
Mit Inbrunst und ohne Hemmungen: So gut war das "Rudl-Singen" in Otterndorf
Keine Angst vor schiefen Tönen - gemeinsam singen kann glücklich machen. Rudelsingen ist ein Trend, der sich in ganz Deutschland verbreitet, auch in Otterndorf. Und wer kann so etwas besser vermitteln als Kreiskantor Kai Rudl? Wir haben mitgesungen.
Dieser Name verpflichtet: Wer Rudl heißt, muss wohl eine Affinität zum gemeinsamen Singen haben, wobei der bekannte Begriff "Rudelsingen" allerdings rechtlich geschützt ist.
Kreiskantor Kai Rudl bietet die Mitmach-Konzerte regelmäßig an - er singt mit Urlaubern in Duhnen, mit Schlagerfans in Altenbruch und jetzt zum 625-Jahr-Jubiläum in Otterndorf. Das Prinzip ist denkbar einfach: Kai Rudl am Piano stimmt allein oder mit Unterstützung bekannte Lieder aus Pop, Rock, Kirche und Schlager an und das Publikum singt lauthals mit. Dabei ist es unwichtig, wie musikalisch jemand ist. Wichtig ist allein die Freude am Singen.
Mit Inbrunst Lieblingslieder trällern - das machen Umfragen zufolge knapp ein Drittel der Männer und fast die Hälfte der Frauen. Aber viele trauen sich das nur unter der Dusche oder allein im Auto. Also da, wo sie sicher sind, dass sie niemand hört. Denn sie sind überzeugt: Ich kann nicht singen.
"Völlig egal", meint Kai Rudl. Gerade Menschen, die von sich behaupten, überhaupt nicht singen zu können, sind bei seinen Gesangsveranstaltungen genau richtig. Hier treffen sich Gleichgesinnte, die gern mal ihre Stimme auf volle Phonstärke aufdrehen würden, aber eben nicht allein.
Zusätzliche Stühle müssen herbeigeschafft werden
Der Ansturm am Mittwoch zeigt, dass die Kirchengemeinde St. Severi und die Stadt Otterndorf mit der Veranstaltung "Gesang im Rud(e)l-Klang" im Rahmen des 625-Jahr-Jubiläums offenbar einen Nerv getroffen haben. Zusätzliche Stühle müssen eilig herbeigeschafft werden, die Textzettel reichen kaum aus.

Es sind überwiegend Frauen und nur wenige Männer, die an diesem lauschigen Sommerabend in den Pfarrgarten strömen. "Das war doch früher im Chor genauso, wenn es kein Knabenchor war", sagt ein begeisterter Gast, der in der Zeitung vom Mitsing-Abend erfahren hatte und unbedingt dabei sein wollte, mit einem Lachen.
Vorsänger Kai Rudl begleitet das "Gesangsrudel" am Piano und wird am Mikrofon zuweilen von erfahrenen Chor-Sängerinnen unterstützt. Ein fulminantes Feuerwerk aus Schlagern, Volksliedern, Rock und Pop zum Mitsingen brennt der Kreiskantor ab. Ob "Mein kleiner grüner Kaktus" von den Comedian Harmonists, "Ein Bett im Kornfeld" von Jürgen Drews, Santianos "Hoch im Norden" oder "Flieger, grüß mir die Sonne" von Extrabreit: Die Besucherinnen und Besucher stimmen zunächst noch zaghaft, dann aber immer selbstbewusster mit ein.
"Niemals aufgeben", ermuntert Rudl die Besucherinnen und Besucher und versorgt sie zwischen den Liedern mit Zusatzinfos: "Wussten Sie, dass Doris Day das Lied 'Que Sera, Sera' zum ersten Mal in einem Kriminalfilm gesungen hat?" Beim Soldatenlied "Lili Marleen" verlässt er das Piano und greift zur Trompete.
Wie im Flug vergeht die anderthalbstündige musikalische Zeitreise, die mit Henri Valentinos "Im Wagen vor mir" ihren Höhepunkt erreicht. Voller Inbrunst singt das Publikum "Rada, rada, radadadada". Zum Schluss intoniert Rudls "Gesangsrudel" Peter Alexanders "Die kleine Kneipe" und lässt die Veranstaltung mit dem Volkslied "Irischer Segenswunsch" ausklingen. Ein Abend voller Nostalgie und Gemeinschaft.
