzin-Gezer Immobilien GmbH mit Sitz in Bremerhaven. "Die Marktberichte stammen immer noch aus der Boomphase." Aktuelle Entwicklungen würden darin nicht abgebildet. "Wir sind im Landkreis Cuxhaven und da wird sich keine Steigerung mehr ergeben", prognostiziert Polzin. "Unsere Gehälter sind hier das Limit. Und wenn ich mir das allein in Bremerhaven anschaue, da wird mir schwarz vor Augen. Wer soll sich da eine Immobilie noch leisten?"
Verkäufer von Bestandsimmobilien, so Polzin, hätten überhöhte Preisvorstellungen. "Aber diese Immobilien gehen nicht weg, Makler erleben bleischwere Häuser, die zu teuer im Angebot sind." Er ist überzeugt, dass sich die Preise von Bestandsimmobilien nach unten bewegen werden und spricht von einem zweigeteilten Markt - in energetisch sanierte Häuser und die, bei denen eine energetische Sanierung neben dem Kaufpreis nicht mehr finanzierbar sei. "Das wird noch einen Rieseneffekt haben auf die Preise von älteren Einfamilienhäusern."
Von Heike Leuschner