
Otterndorf trauert um Ehrenbürgermeister Hermann Gerken
Fast vier Jahrzehnte lang hat er die Geschicke Otterndorfs gelenkt und die Stadt geprägt wie kaum ein anderer. Jetzt ist Hermann Gerken, der langjährige Bürgermeister der Medemstadt, im Alter von 92 Jahren gestorben.
Er hat seine Stadt geliebt. Trotz oder gerade wegen ihrer Ecken und Kanten. Hermann Gerken war Otterndorf. Und Otterndorf trägt vielerorts seine Handschrift. Der Ehrenbürgermeister und Ehrenbürger hat seine Heimat über Jahrzehnte aktiv mitgestaltet. Eine Begegnung mit ihm war für jeden etwas Besonderes, weil er viel zu erzählen wusste. Noch kurz vor seinem Tod hatte er mit der Journalistin Gaby Joppien an seinen Memoiren gearbeitet.
Wo soll man aufhören und wo soll man anfangen, um alles das aufzuzählen, was Gerken für die Medemstadt initiiert und realisiert hat? Eine Zeitungsseite würde nicht ausreichen, wollte man an alle Taten des Altbürgermeisters erinnern. Kein Wunder, denn das Gestalten stand für den FDP-Politiker stets im Vordergrund. Ergebnisorientiert in der Ausführung, einfallsreich in der Umsetzung der Ideen und verbindlich im Umgang mit denjenigen, die mit im Boot sein müssen, um Projekte voranzutreiben - so könnte man vielleicht am besten die Arbeitsweise von Hermann Gerken beschreiben. "Ich habe immer versucht, das Beste für die Stadt herauszuholen", hatte der Otterndorfer anlässlich seines 90. Geburtstag gesagt.
Früh im Tourismus Chancen für Otterndorf gesehen
So sah Hermann Gerken ganz früh im Tourismus die Chance für Otterndorf, schob viele Projekte an und setzte sie um. Er war nicht nur Ideengeber für die Otterndorfer Seenlandschaft, die einen großen Anteil am touristischen Erfolg der Stadt hat. Auch der Bau der Seelandhallen und die Entwicklung einer Spiel- und Spaßscheune sind auf sein Wirken zurückzuführen. Durch seine Kontakte und seine Art, ohne großes Aufsehen im Hintergrund die Fäden zu ziehen, sorgte er auch dafür, dass es zum Bau des Schulzentrums kam, das der Landkreis zuvor als "nicht finanzierbar" abgelehnt hatte. Das geschah geräuschlos. Es ging ihm immer um die Sache und nicht um seine Person.
Das Stadtschreiberstipendium, der Bau der Stadtscheune, das Prädikat Nordseebad - die Liste ließe sich noch lange fortführen. Völlig klar, dass die politischen Verbindungen, die Gerken etwa zu Ministern wie Walter Hirche, Philipp Rösler oder Jörg Bode pflegte, bei dieser Erfolgsgeschichte nicht von Nachteil waren. Auch die Unterstützung der Verwaltung spielte eine große Rolle: "Ich habe immer gute Stadtdirektoren zur Seite gehabt", hatte Gerken stets betont.
Zur Politik kam Hermann Gerken nach eigenen Aussagen, weil er über die Entwicklung der Stadt Otterndorf frustriert war. Er wurde erstmals 1964 in den Otterndorfer Stadtrat gewählt. Im Jahr 1968 trat er in die FDP ein und wurde im selben Jahr stellvertretender Bürgermeister. Bei der Neubildung der Samtgemeinde Hadeln wurde er 1970 zum ersten Samtgemeindebürgermeister gewählt. Dieses Amt gab er 1972 auf, um Bürgermeister der Stadt Otterndorf zu werden. Er blieb es bis 2011. Auch dem Kreistag gehörte er viele Jahre an.
Für seine Verdienste um Otterndorf und das Gemeinwohl wurde Hermann Gerken vielfach ausgezeichnet. Die Titel und Ehrungen aufzuzählen, die er im Laufe der Jahre bekommen hat, würde den Platz sprengen. Sie reichen vom Goldenen Ehrenring der Stadt Otterndorf und dem Verdienstkreuz Erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland bis zur Goldenen Ehrennadel der niedersächsischen FDP und der Ehrenbürgerwürde. Sein langjähriger Freund und politischer Weggefährte Hans-Volker Feldmann nannte ihn einmal "Volksbürgermeister".
Was den Freidemokraten politisch auszeichnete, also der offensichtliche Wille und die Lust am Gestalten, machte auch sein Berufsleben aus. So war er unter anderem Gesellschafter einer Fensterfabrik, Geschäftsführer einer Baugesellschaft, Importeur von kanadischen Holzhäusern und Inhaber eines Foto- und Sportgeschäfts. So ganz nebenbei zog er etliche Bauten in Otterndorf hoch, viele davon zeichnete er selbst.
Hermann Gerken konnte unzählige Geschichten und Anekdoten erzählen, auch von seinen vielen Reisen, die er in den vergangenen Jahrzehnten unternommen hatte. So überreichte er zur Zeit der Apartheid in Afrika dem Bürgermeister von Windhoek einen Otterndorf-Schlips, was daheim für einen Aufschrei der Empörung sorgte. Mit Hans-Volker Feldmann erkundete er den Osten Deutschlands und die spätere Partnerstadt Penzlin, als die Einheit noch in weiter Ferne war. Unvergesslich auch die Geschichte von der älteren Dame, die Gerken in Israel traf. Sein damaliger Versuch, die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs anzusprechen, scheiterte. Die Frau sagte nur einen Satz, der Gerken nie wieder aus dem Kopf ging: "Wir würden vergessen, wenn wir wüssten, dass Ihr nicht vergesst."
Hermann Gerken starb am vergangenen Sonnabend. Die Trauerfeier soll am 8. März in der Otterndofer St.-Severi-Kirche stattfinden.