Ein womöglich eher unspektakulärer Anblick - aber umso wichtiger für unsere Nahrungsmittelindustrie. Einer der Kühlräume der Firma Gooss in Otterndorf. Während der Lagerarbeiten steigt die Lufttemperatur leicht auf etwa Minus 18 Grad Celsius. Foto: Rahn
Ein womöglich eher unspektakulärer Anblick - aber umso wichtiger für unsere Nahrungsmittelindustrie. Einer der Kühlräume der Firma Gooss in Otterndorf. Während der Lagerarbeiten steigt die Lufttemperatur leicht auf etwa Minus 18 Grad Celsius. Foto: Rahn
Kühlwirtschaft im Nordwesten

Eiskalte Logistik an der Küste - wie Gooss den Fisch frisch hält

16.09.2025

Wärme im ewigen Frost: Spezielle Heizungen in Türen und Böden halten die Kühlhäuser von Gooss funktionsfähig - und sichern so bei minus 22 Grad Celsius die Versorgung der Fischindustrie in Cuxhaven.

Von Max Martin Rahn

In Otterndorf und Cuxhaven lagern tausende Tonnen Fisch und Gemüse bei ungefähr minus 22 Grad Celsius. Die Firma Gooss ist ein mehr oder weniger unsichtbarer, aber unverzichtbarer Teil der norddeutschen Fischwirtschaft. Geschäftsführer Ralf Böschen führt das Unternehmen seit Jahren und weiß, dass jedes Grad Celsius zählt - nicht nur in der Kühlkette.

Geschäftsführer Ralf Böschen (63) an seinem Schreibtisch. Er trägt die Hauptverantwortung für die gesamtbetrieblichen Abläufe. Foto: Rahn

Ein Netz aus Kühlhäusern

Drei Kühlhäuser mit insgesamt neun Kühlräumen in Otterndorf, acht in Cuxhaven und zwei am Lentzkai - das ist das Rückgrat der Gooss-Lagerlogistik. Rund 40 Mitarbeiter sorgen dafür, dass die Kühlkette niemals unterbrochen wird. "Die Ware gehört nicht uns, wir lagern nur für unsere Kunden", betont der 63-jährige Böschen.

Gelagert wird vor allem Fisch - beispielsweise gefrorene Heringsfilets für die fischverarbeitenden Betriebe in Cuxhaven, aber auch Gemüse. In der Fang-Saison, die im Mai beginnt, werden große Mengen Hering angelandet. Von Mai bis Juli geht es um Matjes, ab August um andere Produkte. "Wenn nicht genug Fische gefangen werden, dann werden sie aus den Tiefkühlhäusern ausgelagert und verarbeitet", erklärt Böschen.

Aus aller Welt

Die Kunden kommen aus ganz Nordeuropa, aber auch aus Drittländern. Produzenten für Heringsprodukte aus Dänemark und Norwegen lagern hier ebenso wie die größten Lieferanten für Fischstäbchen aus den USA und Asien. Die Rohware wird oft in Cuxhaven weiterverarbeitet, manchmal aber auch über Bremerhaven verschifft. Dort unterhält Gooss ein eigenes Büro - strategisch platziert wegen des Terminals und des Veterinäramts.

Direkt oder indirekt

Böschen unterscheidet zwischen direkter und indirekter Lagerung: "Hab ich jetzt erfunden", sagt er schmunzelnd. Direkt bedeutet: Die Ware wird für einen bestimmten Lieferanten eingelagert. Indirekt heißt: Sie wird zunächst gelagert und später aus dem Bestand heraus verkauft. An manchen Tagen rollen bis zu 20 Lkw auf das Gelände, an anderen gar keiner. Durchschnittlich bleibt die Ware ein halbes Jahr im Lager. "Sie kommt kalt rein und kalt wieder raus", fasst der Geschäftsführer zusammen.

Mehr als nur Lagerung

Gooss bietet seinen Kunden auf Wunsch ein komplettes "Rundum-Wohlfühlpaket": eigene Lkw, Zollabfertigung, Veterinärabwicklung. Die Lkw halten die Ware konstant unter minus 18 Grad Celsius, die Kühlhäuser selbst arbeiten bei minus 22 Grad. Die Temperaturen werden permanent überwacht.

Technik im Dauerbetrieb

Das Kühlsystem basiert auf einem flüssigen Kältemittel auf Ammoniak-Basis. Es wird in einen Verdampfer gepumpt, gasförmig zurückgeführt, von Kompressoren verdichtet - ein geschlossener Kreislauf. Alle fünf Jahre prüft der TÜV die Verdichteranlagen. In Otterndorf und Cuxhaven sorgt die Firma PJ Industriekälte für den reibungslosen Betrieb der Tiefkühlhäuser. Der Kälteanlagendienstleister beratät Gooss auch in technischen Fragen. Der jährliche Strombedarf beläuft sich im Übrigen auf 2,4 Millionen Kilowattstunden - das wäre genug für 600 vierköpfige Familien in einem Einfamilienhaus.

Marc Kartheuser (42) von der Firma PJ Industriekälte sorgt bei Gooss für einen reibungslosen Betrieb der Kälteanlagen. Ohne die läuft nichts. Foto: Rahn
Ein seltener Einblick für Außenstehende. Die Kompressoren für das Kältemittel. Das Gas wird hier verflüssigt und erneut in den Kühlkreislauf gepumpt. Foto: Rahn
Nicht nur in den Kühlhäusern ist es kalt, sondern auch in dem Rohrleitungssystem nach dem Kompressor. Foto: Rahn

Sicherheit und Schutz

Die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr ist eng. Einsatzkräfte sind auf das Gelände eingewiesen, Übungen finden vor Ort statt. Vorgabe: In sieben Minuten muss die Feuerwehr vor Ort, in 14 Minuten einsatzbereit sein. Mitarbeiter tragen Schutzkleidung, in Cuxhaven verfügen die Gabelstapler sogar über beheizte Kabinen. Dennoch ist der Aufenthalt in den Kühlräumen zeitlich begrenzt. Für die Arbeit ist ein Staplerschein Pflicht, ebenso eine Einweisung in den Arbeitsschutz.

Ein Vorhang fungiert als Luftbarriere zwischen den kalten und warmen Luftschichten. Auch zu sehen: die Schutzbekleidung eines Arbeiters während der Umlagerung. Foto: Rahn

Bauweise gegen Eis und Frost

Was viele nicht wissen: Türen und Böden der Kühlhäuser sind beheizt. Das verhindert vereiste Türen und Schäden am Boden. Der besteht aus Vakuumbeton - ohne Heizung würde sich ein massiver Eisblock bilden, der den Boden aufsprengt. Einen Kühlraum auf Betriebstemperatur zu bringen, dauert bis zu sechs Wochen. Zunächst wird langsam bis zum Gefrierpunkt heruntergekühlt, dann schneller auf minus 22 Grad. "Alles arbeitet - Wände, Boden, das ganze Gebäude zieht sich zusammen. Man muss behutsam sein. Wenn man das im Griff hat, ist alles in Ordnung. Man sieht sofort, wenn etwas nicht stimmt", sagt Böschen.

Flexibilität im Lager

Das Cuxhavener Kühlhaus verfügt über ein Regalsystem mit verschiebbaren Regalen - so kann der Platz flexibel genutzt werden. Insgesamt liegt die Lagerkapazität bei rund 31.000 Tonnen. "Es gibt keine Spielregeln bei der Lagerung", erklärt Böschen. "Alles ist individuell und auf den jeweiligen Bedarf angepasst."

Das verschiebbare Regalsystem in Cuxhaven. Hintergrund ist die Platz- und Energiesparende Lagerung. Foto: Gooss

Wirtschaftliche Lage

"Im Moment ist alles ok", sagt Böschen zur wirtschaftlichen Situation. Es könnte jedoch mehr sein. Der Standort Otterndorf sei zwar "etwas suboptimal", aber "schon ewig da gewesen" - und werde daher weiter betrieben. Außerdem seien Transporte zwischen Deutschland und England früher einfacher gewesen, merkt Böschen an. Heute sei die Logistik komplexer, aber machbar.

IT-Sicherheit im Fokus

Da alle Prozesse elektronisch gesteuert und überwacht werden, legt Gooss großen Wert auf IT-Sicherheit. Jede Störung könnte die Kühlkette gefährden - und damit die empfindliche Ware.

Gooss ist weit mehr als ein Kühllagerbetreiber. Das Unternehmen ist ein zentraler Baustein der Fischwirtschaft an der Nordseeküste - unsichtbar für den Verbraucher, aber unverzichtbar für die Industrie. Zwischen minus 22 Grad im Kühlhaus und der Hitze der Logistik dreht sich hier alles um eines: dass der Fisch frisch bleibt, bis er auf dem Teller landet.

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