Blumen und Kerzen liegen nach einem tödlichen Messerangriff vor einem Hauseingang in Berlin-Friedrichsfelde neben einem Zettel mit der Aufschrift „Man tötet nicht aus Liebe - Stoppt Femizide“. Symbolfoto: Fabian Sommer/dpa
Blumen und Kerzen liegen nach einem tödlichen Messerangriff vor einem Hauseingang in Berlin-Friedrichsfelde neben einem Zettel mit der Aufschrift „Man tötet nicht aus Liebe - Stoppt Femizide“. Symbolfoto: Fabian Sommer/dpa
Gewalt gegen Frauen

Opferhilfe des Landkreises Cuxhaven warnt vor wachsender Gewalt: Anstieg an Femiziden

von Bengta Brettschneider | 24.11.2025

Zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen zeigt die Opferhilfe im Kreis Cuxhaven, wie wichtig Unterstützung ist: Denn aus Statistiken geht hervor, wie viele Frauen pro Stunde Opfer von Gewalt werden.

Die Zahlen, die aus dem jüngsten Lagebild des Bundeskriminalamtes (BKA) hervorgehen, sollten wachrütteln: Erneut sind die Zahlen häuslicher Gewalt gestiegen. Im vergangenen Jahr wurden 308 Frauen in Deutschland getötet. Pro Stunde werden 15 Frauen Opfer von partnerschaftlicher Gewalt.

Im Landkreis Cuxhaven ist die Stiftung Opferhilfe Niedersachsen eine zentrale Anlaufstelle für Menschen, die Gewalt erlebt haben - Frauen machen rund drei Viertel der Fälle aus. Die Stiftung ist in ganz Niedersachsen vertreten, mit Büros am Landgericht und spezialisierten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern.

"Wir erklären den Ablauf von Strafverfahren und begleiten die Frauen während des Prozesses - ohne Druck, ohne dass sie alles noch einmal bei einem Beratungsgespräch erzählen müssen", sagt Anne Skaza von der Stiftung Opferhilfe Niedersachsen.

Die Opferhilfe bietet weiter Beratung an, bei Entschädigungsansprüchen nach dem SGB XIV, Hausbesuche und Vermittlung an andere Beratungsstellen, Netzwerkarbeit und Vermittlung an Therapieplätze, Frauenhäuser oder Trauma-Ambulanzen, Beratung von Angehörigen von Opfern, etwa nach Femiziden.

Bei Gericht seien es manchmal die einfachen Dinge, die für Unsicherheiten sorgen. "Wie sieht ein Gerichtssaal aus, darf ich meine Jacke ausziehen, wo muss ich mich hinsetzen", erläutert Skaza.

Ein Mann hält zu Demonstrationszwecken eine elektronische Aufenthaltsüberwachung, bekannt als elektronische Fußfessel, vor das Bein eines Probanden. Symbolfoto: Arne Dedert/dpa

Schutz durch elektronische Fußfesseln

Ein neues Instrument soll zukünftig den Schutz von Gewalt betroffenen Frauen erhöhen: die elektronischen Fußfesseln für Täter. Sobald sich die Person nähert, wird das Opfer gewarnt und die Polizei informiert.

"Wenn das funktioniert, könnte es hilfreich sein, weil die Betroffenen rechtzeitig reagieren oder Hilfe holen können", sagt Skaza. "Aber es muss geübt werden: Was passiert, wenn der Alarm losgeht? Wie reagieren die Betroffenen? Diese Abläufe müssen trainiert werden, damit die Maßnahme wirklich Sicherheit schafft."

Femizide sind Ausdruck struktureller Gewalt gegen Frauen und verdeutlichen die Bedeutung von Prävention, Schutzmaßnahmen und begleitender Unterstützung durch Einrichtungen wie die Opferhilfe.

Arbeitskreis gegen häusliche Gewalt: Netzwerk stärkt Schutz

Ein zentraler Bestandteil der Arbeit ist auch die enge Zusammenarbeit im Arbeitskreis gegen häusliche Gewalt. Die Opferhilfe kooperiert mit Frauenberatungen, dem Sozialpsychiatrischen Dienst, Jobcentern und weiteren Fachstellen.

"Wir arbeiten eng mit allen Akteuren zusammen. Wenn nötig, vermitteln wir weiter, erklären Angebote und schauen gemeinsam, wie Betroffene bestmöglich unterstützt werden können", so Skaza.

"Keiner arbeitet isoliert. Das Netzwerk sorgt dafür, dass Frauen schnell Hilfe erhalten und dass alle Beteiligten informiert sind."

Rote Schuhe stehen als Protestaktion gegen Femizid auf dem Jean-Rey-Platz. Die Aktion sollte verdeutlichen, wie viele Frauen jährlich durch partnerschaftliche Gewalt getötet werden. Foto: Marius Burgelman

Therapeutische Versorgung

Die Trauma-Ambulanzen in Niedersachsen bieten schnelle psychologische Stabilisierung. Sie richten sich an Opfer von Straftaten innerhalb der letzten sechs Monate. "Dort erhalten Menschen gezielte Gespräche, um sich zu stabilisieren", sagt die Sozialarbeiterin. Für Betroffene aus dem Landkreis Cuxhaven ist Stade zuständig. Leider ein sehr langer Weg für das gesamte Einzugsgebiet. Die nächste Trauma-Ambulanz für Kinder und Jugendliche liegt sogar ganz in Lüneburg.

"Ein großes Problem ist die fehlende therapeutische Versorgung", erklärt Skaza. "Viele Frauen kommen zu uns und sagen: Ich möchte das Erlebte bearbeiten, mir geht es schlecht. Doch die Nachfrage übersteigt die verfügbaren Therapieplätze bei weitem - Wartelisten sind lang oder gar nicht mehr vorhanden."

Die Opferhilfe im Landkreis Cuxhaven hat ihr Büro am Landgericht in Stade. In Niedersachsen ist die Stiftung mehrmals vertreten. Sie bieten Unterstützung und Beratung für Menschen an, die Opfer von Gewalt wurden. Foto: Fabian Sommer

Femizide und steigende Fallzahlen

Anne Skaza arbeitet seit 2013 bei der Stiftung Opferhilfe. Die Zahlen der Gewalt- und Tötungsdelikte sind seitdem gestiegen. Und auch die Femizide. "Wir sehen eine steigende Tendenz bei den Fällen, die uns erreichen. Auch Angehörige melden sich, wenn Frauen Opfer von Tötungsdelikten geworden sind."

Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) bestätigt in seiner aktuellen Studie: Femizide nehmen zu. Ein Femizid ist die Tötung einer Frau durch einen Mann und weist drei zentrale Merkmale auf:

  • Geschlechtsspezifische Tat: Das Opfer wird gezielt aufgrund seines Geschlechts getötet
  • Nähe zum Täter: Oft Partner, Ex-Partner oder enge Bezugsperson
  • Motivierende Gewalt: Kontrolle, Eifersucht oder Besitzdenken

Hilfsangebote im Landkreis Cuxhaven

  • Stiftung Opferhilfe Niedersachsen, Büro Stade. Zuständig für Landkreis Cuxhaven. Telefon (0 41 41) 40 30 43 0
  • Trauma-Ambulanzen Niedersachsen im Elbe Klinikum Stade: bis zu sechs Monate nach der Tat, bei fehlendem Therapieplatz, psychologische Stabilisierung. Telefon (0 41 41) 97 17 32
  • Frauenhäuser und Beratungsstellen im Landkreis Cuxhaven, Telefon (0 47 21) 57 93 62 oder (0 47 21) 57 30
  • Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen": 116 016 (rund um die Uhr, anonym)

"Wer bei uns anruft oder eine E-Mail schreibt, kann einfach Name und Telefonnummer hinterlassen - wir rufen so schnell wie möglich zurück, denn der erste Schritt, sich zu melden, ist oft schon sehr schwer", betont Anne Skaza von der Stiftung Opferhilfe Niedersachsen. (bb)

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Bengta Brettschneider

Volontärin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

bbrettschneider@no-spamcuxonline.de

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