Rund 27.000 Menschen leben in der Samtgemeinde Land Hadeln. Sie ist nach Fusionen mit den früheren Samtgemeinden Sietland (2011) und Am Dobrock (2016) entstanden. Um künftig die kommunalen Aufgaben zu erfüllen, steht eine Einheitsgemeinde zur Diskussion. Foto: Mangels
Rund 27.000 Menschen leben in der Samtgemeinde Land Hadeln. Sie ist nach Fusionen mit den früheren Samtgemeinden Sietland (2011) und Am Dobrock (2016) entstanden. Um künftig die kommunalen Aufgaben zu erfüllen, steht eine Einheitsgemeinde zur Diskussion. Foto: Mangels
Streitgespräch

Samtgemeinde Land Hadeln muss sparen: Kommt jetzt die Einheitsgemeinde? 

von Christian Mangels | 28.06.2024

Soll aus der Samtgemeinde Land Hadeln eine Einheitsgemeinde werden? In einem Streitgespräch diskutieren die beiden Bürgermeister Peter von Spreckelsen (SPD) und Patrick Pawlowski (CDU) über Vor- und Nachteile der beiden Modelle.

Meine Herren, die Samtgemeinde Land Hadeln steht finanziell mit dem Rücken zur Wand. Macht es nicht Sinn, jetzt über strukturelle Veränderungen nachzudenken?

Pawlowski: Sie haben recht, wir erleben gerade große Einschnitte. Das war ja auch absehbar. Viele große Investitionen haben die Liquidität gefressen. Und dann die Aufgaben im Kita-Bereich. Jetzt könnte man meinen, die Früchte der Fusion der Samtgemeinden Land Hadeln und Am Dobrock seien komplett verbraucht. Das würde ich aber so nicht sagen. Ich sehe nach wie vor großes Potenzial in der Samtgemeinde und denke, dass die Fusion der richtige Schritt gewesen ist. Die Samtgemeinde ist für eine Fläche dieser Größe genau das richtige Modell.

Das sehen Sie wahrscheinlich anders, Herr von Spreckelsen...

von Spreckelsen: Die Finanzsituation sehe ich ähnlich wie Patrick. Die Daten sprechen für sich. Ich glaube, dass die Samtgemeinde eine wichtige Funktion hatte und auch immer noch hat, überhaupt keine Frage. Veränderungen sind dennoch notwendig. Die Dörfer werden immer kleiner, die Leute älter. Die Vereine schließen sich zusammen. Wir stehen vor ganz neuen Herausforderungen, was die demografische Entwicklung und die Klimaveränderung angeht. Man muss die Kräfte stärker bündeln. Und da stößt die Samtgemeinde aus meiner Sicht an ihre Grenzen. Ich glaube, dass man über eine Einheitsgemeinde eher in der Lage wäre, die Unterschiede in den Dörfern auszugleichen. Ich halte es für wichtig, dass alle in der Region sich auch als Region begreifen, nicht als Dörfer, die untereinander konkurrieren. Das funktioniert am besten mit einer Einheitsgemeinde, die allerdings nur dann für mich infrage kommt, wenn partizipatorische Elemente in den Dörfern erhalten bleiben.

Sie meinen Ortsräte und Ortsvorsteher.

von Spreckelsen: Ja, die Ortsräte würden einen eigenen Etat bekommen, der sich zum Beispiel an der Einwohnerzahl orientiert. Damit könnten dann die Organisationen im Dorf unterstützt werden, es könnte kulturell etwas gemacht werden und und und. Alles andere übernimmt die Einheitsgemeinde.

Pawlowski: Ich halte das nicht für den richtigen Weg. Man hat das doch in Mecklenburg-Vorpommern gesehen. Dort hat man der Bevölkerung die Einheitsgemeinde von oben aufoktroyiert. Das hat dazu geführt, dass die Politikverdrossenheit zugenommen hat.

Peter von Spreckelsen (SPD), seit 2001 Bürgermeister der Gemeinde Osterbruch, plädiert für eine Einheitsgemeinde, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Foto: Mangels

Politikverdrossenheit ist ein gutes Stichwort. Glauben Sie, dass bei der Umwandlung in eine Einheitsgemeinde die Bereitschaft, sich politisch und ehrenamtlich zu engagieren, sinken könnte?

Pawlowski: Gerade in den Orten oder Gebieten, wo man sehr groß fusioniert hat, lässt die Ehrenamtlichkeit, sowohl politisch als auch gesellschaftlich, deutlich ab. Das haben Studien ergeben. Auch wenn das jetzt vielleicht etwas hochtrabend klingt: Für mich ist das demokratiegefährdend. Die Identifikation mit dem eigenen Ort würde in einer Einheitsgemeinde abnehmen. Das sagt im Übrigen auch der Städte und Gemeindebund, er spricht sich grundsätzlich gegen Gebietsreformen aus.

von Spreckelsen: Ich will ja die Individualität der einzelnen Dörfer auch erhalten. Ich befürchte nur, dass Kommunen ihren Haushalt irgendwann nicht mehr ausgleichen werden können. Und das führt zu immer noch mehr Frust. Was nützt mir ein Gemeinderat, in dem ich nichts mehr zu entscheiden habe, weil mir finanziell die Hände gebunden sind? Ich befürchte, dass es eben nicht wieder so wird, wie es noch vor fünf, sechs Jahren war. Die fetten Jahre sind vorbei.

Sie sehen die Zukunft der Samtgemeinde nicht so pessimistisch, Herr Pawlowski?

Pawlowski: Ich will jetzt auch nicht nur eine rosige Zukunft herbeirufen, aber ich bin grundsätzlich positiv gestimmt, dass es nach wirtschaftlichen Tiefschlägen, wie wir sie derzeit erleben, auch wieder aufwärtsgeht. Ich sehe sehr viel Potenzial in den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das wird positive Auswirkungen auf die Haushalte der Mitgliedsgemeinden und damit auch auf die Samtgemeinde haben, weil wir uns freiwillig dazu entschlossen haben, entsprechende Einnahmen auch umzuverteilen. Die Früchte dieser neuen Entwicklung werden wir vielleicht noch nicht im nächsten Jahr ernten können, aber vielleicht im übernächsten. Und damit wird sich unsere Einnahmesituation verbessern. Man muss sich einfach auch die Zeit nehmen. Die letzte Fusion ist noch keine zehn Jahre her.

Kritiker des Modells Samtgemeinde sagen, dass die Kosten schon allein wegen der aufwendigen Gremienarbeit und des Verwaltungsaufwands höher seien als in einer Einheitsgemeinde. Eine Einheitsgemeinde würde effizienter arbeiten. Was sagen Sie dazu?

Pawlowski: Ich kann mir nur schwerlich vorstellen, dass es zu ganz großen Einsparungen kommt, wenn wir die Haushalte der Mitgliedsgemeinden zusammenführen. Nehmen wir doch mal das Beispiel Straßen. Statt vorher 50, 60 Straßen pro Gemeinde sind es in einer Einheitsgemeinde vielleicht 1000 Straßen, die unter einen Hut gebracht werden müssen. Man hat dann einen riesig aufgeblähten Haushalt, in dem das alles stattfindet. Das wird dann sehr unübersichtlich.

von Spreckelsen: Dieses Argument kann ich nicht gelten lassen, denn die Übersichtlichkeit kannst du auch anders gewährleisten. Sonst würde ja in einer Stadt wie Hamburg kein Haushalt mehr möglich sein.

Pawlowski: Ich glaube jedenfalls nicht, dass es in einer Einheitsgemeinde zu einer Verschlankung der Prozesse kommen würde. Es wird sogar komplizierter werden, weil man das alles auffangen muss, was vorher vielleicht andere schon vorbereitet oder erledigt haben. Die Mitgliedsgemeinden haben einen viel größeren Überblick über ihre Straßen, um noch einmal dieses Beispiel zu nennen. Die Verwaltung müsste viel mehr auffangen von den Dingen, die vorher vor Ort hätten geklärt werden können. Die Bürger der Mitgliedsgemeinden werden sich gar nicht mehr trauen, mit ihren Fragen in den dann großen Gemeinderat zu kommen, denn dort werden dann viel größere Themen diskutiert.

von Spreckelsen: Ich glaube nicht, dass wir wirklich 15 Haushalte brauchen, ein Haushalt reicht. Ich denke schon, dass das zu einer Verschlankung der Verwaltung führen würde. Aber ich gebe Patrick in einer Sache recht: Die Strukturen vor Ort sollten auf jeden Fall erhalten bleiben - und das nicht nur auf einer Spielebene. Die Kompetenzen müssen in den Kommunen bleiben.

Herr Pawlowski, finden Sie es denn grundsätzlich richtig, dass die Verwaltung die Möglichkeit struktureller Veränderungen prüft? Der Samtgemeinderat hat dem Prüfauftrag zugestimmt.

Pawlowski: Ich habe lange damit gehadert, ob ich dieser Vorlage zustimme. Aber ich will mich natürlich grundsätzlich nicht verweigern. Vielleicht wird ja auch nachgewiesen, dass die Samtgemeinde das bessere Modell ist. Die Vorlage liest sich aber so, und das finde ich schade, dass die Einheitsgemeinde der beste Weg sei. Wir haben lange diskutiert: Müssen wir jetzt noch 30.000 Euro für eine Prüfung ausgeben? Für ein Ergebnis, das man vielleicht sogar schon kennt, je nachdem, wie es beauftragt ist.

von Spreckelsen: Das finde ich jetzt schon sehr speziell interpretiert. In der Sitzungsvorlage werden auch andere mögliche Veränderungen genannt, zum Beispiel die Zusammenschlüsse von Gemeinden.

Pawlowski: Ja. Aber muss ich ein Gutachten haben, das mir sagt, welche Gemeinden gut zusammenpassen könnten und welche nicht? Das wissen wir auch selbst. Aber sei's drum. Es wird jetzt geprüft. Und dann schauen wir weiter.

Welche Gemeinden würden denn aus Ihrer Sicht zusammenpassen?

Pawlowski: Für mich passen beispielsweise Wingst und Cadenberge hervorragend zusammen. Ich wohne im Ortsteil Altkehdingen und gehe zwei Meter weiter und bin in Cadenberge. Die örtliche Nähe ist also da. Auch historisch passt das, im Kirchspiel Cadenberge gehörten die beiden Orte zusammen. Das ist eine Idee, die ich auch öffentlich schon einmal geäußert habe.

Und was sagt der Bürgermeister von Cadenberge zu Ihrer Idee?

Pawlowski: Wir haben darüber gesprochen, aber er ist noch nicht so ganz überzeugt.

von Spreckelsen: Das ist auch in Ordnung. Er verweigert sich aber nicht. Das ist das Entscheidende in der heutigen Zeit, dass man sich nicht verweigert.

Pawlowski: Übrigens: In dieser Konstellation könnte ich mir auch noch Oberdorf vorstellen. Auch da gibt es gewisse Beziehungen. Über den Tourismus ist da sehr viel zusammengewachsen. Dann hätte man drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Es muss aber in jeder Hinsicht passen, das ist klar, thematisch und auch von der Mentalität her.

Und wie sieht's mit Osterbruch aus, Herr von Spreckelsen? Sie nennen Ihr Dorf ja gern "das Blankenese Otterndorfs". Warum also nicht mit Otterndorf fusionieren?

von Spreckelsen: Darüber haben wir schon ernsthaft gesprochen. Aber dann würden die partizipatorischen Elemente im Dorf wegfallen, damit hätte ich ein Problem. Dann entfernst du die Menschen von der Politik. Ich finde, dass Patrick und ich gar nicht so weit auseinanderliegen. Was wir beide erhalten wollen, sind die demokratisch gewachsenen Strukturen in den Dörfern. Dort engagieren sich Menschen, die die unmittelbare Kontrolle über ihre Lebenswelt behalten wollen, ob das in der Politik ist, im Sport, im Wegebau oder in der Kultur. Diese Strukturen dürfen auf keinen Fall zerschlagen werden.

Patrick Pawlowski (CDU), seit 2016 Bürgermeister der Gemeinde Wingst, spricht sich gegen die Bildung einer Einheitsgemeinde aus. Foto: Mangels

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Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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