
Posttraumatische Belastungsstörung: Wie ein Feuerwehrmann für Anerkennung kämpft
Bernd Bode kämpft nicht nur für sich, sondern für alle freiwilligen Feuerwehrleute, die trotz traumatischer Einsätze oft ohne Absicherung dastehen. Sein Fall zeigt, warum gesetzliche Änderungen dringend nötig sind.
Es gab nicht den einen besonders schlimmen Moment, der die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) für ihn bewusst auslöste. Bereits im Jahr 1984 trat Bernd Bode aus Schiffdorf in die Freiwillige Feuerwehr ein. Der 59-Jährige ist jetzt bei Airbus tätig, musste dort aber seinen Bereich wechseln, weil seine vorherige Aufgabe zu viel Konzentration erforderte. Der Grund dafür ist die PTBS. "Es ist wie ein volles Glas Wasser, in das stetig noch ein Tropfen fällt. Irgendwann kippt der Punkt und es läuft über", erläutert er. Das Glas lief endgültig im Jahr 2019 über.
Wenn die Bilder nicht mehr verschwinden
Einsatzkräfte sind oft die Ersten, die an Unglücksorten eintreffen. Sie sehen Dinge, die sich andere kaum vorstellen können. "Bereits mein erster Einsatz als freiwilliger Feuerwehrmann war ein Einsatz mit Todesfolge", erinnert sich Bode. Erst Jahre später folgten Nächte voller Albträume, plötzliche Panikattacken, ein ständiges Gefühl der Anspannung. "Ich habe über mehrere Wochen immer schlechter geschlafen. Und dann kamen die Einsätze immer wieder hoch. Ich war mittendrin." Aber man schiebt es weg, erläutert er. "Bis gar nichts mehr ging. Ich habe mich immer weiter zurückgezogen. Wollte nichts mehr unternehmen."
"Keiner will zugeben, dass er Probleme hat"
Bei der Feuerwehr zu arbeiten bedeutet, stark sein zu müssen. Darüber zu sprechen, was man gesehen hat, fällt vielen schwer. "Und das sind alles Kerle. Jeder will stark sein und keiner will zugeben, dass er vielleicht doch Probleme hatte, weil er irgendwas gesehen hat. Mich eingeschlossen", sagt Bode. Nach einem belastenden Einsatz habe die Möglichkeit bestanden, einen Seelsorger hinzuziehen. Stattdessen trafen sich die Kameraden und sprachen miteinander. "Manchmal eine Stunde, manchmal fünf. Es ist schwer, wenn du gerade aus dem Einsatz kommst und mit jemand anderem direkt darüber redest. Man ist sich nicht sicher, ob eine außenstehende Person das Erzählte nachempfinden kann."
Doch irgendwann reichten diese Gespräche nicht mehr aus. Der Stress, die Erinnerungen - all das ließ sich nicht mehr verdrängen. "Martinshörner und Hubschrauber sind für mich Trigger und ich muss aufpassen, dass ich im Hier und Jetzt bleibe", führt er aus. Die Diagnose PTBS erhielt er im Jahr 2019 und schied aus der Ehren-Verbeamtung als Feuerwehrmann aus.
"Es muss sich etwas ändern"
Heute kämpft er nicht nur für sich, sondern auch für andere. Während Berufsfeuerwehrleute bei einer PTBS abgesichert sind, stehen Freiwillige oft vor dem Nichts. "Ein Berufsfeuerwehrmann bekommt sein Gehalt weiter. Ein Freiwilliger, der selbstständig ist oder dessen Arbeitgeber nicht mitzieht, hat Pech." Bernd Bode spricht davon, dass er noch Glück hatte. "Ich habe in einem großen Betrieb gearbeitet, wo ich erst einmal eine Lohnfortzahlung bekommen habe. Dann bezahlte die Krankenkasse, dann das Arbeitsamt. Durch mein Alter habe ich 15 Monate Arbeitslosengeld bekommen." Dann hätte er Bürgergeld beziehen sollen. "Aber meine Frau verdiente zu viel und wir haben ein Haus und mussten vom Ersparten leben."
Kampf um Anerkennung bei der Feuerwehr-Unfallkasse
Die posttraumatische Belastungsstörung meldete er der Feuerwehr-Unfallkasse. Die Ablehnung erhielt er nach zwei Jahren. Im letzten Jahr zog er dann vor das 1. Sozialgericht, und im Juli dieses Jahres wird er vor das Landessozialgericht ziehen. "Unabhängige Gutachter konnten keinen klaren Zusammenhang zwischen meiner Tätigkeit als Feuerwehrmann und der PTBS herstellen", erläutert er. Die Arztberichte seiner Therapeuten waren bisher nicht zulässig. "Das Gesetz sagt, nach spätestens sechs Monaten nach der traumatischen Erfahrung muss etwas hochkommen. Das macht die Situation so schwierig." Eigentlich müsste laut Bernd Bode jeder Feuerwehrmann und jede Feuerwehrfrau nach einem Einsatz zum Arzt gehen, um sich bescheinigen zu lassen, dass man nicht gut geschlafen hat oder Bilder hochkommen. "Sonst kann man es nicht beweisen."
Seit mittlerweile fünf Jahren kämpft Bernd Bode um die Anerkennung seiner PTBS, ausgelöst durch den Dienst als freiwilliger Feuerwehrmann. Es hätte sich auch schon etwas getan. Es gab Gespräche des Gemeindebürgermeisters von Schiffdorf mit dem Büroleiter von Daniela Behrens (Innenministerin von Niedersachsen), führt er aus. "Aber es reicht noch nicht. Es muss sich etwas an den Gesetzen ändern", fordert Bernd Bode.
Trotz allem spricht sich Bernd Bode für die freiwillige Feuerwehr aus. Aber er fordert bessere Absicherung für diejenigen, die sich ehrenamtlich in den Dienst der Gesellschaft stellen - und dafür oft einen hohen Preis zahlen.
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) tritt als eine verzögerte psychische Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis, eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes auf. Die Erlebnisse (Traumata) können von längerer oder kürzerer Dauer sein, wie z.B. schwere Unfälle, Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen oder Kriegshandlungen, wobei die Betroffenen dabei Gefühle wie Angst und Schutzlosigkeit erleben und in Ermangelung ihrer subjektiven Bewältigungsmöglichkeiten Hilflosigkeit und Kontrollverlust empfinden. "Kämpfen, flüchten oder tot stellen sind keine Optionen", erläutert Jochen Timmermann, Therapeut von Bernd Bode. Der Betroffene hat das Empfinden, der Situation machtlos ausgeliefert zu sein.