
Die Polizei Cuxhaven über Raser, Kontrollen und Gefahrenstellen
Raserei auf der A 27 und innerorts stellt eine erhebliche Gefahr dar. Polizeioberkommissar Stephan Hertz erläutert im Interview, wie die Beamten gegen Raser vorgehen und warum der Führerscheinentzug oft die größte Wirkung zeigt.
Immer wieder erwischen die Beamten der Polizeiinspektion Cuxhaven Autofahrer, die auf der A 27, den Bundes- und Landesstraßen außerorts oder innerorts mit extremen Geschwindigkeiten unterwegs sind - zuletzt wurde ein Fahrer mit 185 km/h bei erlaubten 100 gestoppt. Welche Gefahren von solchen Tempoverstößen ausgehen, wie oft es auf den Strecken zu Verstößen kommt und welche Strafen tatsächlich abschrecken, darüber spricht Redakteurin Denice May im Interview mit Polizeioberkommissar Stephan Hertz, Pressesprecher der Polizeiinspektion Cuxhaven.
Am 18. August wurde auf der A 27 zwischen Bremerhaven und Cuxhaven ein Fahrer mit 185 km/h bei erlaubten 100 gestoppt. Wie bewerten Sie diesen Fall?
185 km/h ist extrem schnell. Solche massiven Verstöße sind glücklicherweise Einzelfälle, dennoch kommt überhöhte Geschwindigkeit immer wieder vor. Das Risiko ist dabei nicht nur für den Fahrer selbst, sondern auch für andere erheblich. Auf freigegebenen Abschnitten gilt ohnehin die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Das bedeutet, es ist erlaubt, schneller zu fahren. Wer jedoch deutlich schneller fährt, kann im Falle eines Unfalls versicherungsrechtliche Probleme bekommen - zum Beispiel, wenn der Unfall durch eine geringere Geschwindigkeit hätte vermieden werden können. Wer deutlich schneller fährt, hat im Falle eines Unfalls versicherungsrechtlich Probleme. Auf einer Strecke mit schlechtem Fahrbahnzustand ist so ein Tempo besonders gefährlich: Eine kurze Unaufmerksamkeit oder eine Bodenwelle können das Fahrzeug aus der Spur heben - mit gravierenden Folgen. Auch wenn es dort keine Unfallhäufungsstelle gibt, ist das Tempolimit nicht ohne Grund eingerichtet. Es dient der Verkehrssicherheit und dem Schutz der Fahrzeuge. Wer mit dieser Geschwindigkeit über Unebenheiten fährt, gefährdet nicht nur sein Auto, sondern steigert auch das Unfallrisiko enorm.
Wie oft kommt es auf diesem Streckenabschnitt zu ähnlich drastischen Verstößen?
Das entsprechende Verstöße festgestellt werden, passiert immer wieder, ich würde sagen monatlich. Unsere Kolleginnen und Kollegen fahren dort Streife, manchmal wird auch gezielt gemessen. Extreme Geschwindigkeiten wie 180 oder 190 km/h sind seltener, aber Tempo 150 bis 160 erleben wir aber häufig.
Das Tempolimit dort ist wegen des schlechten Straßenzustands eingeführt worden - nehmen Fahrer solche Gründe überhaupt ernst?
Nicht immer. Viele sehen es eher als Schutz für ihr eigenes Auto und nehmen die Gefahr für den Straßenverkehr nicht ausreichend wahr. In persönlichen Gesprächen weisen wir die Fahrzeugführenden darauf hin, dass es nicht nur ums Material geht: Wenn eine Bodenwelle die Hinterachse aushebelt, nützt auch fahrerisches Können nichts mehr. Dann landet man schnell in der Leitplanke oder gefährdet andere. Solche Belehrungen sind wichtig, bei Messanlagen fehlt dieser direkte Effekt.
Und sind die Autofahrerinnen und Autofahrer dann einsichtig?
Manche schon, andere weniger. Vor Ort lassen sich viele überzeugen, ob das Verhalten aber dauerhaft geändert wird, ist fraglich.
Sie führen bereits regelmäßig Kontrollen auf der A 27 durch. Wie kann das die Fahrweise auf der Strecke langfristig beeinflussen? Sehen Sie eher einen abschreckenden Effekt oder eher kurzfristige Wirkung?
Ein dauerhafter Effekt ist schwer zu erreichen. Kontrollen wirken, weil hohe Bußgelder, Punkte und vor allem Fahrverbote für viele eine starke Strafe darstellen. Besonders der Führerscheinentzug trifft die meisten empfindlich. Bei einigen hat das einen nachhaltigen Erziehungseffekt, bei anderen leider nicht. Wenn es dauerhaft wirken würde, bräuchte man nur eine Geschwindigkeitswoche - so einfach ist es aber nicht.
Gibt es auch Wiederholungstäter?
Ja, durchaus. Die Strecke wird stark von Berufspendlern genutzt, und wer morgens spät dran ist, lässt sich schnell verleiten, Gas zu geben - zumal die A 27 im Vergleich zu anderen Autobahnen oft relativ leer ist. Das erhöht die Versuchung. Kontrollen sind wichtig, aber man muss sie konsequent durchführen. Möglichkeiten zur gerichtsfesten Geschwindigkeitsmessung sind allerdings begrenzt: Neben stationären Anlagen können wir nur mit speziellen Lichtschranken arbeiten. Lasermessungen wie auf Landstraßen sind auf Autobahnen aus Sicherheitsgründen nicht möglich.
Nicht nur auf der Autobahn, sondern auch innerorts kommt es zu gefährlicher Raserei - im Februar raste ein 23-Jähriger mit über 100 km/h durch Cuxhaven, beleidigte und bedrohte sogar Einsatzkräfte. Wie gefährlich sind solche Fälle mitten in der Stadt im Vergleich zur Autobahn?
Das sind zum Glück Einzelfälle, kommen aber gerade bei Fahranfängern vor - oft aus Imponiergehabe. In der Stadt ist das Risiko enorm: Wenn bei erlaubten 50 oder 30 km/h jemand mit 100 fährt, reicht ein Fußgänger, ein Radfahrer oder ein Spurwechsel eines anderen Autos und es kommt zu schwersten Unfällen. Das ist lebensgefährlich - für den Fahrer und für Unbeteiligte.
Wo sehen Sie aktuell die größten Gefahrenpunkte im Kreis - eher auf der A 27 oder außerhalb der Autobahn?
Die meisten schweren Unfälle passieren auf Landstraßen. Beispiele sind die B495 im Hemmoorer Bereich Richtung Osten oder Lamstedt, die Landesstraße 135 bei Stotel, die B437 Richtung Wesertunnel oder die B73 Richtung Altenbruch. Besonders gefährlich sind riskante Überholmanöver. Oft bringt es nur Sekunden Zeitgewinn, aber das Risiko ist immens. Hinzu kommen Baumunfälle, die nicht immer nur mit Tempoüberschreitungen zu tun haben - auch Ablenkung spielt eine große Rolle. Hier versuchen wir stets sehr aktiv zu sein, was verschiedene Verkehrssicherheitsmaßnahmen angeht. Gleiches gilt natürlich auch vor allem an Schulen, Kindergärten, Bushaltestellen oder Seniorenheimen, wo besonders schutzbedürftige Verkehrsteilnehmer unterwegs sind.
Gibt es Gefahrenpunkte im Cuxhavener Stadtgebiet?
Eine richtige Unfallhäufungsstelle gibt es derzeit nicht. Fahrradunfälle oder Unfälle mit E-Scootern kommen aber immer wieder vor. Früher war die Ecke Feldweg/Haydnstraße/Döser Feldweg ein Schwerpunkt durch Abbiegeunfälle. Dort wurde inzwischen eine Linksabbiegerspur eingerichtet, wodurch sich die Lage hier entspannt hat.
Reichen die aktuellen Strafen - Führerscheinentzug, Punkte, Geldstrafen - aus Ihrer Sicht aus, um Täter abzuschrecken?
Am meisten Wirkung hat der Führerscheinentzug, weil viele beruflich darauf angewiesen sind. Im europäischen Vergleich sind die Strafen in Deutschland jedoch immer noch niedrig. In manchen Fällen wären härtere Sanktionen sinnvoll. Besonders bei Wiederholungstätern ist es schwierig, Fahrzeuge sicherzustellen. In der Schweiz wird das Auto bei extremen Verstößen sofort eingezogen - das ist sehr drastisch, aber effektiv.
Könnten Sie sich solche Maßnahmen auch hier vorstellen?
Ein generelles Einziehen halte ich für zu hart, aber bei Wiederholungstätern sollte es einfacher möglich sein. Wer ohne Fahrerlaubnis fährt oder sich uneinsichtig zeigt, müsste konsequenter aus dem Verkehr gezogen werden - notfalls auch durch Einzug des Fahrzeugs.
