
Gegen die Rundum-Vernässung: Bauern und Kreis Cuxhaven sind sich beim Moor einig
Die Landwirtschaft im Kreis Cuxhaven steht vor großen Herausforderungen: Moorvernässung trifft auf wirtschaftliche Interessen. Welche Lösungen finden die Bauern und der Kreis gemeinsam, um die Balance zwischen Klimaschutz und Ertrag zu wahren?
Die Hoffnung auf frischen Wind durch die neue Regierung in Berlin, der Generationswechsel an der Verbands-Spitze und die Moorvernässung beherrschten die Versammlung des Landvolks. Beim Moor ziehen die Bauern und der Kreis Cuxhaven an einem Strang.
Jan Heusmanns Bilanz sah nicht übel aus. Das vergangene Jahr sei für die Landwirtschaft gar nicht schlecht gelaufen, so der Vorsitzende des Landvolks Wesermünde. Die Bauern hätten vom deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise profitiert. "Ein Großteil davon ist als Umsatz auf den Betrieben angekommen", so Heusmann auf der Mitgliederversammlung in Elmlohe. Etwa 100 Bauern waren gekommen, aber auch viele Bürgermeister, Landtagsabgeordnete, Banker, Berufsschüler, Vertreter von Genossenschaft und Landhandel. Besonders stark vertreten war der Kreis mit dem Landrat, dem künftigen Dezernenten Frank Berghorn und etlichen Amtsleitern.
50 Prozent der Wertschöpfung aus der Landwirtschaft
Ein Zeichen dafür, wie wichtig die Landwirtschaft als Wirtschaftsfaktor ist. Landvolk-Geschäftsführerin Marina Sancken hatte das zuvor mit Zahlen belegt. Bundesweit sorgen die Bauern für ein Prozent der Wertschöpfung, im Agrarland Niedersachsen sind es zwei Prozent. Doch im Kreis Cuxhaven, so Sancken, sind es sogar sieben Prozent. Und wenn man den vor- und nachgelagerten Bereich wie Landhandel und Maschinenring hinzuzählt, "kommt im Kreis Cuxhaven die Hälfte der Wertschöpfung aus der Landwirtschaft", so Sancken.
Landvolk-Vorsitzender Jan Heusmann ging in seiner Rede auf die Krisen in der Welt ein, die dazu geführt haben, dass die Landwirtschaft wieder wichtiger geworden sei. "Dass die Lebensmittelpreise so geklettert sind, ist auch ein Zeichen von Knappheit", machte er deutlich. Eine Lage, aus der die Landwirte durchaus Selbstbewusstsein ziehen.
"Ernährungssicherheit gehört auch ins Grundgesetz"
Die Ernährungssicherheit sei ein Thema, das wieder in den Vordergrund gerückt sei, so Heusmann. Und er forderte Konsequenzen: "Wenn der Klimaschutz im Grundgesetz verankert wird, wie es die künftige schwarz-rote Koalition mit dem Infrastruktur-Paket getan hat, gehört auch die Ernährungssicherheit dort hinein. Beides gehört zusammen." Aus Heusmanns Sicht sind Klimaschutz und Landwirtschaft ohnehin keine Gegensätze. Entscheidend ist für ihn die Effizienz. "Es geht darum, die Ressourcen sparsam einzusetzen und gleichzeitig maximalen Ertrag zu erzielen."
Dass die Landwirtschaft in punkto Umweltschutz liefern kann, hat sie unter Beweis gestellt, versicherte der Landvolk-Chef. Beispielsweise beim der Nitratbelastung. "Das Problem ist gelöst." Auch das nächste große Thema, das die erfolgreiche Milchwirtschaft im Cuxland bedroht, hofft Heusmann zu lösen - die Vernässung der Moore, die Berlin, Brüssel und Hannover anstreben, um den Kohlendioxid-Ausstoß zu bremsen und die selbst gesteckten Klima-Ziele zu erreichen.

Heusmann: Als erstes Naturschutzflächen vernässen
Der Bauernverband habe Vorschläge gemacht, welche Moore vernässt werden könnten, betont er. Flächen, die unter Naturschutz stehen oder als Ausgleichsflächen dienen, beispielsweise. Oder Moor-Birkenwälder sowie Moorflächen, die für die Bauern wegen der Nässe kaum zu nutzen sind. Aber eben nicht alle Moorflächen.
An der Spitze des Landkreises sieht man das ähnlich. Landrat Thorsten Krüger betonte in der Geestland-Halle: "Es ist klar, dass wir in punkto Klimaschutz etwas machen müssen - aber mit gesundem Pragmatismus." Das heißt für den Verwaltungschef, dass bei der Moorvernässung die Balance von Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit gewahrt werden müsse. Schließlich ist die Landwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Cuxland.
"Wir brauchen einen Ausgleich für die Vernässung"
Der Landrat fordert aber auch einen Ausgleich für die Wertschöpfung, die dem Kreis verloren geht, wenn die Landwirte auf ihren Flächen nicht mehr so wirtschaften können wie bislang. "Die Moorvernässung hat eine ähnliche Größenordnung wie der Kohleausstieg", machte Krüger deutlich. Da genügten die 300 Millionen Euro, die die Ampel-Koalition als Ausgleich für die Vernässung spendieren wollte, keinesfalls. "Es geht hier um 500.000 Hektar an der niedersächsischen Küste, die aus der Bewirtschaftung fallen könnten. Wenn das tatsächlich passiert, brauchen wir einen riesigen Fonds, der über mindestens 25 Jahre Geld für einen Strukturwandel ausschüttet", forderte er.

Im Landvolk-Vorstand schreitet der Generationswechsel voran. Nach Thore Lünschen (34), der 2020 die Nachfolge von Enno Garbade angetreten, rückte nun mit Jan Lücken (31) ein zweiter junger Mann in den Vorstand auf. Neu in den Vorstand gewählt wurde Henner Weyhe (51). Aufgehört haben Dirk Tramsen und Hartmut Bock, die seit Jahrzehnten im Landvolk-Vorstand mitgearbeitet haben. Heusmann selber, der das Landvolk seit 20 Jahren anführt, trat noch einmal an. Es seien für ihn aber die letzten drei Jahre als Landvolk-Chef, kündigte der 60-Jährige an.
Von Inga Hansen