
"Weiß nicht, was sich draußen ereignet": Wolfsangriffe sorgen für Angst in Steinau
Montagmorgen in Steinau: Jungen und Mädchen toben auf dem Außengelände des Kindergartens. Doch die Idylle ist trügerisch. Erneut hat es in dem Dorf einen Wolfsangriff auf Schafe gegeben; und das nur rund 100 Meter vom Kindergarten entfernt.
Steinau. Montagmorgen in Steinau: Jungen und Mädchen toben und spielen auf dem Außengelände des Kindergartens. Die Sonne scheint, man hört das fröhliche Lachen der Kinder. Doch die Idylle ist trügerisch. Erneut hat es in dem Dorf einen Wolfsangriff auf Schafe gegeben; und das nur rund 100 Meter vom Kindergarten entfernt in den Morgenstunden. In Steinau schwankt die Stimmung zwischen Befürchtung und Angst. Wann und ob schlägt das Wolfsrudel erneut zu?
Thomas Reinecke ist im Hauptberuf seit 41 Jahren Postbote. Doch nebenbei kümmert er sich auch um seine Schafherde, die er zum Teil direkt in der Nähe des Hauses an der Süderwesterseite der Gemeinde hält. Doch an Ruhe ist zurzeit nicht zu denken. Erst vor einer Woche wurden in Steinau neun Schafe getötet und zwölf verletzt. Reinecke kennt diese Situation aus leidvoller Erfahrung. In den vergangenen Jahren wurde seine Herde als Ziel von Wölfen mehrfach attackiert: "Die laufen hier seit Jahren herum", sagt er aus Erfahrung. Es sei kein einzelner Wolf, sondern ein Rudel. Das sei klar.
Um 9 Uhr am Leben, um 10 Uhr tot
Die Situation spitzt sich zu. Erst am Wochenende hatte es zwei weitere Vorfälle gegeben, die im Ort Sorge bereiten. Wie berichtet, waren am Sonnabendmorgen vier tote Schafe und ein verletztes Tier entdeckt worden. Nebenan: der Kindergarten. Um 9 Uhr - so Reinecke - hätten die Tiere noch gelebt. Um 10 Uhr waren sie tot.

Es waren nicht seine Schafe. Doch das sorgt nicht für Entlastung. Im Gegenteil. Mitten in der Nacht zum Sonntag schlug einer seiner Hütehunde an. Reinecke begab sich zur Weide, die rund 500 Meter entfernt liegt, und sah, dass der Wolf erneut zugeschlagen hatte. Fünf weitere Schafe lagen auf einer Weide. "Das ist emotional schon sehr belastend", sagt der Steinauer.
"Man hat ein mulmiges Gefühl"
Eigentlich habe er mit der Schafzucht begonnen, da sie ihm Spaß gebracht habe. Doch jetzt sei dies ein völlig anderes Gefühl: "Man hat ständig auch in der Nacht ein mulmiges Gefühl und weiß nicht, was sich gerade draußen ereignet. An viel Schlaf ist nicht zu denken."
Mittlerweile seien die meisten Tiere auf eine andere Weide fernab von Steinau umgesiedelt worden. Das Risiko eines erneuten Angriffs durch das Rudel sei einfach zu groß. Ob die "Umsiedlung" hilft? Reinecke weiß es nicht. Doch er hofft, dass diese Maßnahme Erfolg hat.
Wenn er nachts zu seiner Herde in Steinau unterwegs gewesen ist, habe ihn diverse Male ein "mulmiges Gefühl" beschlichen: "Was ist denn, wenn der Wolf dich plötzlich nach dem Beutezug als Kontrahenten sieht?", habe er sich oft gefragt.
Kaum Vertrauen in die Politik
Die Hoffnung, dass sich politisch durch eine mögliche, aber noch völlig ungeklärte "Entnahme" von sogenannten "Problemwölfen" etwas bewegt, hat er weitgehend aufgegeben. Auch beim Landkreis als Untere Naturschutzbehörde könne doch nur das erledigt werden, was der Gesetzgeber vorschreibe. Und das sei nicht zielführend.
Einen Mitstreiter für eine pragmatische Lösung sieht er in dem CDU-Landtagsabgeordneten Claus Seebeck aus Flögeln, der das Problem verstehe und in seinen Möglichkeiten angehe. Doch Seebecks Handicap: Er sitzt im niedersächsischen Landtag nur in der Opposition. Das hilft bekanntlich nicht unbedingt, wenn man politisch Dinge bewegen möchte.
"Einige Bürger sind schockiert"
Steinaus Bürgermeister Armin Heitmann kennt die Sorgen seiner Mitbürgerinnen und Mitbürger: "Natürlich beschäftigen die Vorfälle in der jüngsten Zeit das Dorf und einige sind auch schockiert." Doch die Gemeinde habe selbst nur wenige Möglichkeiten, aktiv zu werden und insbesondere den Kindergarten besser zu schützen. "Da gibt es ja schon einen Zaun", sagt er. Aber der - und das gehört auch zur Wahrheit - soll Kinder primär daran hindern, das Gelände zu verlassen. Einige Eltern haben dagegen viel mehr die Sorge, dass die Gefahr auf der anderen Seite des Zaunes lauert.

"Betrieb läuft unaufgeregt"
Reine Panikmache? Die stellvertretende Chefin der Samtgemeindeverwaltung Land Hadeln, Irene Wischhusen, sieht das differenzierter: "Der Betrieb der Kindertagesstätte selbst läuft unaufgeregt. Für die Kinder ist dieser Vorfall bislang kein Thema. Ängste oder Unsicherheiten sind bei den Kindern bislang nicht festzustellen. Einige Eltern von Kita-Kindern, gerade auch solche, die selbst Tierhalter sind, sind besorgt und betroffen. Darüber tauschen sich Eltern und die Kita aus. Eine Hysterie ist jedoch nicht festzustellen, aber eine erhöhte Aufmerksamkeit", sagte sie auf Anfrage unserer Redaktion.
Die Situation werde "weiter beobachtet", um eventuell noch erforderliche Maßnahmen in Absprache mit den Fachdienststellen zu treffen: "Über die Situation wurden Gespräche mit Fachleuten geführt. Nach Auskunft der Fachleute führt die Geräuschkulisse eines Kindergartens im täglichen Betrieb zu einer natürlichen Störung des Wolfes bei seiner Suche nach tierischer Beute. Ein erhöhtes Risiko wird in Bezug auf den Kindergarten so nicht gesehen."
Ob das alle Eltern beruhigt? Kann sein, muss aber nicht.