
Rechtsextreme Szene im Kreis Cuxhaven: "Bewegt sich zwischen gaga und gefährlich"
Rechtsextremismus im Kreis Cuxhaven erreicht neue Dimensionen. Andrea Röpke warnt vor der Verflechtung extremistischer Strukturen und dem Einfluss auf junge Menschen. Demokratie steht auf dem Spiel.
Andrea Röpke, Politologin und seit 30 Jahren Journalistin mit dem Themenschwerpunkt Rechtsextremismus, beobachtet die rechte Szene und hat Rechtsausläufer von völkisch Gesinnten über Rocker und Reichsbürger bis AfD auf dem Schirm. Zum Thema "Demokratie in Gefahr - Neue extrem rechte Erscheinungsbilder, Aktivitäten und Strategien in der Region" sprach sie Montagabend auf Einladung des Landkreises in den Seelandhallen vor über 200 Interessierten.
"Ich habe den Eindruck, dass die neue rechtsextreme Szene seit Corona sich zwischen gaga und gefährlich bewegt", verdeutlichte die Expertin und zeigte in ihrem Vortrag auf, dass das rechtsextreme Lager breit aufgestellt sei und es sich um ein heterogenes Spektrum handele. Anhand von Filmsequenzen von Querdenkerdemos ging sie auf die Proteste in der Coronazeit ein, die sich nicht nur gegen die Maßnahmen des Staates richteten, sondern von Beginn an rechtsextremistische Strukturen offenbart hätten. Bestens vernetzt in der gesamten deutschen Querdenkerszene seien beispielsweise die Cuxhavener Ali Salah und seine Frau, so die Journalistin.

Andrea Röpke hat Kenntnis von rechten Umtrieben im Raum Cuxhaven. Zum Beispiel von der völkischen Siedlerfamilie in Land Hadeln, bei der die Mutter als Lehrerin arbeitet, oder Danny Hilse, früherer Hells Angel, der in diesem Frühjahr die Querdenkerdemo in Cuxhaven organisierte, sich immer wieder mit AfD-Politikern und rechten Aktivisten zeigt und sich großspurig auf Instagram "dannyfirstclass" nenne.
Röpke richtete den Blick auch auf Reichsbürger. Im Südkreis gab es vor drei Jahren einen gut besuchten Vortrag von Matthes Haug, bekanntes Gesicht in der Reichsbürger-Szene, und eng verbunden mit der Gruppe um Prinz Reuß. Die Reichsbürgergruppierung "Indigenes Volk Germaniten" ist laut Röpkes Recherchen gegenwärtig im Kreis Cuxhaven aktiv mit Veranstaltungen im bürgerlichen Milieu bei zunehmender Vergrößerung und Radikalisierung.

"Höcke gefährlichster Mann der AfD"
Die Journalistin sprach an diesem Abend von zunehmenden Selbstermächtigungen, Feindbildern, Hass, Hetze und Drohungen. Strategien der Rechten seien Geschichtsverzerrung, Begriffsvereinnahmung, die Schaffung neuer Autoritäten durch Krisenprophezeiungen sowie gezielte Grenzüberschreitungen. Sie verhehlte nicht, dass sie Björn Höcke "für den gefährlichsten Mann der AfD" hält. Er liefere Kampfrhetorik und klare Ansagen, "die wir ernst nehmen müssen". Und sie präsentierte die alarmierenden Wahlergebnisse für den Kreis und erläuterte, dass die AfD verantwortlich sei für einen permanenten Krisenmodus.
Online-Kulturkampf der Rechten
Eine Gefahr drohe durch den Online-Kulturkampf der Rechten - "uns wir schauen da zu wenig hin", so Andrea Röpke. Dort würden Leute wie Grüne, Punks oder Queere als Feinde markiert. Eine erschreckende Tendenz nach rechts sieht Andrea Rölpke bei Schülerinnen und Schülern. Da werde unverhohlen der "White Power-Gruß" gezeigt, der "Happy Brenton Day" gefeiert, bei dem der Massenmörder von Christchurch gehuldigt wird, oder der norwegische Attentäter Anders Breivik wird als Held gefeiert.
1.Kreisrat Friedhelm Ottens vom Landkreis Cuxhaven und Dominikus Wolking, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Cuxhaven, zeigten an diesem Abend in ihren Beiträgen klare Position

Ottens machte auch im Landkreis eine gefährliche Entwicklung zunehmender Fremdenfeindlichkeit aus. Er warnte vor einem Flächenbrand: "Die Rechten sind unter uns. Sie haben die Mitte der Gesellschaft erreicht." Und er appellierte eindringlich: "Bitte steht auf und sagt, dass es so nicht geht."
Der stellvertretende PI-Leiter Wolking unterstrich, dass sich zwar die Erscheinungsbilder geändert hätten, aber der Hass derselbe sei. Er versicherte, dass die Polizei nicht wegschaue. Sie sei nicht nur Sicherheitsgarant, sondern Partner der Gesellschaft. "Man muss klar Haltung zeigen, wo die Demokratie in Gefahr ist.
Rebecka Bohnacker, Fachberaterin von der Mobilen Beratung, stellte die Arbeit ihres Regionalbüros vor, das vor allem wegen zunehmender rechter Jugendkultur vermehrte Beratungsfälle verzeichnet. Vor allem die digitale, niedrigschwellige Zugänglichkeit diene rechten Gruppierungen als "Türöffner" bei jungen Leuten. Dazu kämen Freizeitangebote wie Partys, Kampfsport oder Demos.
Ausstellung im Kranichhaus
Eine Ausstellung des Kreisarchivs mit einem Überblick über die Aktivitäten rechtsradikaler Gruppierungen im Landkreis und deren historische Entwicklung ist in Kooperation mit der Polizeiinspektion Cuxhaven bis Ende des Jahres im Kranichhaus in Otterndorf zu sehen. Die Präsentation ist Bestandteil der Themenreihe "Demokratie und Erinnerungskultur". Öffentliche Führungen nach Voranmeldung per E-Mail an archiv@landkreis-cuxhaven.de oder 04751-91480 finden am 30. Oktober um16 Uhr und am 9. November um 15 Uhr statt.
Eine Informationsveranstaltung speziell für Lehrerinnen und Lehrer der Klassen 4 bis 13 ist für den 28. Oktober, um 15 Uhr im Kranichhaus.