
Barmherzig oder kriminell? Gebürtiger Syrer steht in Cuxhaven vor Gericht
Statt Asyl zu beantragen, kamen Zuwanderer aus dem Bürgerkriegsgebiet als Geschäftsleute in den Landkreis. Ein Landsmann, der geholfen hat, wurde nun angeklagt. Die Frage ist: Handelte es sich bei zwei in Geestland gegründeten GmbHs um Scheinfirmen?
Vor dem Cuxhavener Amtsgericht muss sich ein seit Jahrzehnten in Deutschland ansässiger Syrer wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit verantworten. Er habe nichts Unrechtes getan, ist sich der in Nordrhein-Westfalen lebende Angeklagte allerdings sicher. Ein Verständigungsangebot lehnte er deswegen kategorisch ab.
Dem Mann, weißer Bart, Brille - es handelt sich erkennbar um ein "älteres Semester" - wird zur Last gelegt, mehreren Landsleuten gegen Geld zu Aufenthaltstiteln verholfen zu haben. Dabei handelte es sich wohlgemerkt nicht um ein Bleiberecht im Sinne des Asylgesetzes, sondern um einen Titel nach Paragraf 7 (AufenthG): Jener erklärt einen befristeten Aufenthalt von Bürgern aus Nicht-Schengen-Staaten für zulässig, sobald es darum geht, Geschäfte zu machen. Doch was, wenn solch eine Tätigkeit nur vorgeschoben ist und ein vermeintlicher Unternehmer nur so tut, als ob?
Ermittler glauben an fingierte Geschäftstätigkeit
Entgegen aller Beteuerungen des Beschuldigten ist die zuständige Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft aus Verden davon überzeugt, dass im vorliegenden Fall vieles fingiert ist. Bei zwei im Jahr 2016 in Geestland gegründeten GmbHs handelt es sich aus Sicht der Ankläger um Briefkastenfirmen: Ins Leben gerufen von mehreren aus Syrien eingereisten Personen, hätten die fraglichen Unternehmen nie dem Zweck einer gewerblichen Tätigkeit gedient. Nach Lesart der Staatsanwaltschaft ging es den Zuwanderern allein darum, sich mithilfe des genannten Konstrukts von den Fesseln des Asylrechts zu lösen: Wären sie im Landkreis als Kriegsflüchtlinge beziehungsweise politisch Verfolgte aufgenommen worden, hätte für sie eine Residenzpflicht gegolten. Geld zu machen, wäre unter diesen Bedingungen ebenfalls schwierig geworden.
Dass solche Beschränkungen umgangen werden sollten, wird von dem Mann auf der Anklagebank überhaupt nicht bestritten. "Sie wollten kein Asyl beantragen, dann hätten sie sich ja nicht mehr bewegen können", räumte der Beschuldigte ein. Er wies darauf hin, dass all seine Verwandten seinerzeit per Visum eingereist seien und sehr wohl unternehmerisch tätig geworden seien. Allein in den ersten drei Monaten nach Gründung der besagten Geestländer Firmen sollen Waren im Wert von mehr als einer Viertelmillion Euro bewegt worden sein.
Unter der Geschäftsadresse in der Stadt Langen wollen Ermittler außer einem leeren Schreibtisch allerdings nicht viel gefunden haben, was auf eine Geschäftstätigkeit von mehr als einem Dutzend Zuwanderer hinwies. Anstelle des üblichen Büro-Setups waren in den Räumen offenbar auch Betten zu finden gewesen. Unterlagen, mit denen sich ein Import-Export-Handel belegen ließe, wurden an den vergangenen Prozesstagen (noch) nicht vorgelegt. Maßgebliche Akten seien im Zuge der polizeilichen Maßnahmen "verschleppt" worden, moniert der Angeklagte.
Zahlungen an einen gewissen Oussama
Was vorliegt, sind allerdings Daten, die von einem vom Beschuldigten an die Polizei ausgehändigten USB-Stick stammen. "Eine Art Haushaltsbuch", hieß es am Dienstag im Gerichtssaal. In den Aufzeichnungen werden einem gewissen "Oussama" monatliche Beträge in Höhe von jeweils 3.000 Euro sowie ein Mietzins zuerkannt. Der Angeklagte, der denselben Vornamen trägt, bestreitet vehement, Empfänger solcher Zahlungen gewesen zu sein. Er habe "keinen Cent bekommen" - und im vorliegenden Fall lediglich die Verpflichtung verspürt, zu helfen. Seine Rolle bei Verhandlungen mit Behörden wie auch die eigene Funktion innerhalb der beiden Unternehmen habe sich auf die Tätigkeit eines Dolmetschers beschränkt. Der Amtsrichter widersprach energisch: "Sie tauchen da als Generalbevollmächtigter auf", sagte Stefan Redlin. "Versuchen sie besser nicht, mich zu veräppeln!"
Beschuldigter schlägt ein "Geschenk" aus
Zu diesem Zeitpunkt waren Richter und Staatsanwalt nach wie vor darum bemüht, den Mann zu einem Agreement zu bewegen. Letzteres hätte - ein Geständnis vorausgesetzt - dem Beschuldigten ein mildes, das heißt, im bewährungsfähigen Rahmen liegendes Strafmaß garantiert. Nicht nur Redlin, auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft bezeichnete einen solchen Verständigungsvorschlag als "Geschenk": Gebe doch die Aktenlage ein relativ klares Bild von Vorgängen, die auch unter Aspekten von Schleuserkriminalität bewertet werden könnten "Wenn es hier kein Einknicken gibt, haben sie unter Umständen ein echtes Problem", warnte der Richter den Beschuldigten.
Strafverteidiger Andreas Meyn bemühte sich am gestrigen Dienstag darum, die Diskussion auf den aus anwaltlicher Sicht maßgeblichen Aspekt zu begrenzen: Waren die eingereisten Syrer nun geschäftlich tätig oder waren sie es nicht? Allein diesen Punkt gelte es zu beleuchten. Die Frage, welche Rolle wohl im vorliegenden Fall die im Kreishaus angesiedelte Ausländerbehörde gespielt hat, bleibt aus seiner Sicht ein Nebenschauplatz des Verfahrens.