
Ein Leuchtturmvorhaben im Ahlenmoor: Nabu startet größtes Vernässungsprojekt
Dieses Projekt könnte Leuchtturm für die ganze Region, wenn nicht in Deutschland und Europa werden: Der Nabu will im Ahlenmoor auf einer Fläche von 200 Hektar ein Hochmoor wiederherstellen. Am Montag gaben die Naturschützer Einblicke in das Vorhaben.
Einst war die Gegend rund um Ahlen-Falkenberg eine wilde, unwegsame Moorlandschaft. Dann wurde sie für die Landwirtschaft und den Torfabbau nutzbar gemacht. Jetzt plant der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) eine europaweit einzigartige, großräumige Restaurierung. "Es ist ein Leuchtturmprojekt mit Signalwirkung für die Zukunft", sagte Julia Krooß, Portfoliomanagerin beim Nabu-Klimafonds, während einer gut besuchten Informationsveranstaltung im Moorinformationszentrum. Zusammen mit Frank Woesthoff, dem Moorschutzbeauftragten des Naturschutzbunds, führte sie in das ambitionierte Projekt ein, beschrieb Ziele und Verfahrensschritte.
Das Projekt ist sozusagen die Geschichte einer Kehrtwende: Ursprünglich wollte die Firma Gramoflor auf den Flächen Torf abbauen. Das Unternehmen beschäftigt sich aber seit Jahren auch mit der Moorrestaurierung und stellt Profisubstrate her. Es hat eine Moorschutzstiftung gegründet, eine Torfmoosanzucht aufgebaut und in Forschungsprojekten mitgearbeitet. Da Firmenchef Josef Gramann bei den Gesprächen mit Verantwortlichen im Landkreis Cuxhaven den Eindruck erhielt, dass der Torfabbau nicht gewollt sei, schwenkte Gramoflor um und entwickelte zusammen mit dem Nabu die Idee zur Moorrestaurierung. "Die Drohkulisse des Torfabbaus ist damit verhindert", sagte Frank Woesthoff. Der Naturschutzbund als Projektträger will unter anderem die Expertise von Gramoflor bei der Torfmoosvermehrung nutzen.
Projekt kommt "in die Phase des Machens"
Das Projektgebiet liegt südlich vom Moorinformationszentrum, abgegrenzt durch die Kreisstraße 18. Nach vielen Vorbereitungen und Verhandlungen komme man allmählich "in die Phase des Machens", sagte Woesthoff. "Aber es sind noch nicht alle Genehmigungen da." Das wasserrechtliche Genehmigungsverfahren sei in der Abstimmung und die Gespräche mit Landeigentümern, Naturschützern und Jagdpächtern noch nicht abgeschlossen.
Julia Krooß und Frank Woesthoff betonten, dass die 200 Hektar nicht "auf einen Schlag", sondern nach und nach entwickelt werden. "Die vertraglichen und technischen Vorbereitungen für den ersten Abschnitt laufen an", erklärte Julia Krooß. Die dabei entstehenden Immissionen, etwa durch Verkehr und Bodenbearbeitung, seien geringer als bei der bestehenden Landwirtschaft. Krooß rechnet mit einem Projektstart im Spätsommer/Herbst 2023. Der Projektzeitraum werde sich über etwa 18 Jahre erstrecken. Das Gebiet wurde in sechs Abschnitte eingeteilt. "Aktuell besitzt der Nabu 105 Hektar, auf denen über die nächsten Jahre die Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt werden", sagte die Nabu-Mitarbeiterin.
Ziel des Großprojekts ist es, den Hochmoorcharakter des Gebiets wieder herzustellen. Zunächst soll der landwirtschaftlich mit Nährstoffen und moorfremden Pflanzen belastete Oberboden schonend abgetragen werden. Die Abtragstiefe sei dabei nicht pauschal festzulegen. "Sie orientiert sich unter anderem an der Stratigraphie, dem Relief, der Hydrologie und den Anforderungen der Polderung", erläuterte Julia Krooß.
Und was passiert mit dem abgetragenen Boden? "Mindestens ein Drittel des Abtrags wird für den Bau von Verwallungen zur Schließung der Gräben und den Anstau des Wassers benötigt", so Krooß. Der restliche Abtrag werde industriell verwertet. Die Projekt-Verantwortlichen betonten: "Rohstoffinteressen sind für die Planung des Abtrags nicht ausschlaggebend."
Um eine typische Hochmoorvegetation zu etablieren, ist nach der Sanierung der Flächen eine "Beimpfung" mit Bulttorfmoosen und hochmoortypischen Begleitpflanzen geplant. "Hierzu werden die Erfahrungen der Stiftung Lebensraum Moor und des MoorIZ genutzt", sagte Krooß.
Kompetenzzentrum für Torfersatzstoffe
Apropos MoorIZ: Aus Sicht von Frank Woesthoff hat das Moorinformationszentrum als "entscheidender Faktor" in dem Projekt das Zeug, sich zu einem Kompetenzzentrum für Torfersatzstoffe zu entwickeln. Auch als Ausbildungsstätte wäre die Einrichtung geeignet. Harald Zahrte, Vorsitzender des Fördervereins Ahlenmoor, regte außerdem an, mit touristischen Programmen und Bildungsreisen neue Wertschöpfungen zu erschließen.
Kritische Nachfragen zum Projekt gab es von einigen Landwirten, die ihre Lebensgrundlage bedroht sehen, und von Jagdpächtern, deren Jagdgebiete betroffen sind. Auch der möglicherweise entstehende Schwerlastverkehr und damit verbundene Straßenschäden wurden hinterfragt. Woesthoff versprach Berücksichtigung.
Kritisch ging der Nabu-Moorschutzbeauftragte mit den Plänen der Bundesregierung ins Gericht. Die nationale Moorschutzstrategie soll die Wiedervernässung aller landwirtschaftlich genutzten Moore bis 2045 verfolgen. Woesthoff hält dieses Ziel für "illusorisch" und in dieser Form nicht umsetzbar, es sorge vielmehr für Verunsicherung in der Bevölkerung. Zielführender sei es, sich auf solche Leuchtturmprojekte wie im Ahlenmoor zu konzentrieren. Er hoffe, dass es für das Nabu-Vorhaben viel Aufmerksamkeit und Akzeptanz in der Bevölkerung geben werde. "Wir würden uns freuen, wenn die Leute stolz sind auf das Projekt."