
Zwischen Jubel und Angst: Syrer aus Cuxhaven reagieren auf den Assad-Sturz
Der Sturz Assads löst in Syrien Hoffnung und Unsicherheit aus. Auch Syrer in Cuxhaven blicken gespannt auf die Zukunft ihres Heimatlandes. Sie beziehen Stellung und sprechen deutliche Worte.
Der Jubel auf den Straßen Syriens ist groß: Nach dem Sturz Assads hoffen viele Menschen im Land auf ein besseres Leben. Vieles bleibt aber noch unklar. Es herrscht Ungewissheit - auch unter den aus Syrien stammenden Menschen im Cuxland.
Millionen Syrer sind in den vergangenen Jahren vor der Terrorherrschaft von Bashar al-Assad geflohen - auch nach Deutschland. Einige von ihnen haben im Kreis Cuxhaven ein neues Zuhause gefunden. Nun ist Machthaber Baschar al-Assad selbst geflüchtet - was Reaktionen auf der ganzen Welt ausgelöst hat.
Die islamistische Gruppierung Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und mit ihr verbündete Milizen hatten Ende November eine Großoffensive in Syrien gestartet. Am Sonntag nahmen sie die syrische Hauptstadt Damaskus ein und stürzten den seit Jahrzehnten herrschenden Machthaber Assad.

"Es ist ein ganzes Land, das gerade auf dem Kopf steht"
Muhamad Farhad Haji lebt seit zehn Jahren in Deutschland und betreibt ein Café in Cuxhaven. Die Nachricht vom plötzlichen Machtverlust des syrischen Ex-Machthabers Assad hat den 44-Jährigen überrascht und hoffnungsvoll gestimmt: "Das ist so schön, dass der weg ist", freut er sich. "Ich hätte nicht gedacht, dass sich das in der nächsten Zeit so entwickelt. Aber es hat geklappt. Ich bin mir sicher, dass alles besser werden wird."
Er habe bereits am Sonntag mit Bekannten in Syrien telefoniert, berichtet Haji. Die Unsicherheit vor Ort sei groß: "Aktuell kann man nicht sagen, wie es weitergeht. Es ist eine Wechselzeit. Wir haben ein bisschen Angst." Haji geht davon aus, dass es noch Monate dauern wird, bis sich das Land stabilisiert.
Mit einem Vergleich beschreibt er die momentane Lage in Syrien: "Es ist ein ganzes Land, das gerade auf dem Kopf steht. Weil es keine Kontrolle gibt." Die Situation vergleicht er mit einer Verkehrsampel, die ausfällt: "Dann kommt es vielleicht zu einem Unfall." Diese symbolische Beschreibung stehe derzeit für die gesamte Situation in Syrien.
Stadt Daraa seit zehn Jahren ohne Strom
Seit fünf Jahren lebt Mohammed Alawad in Cuxhaven. Ursprünglich stammt er aus der Stadt Daraa im Südwesten Syriens, wo er als Journalist arbeitete. Dort begann 2011 der Aufstand gegen Präsident Assad. Doch der Protest wurde durch den Ex-Machthaber blutig niedergeschlagen und mündete schließlich in den syrischen Bürgerkrieg. "Seit über zehn Jahren hat die Stadt keinen Strom - bis heute”, erzählt Alawad. Auch seien die Preise, etwa für Lebensmittel, sehr hoch und die Wasserversorgung schlecht. Das könne ein Problem darstellen für diejenigen, die sich nun entscheiden würden, zurück in die Heimat zu gehen, sagt er.

"Die Leute sind froh darüber, dass Assad weg ist, haben aber auch Angst", glaubt Alawad. Niemand könne genau wissen, was nun passieren wird. "Die Leute, die hinter Assad standen, sind immer noch da. Ich glaube, dass nicht nur Assad alleine für die Probleme der Menschen verantwortlich war."
Sein Mitgefühl gilt den Menschen in Syrien, die nun der Ungewissheit ausgesetzt seien. Denn letztlich sei ihr größter Wunsch ganz einfach: "Die Menschen wollen einfach nur leben."
Telefonkontakt von Cuxhaven nach Syrien
Apotheker Basel Musleh lebt schon seit 2016 in Cuxhaven und arbeitet hier in einer Apotheke. Über die jüngsten Entwicklungen in seinem Heimatland sagt er: "Wir sind sehr glücklich über das Ende des Assad-Regimes. Allerdings haben wir Angst davor, was jetzt kommt." Mit seiner Mutter und Schwester, die beide in Syrien leben, hat er regelmäßig telefonischen Kontakt. Auch seine Familie dort ist glücklich über die jüngsten Veränderungen im Land. "Wir hoffen jetzt auf ein Syrien für alle Syrer", sagt Basel Musleh.
Die 28-jährige Nourshan Afara ist mit ihren Eltern 2015 nach Cuxhaven gekommen. "Wir sind alle froh, dass es in Syrien so gelaufen ist und Al-Assad nicht noch mehr Menschen getötet hat." Die junge Frau, deren Eltern hier in Cuxhaven einen kleinen Supermarkt betreiben, ist heilfroh, dass die vielen politischen Gefangenen nach langen Jahren der Gefangenschaft freigelassen wurden. "Viele Menschen sind einfach ins Gefängnis gekommen, nur weil sie ihre Meinung öffentlich gesagt haben."
Nourshan Afara würde sich sehr freuen, wenn gemäßigte Kräfte und nicht die Islamisten das Ruder in ihrer alten Heimat übernehmen. Sie hofft darauf, dass zeitnah demokratische Wahlen in Syrien abgehalten werden und danach eine ordentliche Regierung die Führung des Landes übernimmt. "Ich möchte mich herzlich bei den Deutschen dafür bedanken, dass sie uns aufgenommen haben und wir hier die Möglichkeit haben, zu arbeiten. Wir fühlen uns hier in Deutschland sicher."
Von Tamina Francke, Lennart Keck und Jens Jürgen Potschka