
Otterndorfs Tourismus-Chefin Sabine Gütlein sagt Tschüss: "Das Feld ist gut bestellt"
Otterndorf. Wenn Sabine Gütlein zum Jahresende in den Ruhestand geht, blickt sie auf 15 Jahre als "Chef-Touristikerin" in Otterndorf zurück. Im Interview spricht die 63-Jährige über Meilensteine und die Zukunft des Tourismusstandortes Otterndorf.
Frau Gütlein, wie muss man sich den Ruhestand einer Tourismus-Fachfrau vorstellen? Gehen Sie jetzt auf Reisen?
Ja, mein Mann und ich wollen auch auf Reisen gehen. Ich bin allerdings vor kurzem Großmutter geworden und werde es im Februar ein zweites Mal. Deshalb steht jetzt zunächst die Familie im Vordergrund - und dann schauen wir mal, wohin es uns zieht.
Wie sah der Tourismus in Otterndorf aus, als Sie vor 15 Jahren angefangen haben und wie hat er sich im Laufe Ihrer Amtszeit entwickelt?
Der Grundstein war bereits gut gelegt, als ich anfing. Die Ferienhausgebiete waren fertig, der Badesee, der Wasser- und Landschaftspark und die Spiel- und Spaßscheune auch. Ich habe in meiner Zeit versucht, dies alles qualitativ hochwertig zu halten. Wir haben regelmäßig investiert und in kleineren Bereichen ergänzt.
Gab es einen Meilenstein, wo Sie sagen, das war für die Entwicklung des Tourismusstandortes Otterndorf wesentlich?
Wir haben es in den vergangenen fünf Jahren geschafft, digital den Anschluss zu finden. Da waren wir vorher immer etwas hintendran, jetzt haben wir aufgeholt. Und ich glaube, dass wir die Einrichtungen wie die Spiel- und Spaßscheune und die Seelandhallen sowohl für die Otterndorfer als auch für die Gäste zu einem attraktiven Ziel gemacht haben. Die Leute kennen diese Angebote, wollen da hin.
Aber ein Ausruhen auf den Lorbeeren wäre wohl die falsche Strategie. Die Entwicklung muss weitergehen, oder…?
Ja, das ist das allerwichtigste. Man sieht das in manchen Regionen: Wenn man den Anschluss verpasst und sich ausruht, dann hat man schon verloren. Die Gäste erwarten das auch, dass es immer wieder Veränderungen gibt.
Wie schafft man den Spagat, den Tourismus weiter zu entwickeln und gleichzeitig den Charme Otterndorfs zu bewahren?
Da muss man die richtige Balance finden. Auch die Gäste lieben ja das "Hyggelige" der Kleinstadt, gleichzeitig erwarten sie aber, dass alles tipptopp ist und es überall WLAN gibt. Dieser Spagat ist manchmal nicht ganz einfach.
Auf einer Skala von eins bis zehn: Welche Note würden Sie dem Nordseebad Otterndorf aktuell geben?
Eine acht.
Ist Otterndorf im Konzert der Tourismusanbieter an der Nordsee eher ein kleines Licht?
Wenn wir uns die reinen Übernachtungszahlen anschauen - Cuxhaven hat knapp vier Millionen Übernachtungen, an der Wurster Nordseeküste sind es 1,3 Millionen -, dann sind wir mit unseren 500.000 Übernachtungen sicherlich ein kleineres Licht. Aber wir haben einige Pfunde, mit denen wir wuchern können, zum Beispiel die historische Altstadt, die Spiel- und Spaßscheune und den Wasser- und Landschaftspark. Wir spielen keine unerhebliche Rolle. Deshalb ist uns der Verbund "Nordsee" so wichtig. Wir sind ein kleiner Ort, aber im Verbund der "Nordsee" wächst unsere Bedeutung.
Sollte die Zusammenarbeit mit dem Nordseeheilbad Cuxhaven ausgebaut werden?
Auf jeden Fall. Dem Gast ist es doch völlig egal, wo die Grenze endet. Für uns ist Cuxhaven wichtig mit seinen Angeboten. Und genauso hören wir immer wieder von den Cuxhavenern, wie schön es in Otterndorf ist. Wir profitieren voneinander. Mit der gegenseitigen Gästekartenanerkennung erfassen wir, wo die Gäste herkommen. Man sieht dort sehr deutlich, dass die Ströme nicht einseitig von uns nach Cuxhaven gehen, sondern dass sie sehr wohl auch zurückgehen. Das ist ein gegenseitiges Befruchten.
Welche Rolle spielen ungewöhnliche Übernachtungsmöglichkeiten wie Baumhäuser oder Campingfässer? Hat Otterndorf hier eine touristische Nische gefunden?
Keine Nische, aber ein Trend, den wir gern mitgehen. Schauen Sie sich die Baumhäuser an, die trotz eines hochpreisigen Angebots super gebucht werden. Auch unsere Campingfässer laufen richtig gut. Ich glaube, Herr Fredebohm ist mit seinen Schlafstrandkörben auch nicht unglücklich. Die Menschen suchen solche besonderen Übernachtungsformen. Etwas, das wir unbedingt für Otterndorf noch entwickeln wollen, sind Tiny Häuser.
Was ist eigentlich aus den Hotel-Plänen des Investors Sven Hollesen geworden? Man hört gar nichts mehr. Können Sie uns ins Bilde setzen?
Das kann ich leider nicht. Ich habe keine Informationen, was sich da tut.
Aber Sie sind sicherlich der Meinung, dass ein Hotel am Deich dem Tourismusstandort Otterndorf gut tun würde, oder?
Na klar. Im Gegensatz zu manch anderen finde ich auch, dass so ein Hotel nicht unbedingt klein und muggelig sein muss. Da hätte auch ein Sail-City-Hotel hingepasst, ein Leuchtturm, den man schon von weitem erkennt. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung. Auf jeden Fall brauchen wir Hotelbetten, das steht außer Frage.
Wie lässt sich aus Ihrer Sicht die Nebensaison in Otterndorf noch mehr stärken?
In dem wir weiter kontinuierlich auf die Zielgruppe Naturliebhaber und Sportbegeisterte setzen. Diese Gäste haben sich in einem Workshop als eine wichtige Zielgruppe herauskristallisiert. Aber auch Radfahrer und Wassersportler müssen wir im Blick behalten. Mit solchen Gästen können wir die Vor- und Nachsaison gut ausbauen. Aber eigentlich können wir uns nicht beklagen: Es ist in den vergangenen Jahren schon viel mehr geworden. Diesen Bruch, dass nach den Sommerferien nichts mehr los ist, kann man im Grunde gar nicht mehr feststellen.
Sie waren bei der Stadt Otterndorf angestellt, haben aber auch das "Drumherum", etwa die Wingst und das MoorIZ in Wanna, touristisch betreut. Wird diese samtgemeindeübergreifende Tourismus-Arbeit in den kommenden Jahren noch wichtiger?
Natürlich gehört das zusammen. Bei Michael Johnen, meinem Nachfolger, ist diese Arbeit in guten Händen, da er aus der "Samtgemeinde-Ecke" kommt. Da ist das Wissen da.
Gibt es etwas, das Sie als Tourismus-Chefin gern noch erledigt hätten? Was ist liegen geblieben?
Ich hätte gern noch unser Tourismus-Konzept fertig geschrieben. Aber wegen Corona hat sich das alles verzögert. Aber ansonsten ist das Feld gut bestellt.
Warum ist das Tourismus-Konzept für Otterndorf so wichtig?
Wir haben in den letzten drei Jahren ein bisschen zu viel diskutiert: Wollen wir oder wollen wir nicht? Ein Beispiel: der Kletterpark. Zunächst hieß es "Ja, das wollen wir", dann "Lass uns erst noch mal gucken". Wenn wir ein neues Tourismuskonzept haben, bekommen wir solche Dinge schneller abgearbeitet und können genau sagen, ob es reinpasst oder nicht.
Wie kann die Tourismusakzeptanz in der Bevölkerung verbessert werden?
Wir haben kein Akzeptanzproblem, aber wir müssen aufpassen, dass es auch so bleibt. Man hört aus anderen Regionen, dass es dort große Probleme gibt. Manche Spots sind so überfüllt sind, dass man lenken muss. Diese Problem haben wir zum Glück nicht, aber wir wollen es auch nicht bekommen. Otterndorf muss ein bisschen gemütlich bleiben.
Einige Otterndorfer Tourismus-Akteure haben 2021 unter dem Dach des Wirtschafts- und Gewerbevereins einen Arbeitskreis gegründet, weil sie von der Tourismus-Abteilung der Stadt enttäuscht waren und sich nicht mitgenommen gefühlt haben. Haben Sie diese Kritik verstanden?
Ehrlich gesagt nicht. Die Hauptakteure, die diese Gruppe gebildet haben, sind beratende Mitglieder im Tourismusausschuss. Deshalb habe ich das nicht verstanden.
Sollte das Nordseebad Otterndorf den Titel "Nordseeheilbad" anstreben?
Ich glaube, die Anstrengungen dafür wären sehr groß und der Marketingeffekt eher gering. Das hat der Tourismus-Experte Cornelius Obier in unserem Workshop auch sehr deutlich gesagt. Für das Prädikat "Nordseeheilbad" sind ortsgebundene Heilmittel Voraussetzung, aber Nordseewasser können wir in Otterndorf ja gar nicht gewinnen. Deshalb sollten wir den Titel aus meiner Sicht nicht anstreben.
Für wie wichtig halten Sie es, Otterndorfs Kulturangebote noch stärker touristisch einzubinden?
Das ist eine der ganz wichtigen Aufgaben. Wir haben das ja beim "Kulturstrand" in diesem Jahr gesehen. Das war ein tolles kulturelles Angebot, aber leider nicht so bekannt. Die Leute, die vorbeikamen, waren zum Teil überrascht und haben gefragt, was ist denn hier los sei. Ich halte es für sinnvoll, Kulturangebote mit Übernachtungsangeboten zu kombinieren, in diesem Bereich gibt es noch einiges zu tun.
Was wird Ihnen am meisten fehlen?
Die Begegnung mit den vielen Menschen, zum Beispiel bei Veranstaltungen wie dem "Kulturstrand". Deshalb habe ich mich ja auch bereit erklärt, dort ehrenamtlich weiter mitzuwirken.