Bremerhavener Psychiater rettet Kuh "Mücke" - 7.900 Euro für ein neues Leben
Bremerhavener Psychiater Dr. Jan Reuter rettet die Ausreißer-Kuh "Mücke" und übernimmt die Kosten für ihr neues Leben. Für ihn ist es selbstverständlich, aktiv Verantwortung zu übernehmen und Tieren in Not zu helfen.
Die Geschichte machte bundesweit Schlagzeilen. Eine Kuh war in Baden-Württemberg auf dem Weg zum Schlachter ausgebüxt, entkam allen Fangversuchen und fand Zuflucht bei Schafen. Verrückt. Noch verrückter: Ein Bremerhavener Psychiater sorgt fürs Happy End.
Natürlich könne man das verrückt nennen, was er getan habe, sagt Dr. Jan Reuter, der mit seiner Familie in Bremerhaven-Lehe lebt. "Aber für mich wäre es verrückt gewesen, nichts für die Kuh zu tun, die so unbedingt leben möchte", findet der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Das Schicksal des Tieres hat den 49-Jährigen berührt.
Psychiatrischer Gutachter für das Amtsgericht Bremerhaven
Reuter, der zuvor Oberarzt am Klinikum Bremen-Ost war, arbeitet in Bremerhaven als psychiatrischer Gutachter, unter anderem für das Amtsgericht Bremerhaven und das Landgericht Bremen. Er beurteilt für das Gericht die psychische Verfassung eines Menschen, fertigt Gutachten, ob zum Beispiel eine rechtliche Betreuung oder eine psychiatrische Unterbringung notwendig ist.
Die Kuh lebte wochenlang allein im Wald
Vor einigen Tagen stand er am Bahnhof Lehe, wartete auf den Zug nach Bremen und las auf dem Handy die Schlagzeilen über "Mücke". So wurde das junge Tier getauft, weil es in Mückenloch, einem Stadtteil von Neckargemünd nahe Heidelberg, seine Freiheit fand. Auf dem Weg zum Schlachthof büxte die Färse bereits Mitte August aus und lebte wochenlang allein im Wald. Sie ließ sich gelegentlich von Spaziergängern fotografieren, nahm aber stets Reißaus, wenn ihr Menschen, die sie einfangen wollten, zu nahe kamen. Bundesweit wurde über "Mücke" berichtet, als sie sich schließlich einer Schafherde anschloss. Mücke, eigentlich keine Kuh, da sie noch nicht gekalbt hat, fühlte sich wohl unter den 200 Schafen und diese sich offensichtlich mit ihr.
Doch als die Herde weiterziehen musste, war es mit der Freiheit zunächst vorbei: "Mücke" wurde betäubt und zum Besitzer zurückgebracht. Der war bereit, die Ausreißerin abzugeben. So kam der Verein "Rüsselheim" in Spiel, der auf einem Gnadenhof in Hessen Tiere betreut. Der Verein nahm "Mücke" auf, hatte aber eigentlich kein Geld. Es wurden Paten gesucht. Reuter meldete sich. "Man fühlt sich angesichts des Leids von Tieren oft ohnmächtig. Hier hatte ich die Chance zu handeln, Verantwortung zu übernehmen", sagt Reuter. Und er hatte die Mittel.
7.900 Euro für " Mückes" Kost und Logis in den nächsten Jahren
Der Vater von zwei kleinen Kindern entschädigte den Besitzer und verpflichtete sich, in den kommenden drei Jahren für Kost und Logis auf dem Gnadenhof zu zahlen. 7.900 Euro gibt er dafür aus, dass "Mücke" eine Zukunft hat. Die Kosten für den Tierarzt übernahmen andere Spender.
Die Hilfsaktion für "Mücke" hat Jan Reuters Bruder bekannt gemacht. Der ist Journalist und arbeitet beim "Spiegel" im Auslandsressort. Dort berichtet er über die Krisengebiete im Nahen Osten. Doch die Aktion seines Bruders rührte ihn und er schrieb über die "Kuh, die die Fliege gemacht hatte und Mücke heißt." Und vor allem darüber, dass sein Bruder ein Herz für "Mücke" hatte. Er legte in dem Text, der auf Spiegel online veröffentlicht wurde, auch offen, dass der Bremerhavener Psychiater sein Bruder ist. Für die NORDSEE-ZEITUNG war der Artikel ein Grund, selbst mit Jan Reuter über die Geschichte zu sprechen.
Reuter macht es glücklich, handeln zu können
"Mich macht es glücklich, dass ich handeln und konkret etwas tun konnte", sagt er. In seinem Beruf engagiert er sich seit Jahren. Er war für "Ärzte ohne Grenzen" in Zimbabwe tätig, Gründer eines Netzwerkes für Patienten ohne Krankenversicherung in Neubrandenburg und setzt sich über Deutschland hinaus für eine humanitäre Psychiatrie ein.
Irgendwann will er mit der Familie "Mücke" in Hessen besuchen, erzählt er. Aber warum ist er bereit, seine Hilfsaktion öffentlich zu machen? Vielleicht, um zu zeigen, dass man nicht ohnmächtig bleiben müsse angesichts von Tierleid, erzählt er. Natürlich haben viele nicht das Geld, um eine Kuh zu retten. Brauche es auch nicht. Das gehe auch drei Nummern kleiner. Vielleicht mit einer Patenschaft im Tierheim.
Von Tobia Fischer