Zehn Jahre "Cadenberge hilft" - bewegende Geschichten von Flucht und Neubeginn
Zehn Jahre nach den ersten Ankünften Geflüchteter in Otterndorf, Cadenberge und Umgebung hat die Bürgerinitiative "Cadenberge hilft" zu einem großen Wiedersehen ins MarC5 eingeladen. Familien, Freunde und Unterstützer teilten Erinnerungen.
"Wo Menschen sich verbünden, den Hass überwinden - und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns." Diese Strophe eines Liedtextes von Thomas Laubach, die Matthias Hövelmann, Pastor der Gesamtgemeinde Am Dobrock, zur Begrüßung sagte, berührte nicht nur ihn.
Berührende Begegnungen beim Wiedersehen waren am Sonnabendnachmittag im MarC5 in Cadenberge, zu dem die Bürgerinitiative "Cadenberge hilft" zusammen mit der Samtgemeinde Land Hadeln und dem Landkreis Cuxhaven eingeladen hatte, zu sehen. Viele Familien, zum Teil mit Kindern, waren der Einladung gefolgt. Die meisten von ihnen, beladen mit Torten, Kuchen, Keksen und sonstigen Leckereien, sorgten somit für ein abwechslungsreiches Buffet.

Angebote für Kinder trotz Wetter
Auch wenn aufgrund des Sturms und Regens die Hüpfburg auf dem Vorplatz nicht aufgebaut werden konnte, bot Peter Thohoff im Rahmen der Jugendarbeit der Samtgemeinde Land Hadeln in dem mobilen Jugendraum des Paritätischen Cuxhaven mit Tischkicker und weiteren Spielkonsolen Unterhaltung für die Kinder an.
Maritime Akkordeonklänge von Mariola Hoss-Hillmann ließen die Gäste die Nähe zum Meer spüren, die Heimat, die sie in dieser Region gefunden haben. Die Atmosphäre war bedingt durch das Treffen von vielen Freunden und Bekannten eine ganz besondere. Es füllten mehr Ausländer, darunter Afghanen, Syrer, Kurden, Ukrainer und Kolumbianer, den Saal als Deutsche. Wie wichtig und fruchtbar die Hilfe vor zehn Jahren für die Flüchtlinge war, übermittelte Christoph Frauenpreiß, Mitglied des Deutschen Bundestages, mit einer Video-Botschaft.

Rückblick auf 2015: Turnhalle als Notlager
Als Gäste konnten unter anderem Frank Thielebeule, Samtgemeindebürgermeister Land Hadeln, Stadtdirektor Otterndorf; Patrick Pawlowski, Bürgermeister von Wingst; Friedhelm Ottens, Erster Kreisrat Landkreis Cuxhaven; Kai Weber, Geschäftsführer Flüchtlingsrat Niedersachsen; Rolf Lewerenz, Vorsitzender Reservistenkameradschaft Wingst e. V.; und Frau Dr. Gisela Penteker, Mitglied der Härtefall-Kommission des Landes Niedersachsen, begrüßt werden. Sie haben wegen der Stimmung im Saal auf ihre Redebeiträge verzichtet.

Ein kleiner Rückblick: Vor zehn Jahren fanden ab September die Flüchtlinge in Otterndorf, Cadenberge und Umzu eine erste Bleibe. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung war riesengroß. Es taten sich Bürgerinnen und Bürger der Gemeinden zusammen. Als plötzlich ein Bus mit Flüchtlingen vor der Cadenberger Turnhalle hielt, wurde diese kurzentschlossen zum Notlager umfunktioniert.
Entstehung und Engagement der Initiative
"Wir waren zum Beginn 90 Personen, die die Bürgerinitiative 'Cadenberge hilft‘ auf die Beine stellten", berichtet Christa Wiese, die gemeinsam mit Ulrich Beushausen und vielen Helfern das 10-Jahresfest organisiert hatte. Christa und Uli sind für alle Gäste ein Begriff und wurden ständig von den dankbaren Menschen in den Arm genommen. "Wir sind heute noch 20 bis 30, die sich ehrenamtlich einsetzen", sagte Christa, die weiterhin einige Familien begleitet. Die deutsche Sprache zu beherrschen, ist für alle der wichtigste Baustein.

Die Freiheit des Lebens: Wenn es glückt, ist es ein Wunder. Fluchtwege über die Berge, durch die Türkei, über die Wüste, übers Mittelmeer - Europa, Freiheit, Zäune, Papiere - wenige, die Hilfe leisten, viele, die es nicht geschafft haben.
Strapazen, Grenzen und das Wunder des Gelingens
Mit starkem Willen hat Jawad es mit seiner Familie geschafft. Er hatte an der Universität in Kabul Wirtschaftswissenschaften studiert und musste seine Professur durch die Flucht unterbrechen. Über Pakistan und Leipzig war es ein schwerer Weg, bis er in Bochum sein Studium fortsetzen konnte. Seit vier Jahren lebt er in Hamburg mit seiner Frau und drei Kindern (12, 8 und 2 Jahre), wo er eine Firma gegründet hat. Die Bürokratie, die hinter diesem Weg steckte, hatte Christa mit ihrer Erfahrung und Menschlichkeit unterstützt.

Auch Parwiz, der mit 17 Jahren in Hechthausen ankam, studiert ab September Medizin. "Ich habe schon als Kind gesagt, dass ich Arzt werden will. Wenn man will, kann man es schaffen", sagte er.
Auch die Ukrainerin Mylana hat es geschafft. Nach ihrer Arbeit als Verkäuferin in Cuxhaven zeigten die Kinder ihrer Tanzgruppe, was sie mit ihr im Gemeindehaus geprobt hatten.
Manche Menschen lassen ihr ganzes Leben zurück, um es zu behalten. Dieser Nachmittag zeigte, wie viele Freundschaften vor 10 Jahren entstanden sind und wie viel Dankbarkeit den Helfern zurückgeschenkt wird.
Von Heidi Giesecke