Karl Graf Stauffenberg unterhielt sich am Mittwoch mit Schülerinnen und Schülern des Otterndorfer Schulzentrums über die Lehren, die man aus der Nazi-Herrschaft ziehen sollte und warnte davor, dass sich "Geschichte wiederholen" könnte. Foto: Egbert Schröder
Karl Graf Stauffenberg unterhielt sich am Mittwoch mit Schülerinnen und Schülern des Otterndorfer Schulzentrums über die Lehren, die man aus der Nazi-Herrschaft ziehen sollte und warnte davor, dass sich "Geschichte wiederholen" könnte. Foto: Egbert Schröder
Vortrag vor Schülern

Stauffenberg in Otterndorf: "Geschichte darf sich nicht wiederholen"

von Egbert Schröder | 07.05.2025

Das war ein eindrucksvoller Vormittag für die Jugendlichen am Otterndorfer Schulzentrum: Karl Graf Stauffenberg erinnerte an seinen Großvater, der ein Attentat auf den "Führer" Adolf Hitler verübt hatte. Eine Tat, die auch aktuell bedeutsam ist.

Von Egbert Schröder

Otterndor. Claus Schenk Graf von Stauffenberg: Mit einigen Mitstreitern hatte er am 20. Juli 1944 vergeblich versucht, den damaligen "Führer" Adolf Hitler zu töten. Das Attentat misslang. Stauffenberg und seine Verbündeten wurden nur einen Tag später im Berliner Bendlerblock von Nazi-Schergen hingerichtet. Welche Lehren können Jugendliche heute aus diesem historischen Ereignis ziehen? Gibt es Parallelen zur Machtergreifung der Nazis und dem Erstarken rechts- und linksextremer Tendenzen in Deutschland und Europa? Und wenn ja - welche? Karl Graf Stauffenberg ist der Enkel des Attentäters und warnte am Mittwoch - 80 Jahre nach Kriegsende - bei einem Vortrag im Otterndorfer Schulzentrum vor Gedankengut, das in die Irre führe.

Karl Graf Stauffenberg bezeichnet sich selbst als "politisch und gesellschaftlich engagierten Menschen", der sich mit den "Grundlagen einer freiheitlichen und verantwortungsvollen Gesellschaft" auseinandersetzt. Demokratie, Freiheit und Verantwortung seien Errungenschaften, die nicht nur gelebt, sondern auch vermittelt werden müssten.

"Demokratie lebt vom Mitmachen"

Er habe in den letzten Jahren mit Sorge beobachtet, wie sich die politische Kultur verändere und "populistische Stimmen" gerade durch soziale Medien eine immer größere Bühne erhalten würden. "Ich bin überzeugt: Nur wer versteht, wie Demokratie funktioniert, kann sie auch mitgestalten. Und genau dazu möchte ich ermutigen - mit klarer Haltung, offenem Dialog und Blick nach vorn." Verantwortung beginne bei jedem Einzelnen: "Demokratie lebt vom Mitmachen", ist er überzeugt.

Und er möchte insbesondere die Jüngeren überzeugen, sich selbst für diese Demokratie zu engagieren und sie nicht als Selbstverständlichkeit wahrzunehmen. Es sei ein "historisches Privileg", dass man in Deutschland seine Meinung frei äußern könne: "Ihr dürft sagen, was ihr wollt", so Stauffenberg. Wer das bestreite, solle sich einmal mit der Situation in anderen Ländern wie Russland oder dem Iran näher beschäftigen.

Großvater nicht glorifiziert

Bei seinem Auftritt vor den Schülerinnen und Schülern in Otterndorf glorifizierte er seinen Großvater nicht. Vielfach sei seinem Opa nach dem missglückten Attentat auf Hitler in öffentlichen Diskussionen vorgeworfen worden, nicht eher agiert zu haben.

Schwere Verletzungen

Doch der Berufsoffizier sei 1944 überhaupt in die Lage versetzt worden, als Widerständler einen solchen Anschlag auf den Führer ausüben zu können. Erst nach schweren Verletzungen während diverser Fronteinsätze - Claus Schenk Graf von Stauffenberg verlor dabei seine rechte Hand, mehrere Finger der linken Hand und auch das komplette Sehvermögen des linken Auges - wurde er nach seiner Genesung in Berlin eingesetzt, wo er Chef des Stabes des sogenannten "Ersatzheeres" war und dadurch in die Nähe Adolf Hitlers kam. Er erhielt den Zugang zu den Lagebesprechungen in den Führerhauptquartieren. So auch am 20. Juli 1944 in der "Wolfsschanze". Stauffenberg hatte zwei Sprengsätze in einer Aktentasche; einer wurde gezündet. Der andere explodierte nicht. Hitler überlebte. Stauffenberg und seine Mitverschwörer wurden noch in der Nacht hingerichtet.

Soweit die Ereignisse im Juli 1944. Am Mittwoch nahm sein Enkel Karl Graf Stauffenberg eine persönliche Einordnung des Attentats vor und verwies darauf, dass viele Umstände, die die Machtergreifung Hitlers überhaupt erst ermöglicht hatten, leider Parallelen zu aktuellen Tendenzen aufwiesen.

Nur ein Beispiel: die Propaganda. Während heute über soziale Medien "Fakenews" verbreitet würden, habe es während der Nazi-Zeit eine Beeinflussung der Bevölkerung durch den "Volksempfänger" oder die "Wochenschau" gegeben.

Diffuse Ängste bei Bürgern

Auch die latente Migrationsdebatte in Deutschland und Europa könne man nicht einfach vom Tisch wischen. Es sei bedenklich, wenn Deutsche glauben, dass ohne die Zuwanderung unser System noch funktionieren würde. Hinzu komme die Angst vieler Bürgerinnen und Bürgerinnen - ähnlich wie in der Weimarer Republik - vor einer Verarmung. Damals habe es vor der Machtergreifung Hitlers eine jahrelange Rezession gegeben. Hinzu seien die Furcht vor der "Spanischen Grippe" - ähnlich wie die Corona-Pandemie - und auch die beruflichen Zukunftsängste sowie die Energiekrise gekommen. Karl Graf Stauffenbergs eindrückliche Warnung: "Geschichte darf sich nicht wiederholen."

Als er seinen Vortrag beendete, brandete Beifall bei den Jugendlichen auf, die er immer wieder in die Diskussion einbezog. Einen besseren Zeitpunkt für eine solche Veranstaltung (80 Jahre nach Kriegsende) hätten die Schulen wohl kaum wählen können ...

Stauffenberg beim 17. Reiterregiment in Bamberg: Zunächst war der Berufsoffizier aus Bayern großer Anhänger der nationalsozialistischen Ideen. Später verübte er mit einigen anderen Widerständlern das Attentat auf Adolf Hitler, das missglückte. Foto: Bundesarchiv_Bild_183-C0716-0046-003,_Claus_Schenk_Graf_v._Stauffenberg

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

(1 Stern: Nicht gut | 5 Sterne: Sehr gut)

Feedback senden

CNV-Nachrichten-Newsletter

Hier können Sie sich für unseren CNV-Newsletter mit den aktuellen und wichtigsten Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven anmelden.

Die wichtigsten Meldungen aktuell


Bild von Egbert Schröder
Egbert Schröder

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

eschroeder@no-spamcuxonline.de

Lesen Sie auch...
Aufsichtsdeichschau am Elbdeich

Herbstdeichschau zwischen Cuxhaven und Belum: Sorgen machen Hunde und Wölfe 

von Tim Larschow

Bei der Aufsichtsschau wurde der Elbdeich zwischen Cuxhaven und Belum auf Mängel überprüft. Doch nicht überall läuft alles glatt: Hundehalter und der Wolf bereiten Sorgen, und Schauteilnehmer üben Kritik an der Stadt Otterndorf.

Frauen gestalten Zukunft

Gemeinsam, Kommunal, Engagiert: Viertes Vernetzungstreffen von Frauen in Otterndorf

von Bengta Brettschneider

Frauen aus Hadeln, Hemmoor und Börde Lamstedt trafen sich in Otterndorf, um sich zu vernetzen und gegenseitig zu stärken. Neben Themen wie KI und Social Media stand vor allem eines im Mittelpunkt: die Lust auf Mitgestaltung.

Kurz nach der offiziellen Eröffnung

Neues DRK-Seniorenheim in Otterndorf: Zufriedene Bewohner trotz Startschwierigkeiten

von Christian Mangels

Als das Seniorenheim "Haus am Medembogen" in Otterndorf vor knapp zwei Wochen eröffnet wurde, waren Politiker, Verwaltungsvertreter und DRK-Vertreter voll des Lobes. Aber was sagen eigentlich die Seniorinnen und Senioren zu ihrem neuen Domizil?

Lesung in Otterndorf

Über Zeit und Macht: Teresa Bücker liest in Otterndorf aus ihrem Buch "Alle_Zeit"

von Bengta Brettschneider

In Otterndorf sprach die Autorin Teresa Bücker über das, was uns oft fehlt: Zeit. Bei ihrer Lesung zu ihrem Buch "Alle_Zeit" zeigte sie, warum Zeit nicht Luxus, sondern eine Machtfrage ist - und warum ohne Zeit keine Demokratie bestehen kann.