
Nach Messerattacke in Hechthausen: Weshalb eine Zeugin per Videoanruf aussagt
Vor dem Stader Landgericht wurde am Montag der Prozess gegen einen türkischen Staatsbürger aus Hechthausen fortgesetzt. Er soll mehrfach mit einem Messer auf seine Ehefrau eingestochen haben. Jedoch haben beide eine andere Sicht auf den Tathergang.
Während sich der Hechthausener beim Prozessauftakt nicht zur mutmaßlichen Tat äußerte, war er dieses Mal umso redseliger. Er schilderte nicht nur den Tag, an dem er mit einem Messer auf seine Ehefrau eingestochen haben soll, sondern sprach auch über die Zeit, in der er und seine Frau noch in der Türkei lebten.
Scheidung, Betrug und psychische Erkrankungen
Schon in der alten Heimat lief die Ehe des Paares alles andere als gut. "Wir hatten schon damals so unsere Probleme", beginnt der 35-jährige Angeklagte seinen Bericht und fährt dann fort: "Wir wollten unbedingt nach Deutschland, aber unsere Familien stimmten dagegen. Sie wollten, dass wir uns scheiden lassen. Der älteste Bruder meiner Frau ist Rechtsanwalt und hat einen Scheidungsantrag gestellt. Wir sind dann mit unseren vier Kindern nach Deutschland geflohen."
Angekommen in einer Flüchtlingsunterkunft in Hannover, habe seine Frau ihn mit einem neun Jahre jüngeren Syrer betrogen. "Sie hat psychische Probleme und in Hechthausen dann immer mit einem Messer unter dem Kopfkissen geschlafen. Ich hatte große Angst vor ihr. Sie drohte mir immer wieder und meinte, dass sie mich und dann sich umbringen möchte. Ich bin ihr gegenüber aber nie handgreiflich gewesen", erzählt der Beschuldigte.
Emotionen sucht man in seinem Gesicht jedoch vergeblich. Nur an zwei Passagen seiner Aussage weint er - es wirkte fast schon einstudiert. Als dann seine Frau im Zeugenstand aussagt, sorgte sie erst einmal für Verwirrung.
Per Videochat im Zeugenstand
Um ein Aufeinandertreffen der Eheleute zu verhindern, sagte die Frau per Videochat aus. Sie saß in einem anderen Raum im Stader Landgerichtsgebäude und wurde über einen Fernseher im Gerichtssaal zugeschaltet.
Die 33-Jährige wohnt mittlerweile in Göttingen. Sie war deutlich aufgewühlter und emotionaler als ihr Mann und wollte ihre Aussage "schnell hinter sich bringen". Als sie begann, wurde deutlich, dass einer der beiden nicht ganz die Wahrheit sagt. Denn die 33-Jährige sagte aus, dass es allein ihre Entscheidung war, sich von ihrem Mann zu trennen und ihre Familie damit nichts zu tun gehabt haben soll. "Ich lebte dann einige Monate bei meiner Mutter. Sie hatte aber kaum Platz in ihrem Haus und so mussten meine Kinder bei ihrem Vater bleiben. Dieser ließ mir dann über unsere älteste Tochter die Nachricht zukommen, dass er nach Deutschland gehen will und die Kinder mitnimmt. Ich sollte mir überlegen, ob ich mitkommen möchte. Das ging alles so schnell, dass die Scheidung vorerst warten musste", erinnert sie sich.
Außerdem habe sie nie unter einer psychischen Erkrankung gelitten. Ganz im Gegenteil: Ihr Mann bekam schon in der Türkei Medikamente für seine Psyche verschrieben. Auch habe sie ihn nie mit einem Messer bedroht oder betrogen. "Er war derjenige, der mir gedroht hat und meinte, dass er erst mich und dann sich umbringen will", sagt die türkische Staatsbürgerin. Und sie habe nur eine Nacht mit einem Messer unter dem Kopfkissen geschlafen, weil sie Angst vor ihrem Ehemann hatte.
Zudem habe er sie schon öfter im Streit geschlagen. Am Tattag selbst sollen die zwei wieder einmal gestritten haben. "Ich sagte ihm dann, dass es jetzt vorbei ist und ich mich endgültig scheiden lassen möchte", so die 33-Jährige.
Feuerwehrleute retteten ihr Leben
Nachdem das Tatopfer die Scheidung angesprochen hatte, war der Ehemann nach Angaben der Frau wie ausgewechselt. Er habe das Messer aus der Küche geholt und auf sie eingestochen - im Beisein der ältesten Tochter (sie war ebenfalls als Zeugin geladen, verweigerte aber die Aussage). Wobei er seine Tochter ebenfalls verletzte. Diese rannte hinaus und holte Hilfe. "Gerade als mein Mann den Arm hob und auf mein Herz einstechen wollte, kamen die Feuerwehrleute rein und zogen ihn von mir herunter. Sie haben mich gerettet", erklärte die 33-Jährige mit hörbarer Erleichterung.
Einige der Feuerwehrmänner werden beim Fortsetzungstermin am 6. Januar 2025 angehört.