Polizei und Feuerwehr sperren Einsatzstellen weiträumig ab, um Gaffer fernzuhalten. Gabbert/dpa
Polizei und Feuerwehr sperren Einsatzstellen weiträumig ab, um Gaffer fernzuhalten. Gabbert/dpa
Ein bedenkliches Phänomen

Schaulustige nach Unfall im Kreis Cuxhaven: Wie Gaffer Rettungseinsätze gefährden

von Lennart Keck | 12.02.2025

Gaffen bei Unfällen behindert Rettungskräfte und gefährdet Menschenleben. Im Kreis Cuxhaven ergreift die Polizei Maßnahmen gegen Schaulustige, um den Einsatz zu sichern und Persönlichkeitsrechte zu schützen. Doch wieso gaffen Menschen eigentlich?

Ein schwerer Unfall ereignete sich am Montagmittag in Langen im Kreis Cuxhaven, als eine Autofahrerin von der Straße abkam und sich mit ihrem Fahrzeug überschlug. Laut der Polizei versammelten sich um den Unfallort zahlreiche Schaulustige - ein bedenkliches Phänomen. 

Stephan Hertz, Pressesprecher der Polizeiinspektion Cuxhaven, kennt das Problem nur zu gut: "Gerade bei größeren Geschehen mit großer Außenwirkung, wie schweren Unfällen oder Bränden, kommt es schnell dazu, dass sich Schaulustige am Einsatzort versammeln." Dabei ist Gaffen nicht nur ein moralisches, sondern auch ein handfestes Sicherheitsproblem. "Im schlimmsten Fall werden Rettungskräfte behindert, sodass diese nicht oder nur verzögert am Einsatzort agieren können. Hier geht es dann ganz klar um Menschenleben!"

Schaulustige müssen mit rechtlichen Konsequenzen rechnen

Auch die Persönlichkeitsrechte der Opfer und Beteiligten seien in Gefahr. "Niemand möchte, dass sich andere - meist völlig fremde - Personen aus Neugier am eigenen Leid oder Schaden 'ergötzen'", so Hertz. Dennoch komme es immer wieder vor, dass Gaffer Videos von Einsatzsituationen und auch von den Opfern anfertigen und weiterverbreiten. In diesen Fällen kann die Polizei unter anderem das Handy direkt vor Ort sicherstellen. 

Zu den weiteren möglichen Maßnahmen gehören Platzverweise, wenn Einsatzkräfte behindert werden. Sollte diesen nicht nachgekommen werden, drohe eine Ingewahrsamnahme. Wer Einsatzkräfte behindert, macht sich wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar. Auch eine Ordnungswidrigkeit kann in Betracht kommen, wenn sich Personen trotz mehrmaliger Aufforderung nicht aus einer öffentlichen Ansammlung entfernen.

Da die Fälle nicht statistisch erfasst werden, kann die Polizeiinspektion Cuxhaven keine Angaben darüber machen, wie oft in den vergangenen drei Jahren entsprechende Maßnahmen ergriffen wurden.

Hinsehen ist nicht gleich Gaffen

Doch wo liegt die Grenze zwischen natürlicher Neugier und moralisch fragwürdigem Verhalten? Eine klare Definition gibt es nicht, betont die Polizei. "Das reine Hinsehen, zum Beispiel im Vorbeigehen oder -fahren, ist in Ordnung und liegt auch in der Natur des Menschen", sagt Hertz.

Doch wer ohne plausiblen Grund am Einsatzort verweilt oder gar beginnt, zu filmen, überschreitet eine Grenze. Um Gaffern entgegenzuwirken, sperren Polizei und Feuerwehr Einsatzorte weiträumig ab, zumindest so weit, wie es die jeweiligen, örtlichen Gegebenheiten zuließen.

Wenn ein sinnvoller Reflex zur Sensationslust wird

Das Magazin Quarks des Westdeutschen Rundfunks erklärt in einem Beitrag, warum Menschen gaffen. Demnach sei Neugier ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lernens und in einigen Fällen überlebenswichtig. In außergewöhnlichen Ereignissen verarbeite das Gehirn instinktiv die Situation in Sekundenbruchteilen, um festzustellen, ob Gefahr droht.

Besonders im Straßenverkehr führe dies dazu, dass Menschen als evolutionsbedingte soziale Wesen abrupt abbremsen und hinschauen - auch, um sich zu vergewissern, ob jemand verletzt ist und Hilfe benötigt. Doch aus diesem sinnvollen Reflex wird oft bloße Sensationslust. Laut Psychologe Michael Thiel passiert dies genau in dem Moment, in dem jemand nicht mehr fragt, ob er helfen kann, sondern entscheidet, noch länger zu bleiben, um das Geschehen zu beobachten.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

(1 Stern: Nicht gut | 5 Sterne: Sehr gut)

Feedback senden

CNV-Nachrichten-Newsletter

Hier können Sie sich für unseren CNV-Newsletter mit den aktuellen und wichtigsten Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven anmelden.

Die wichtigsten Meldungen aktuell


Bild von Lennart Keck
Lennart Keck

Volontär
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

lkeck@no-spamcuxonline.de

Lesen Sie auch...
Kinder- und Jugendpornos

Mann aus Hemmoor vor Gericht: "Hinter jedem Fall steckt ein Missbrauch"

von Egbert Schröder

Jahrelang hat ein Hemmoorer kinder- und jugendpornografische Fotos und Videos gehortet - es handelte sich um rund 45.000 Dateien. Jetzt stand er vor dem Amtsgericht in Otterndorf.

Pädagogik vs. Budget

Kitas im Kreis Cuxhaven: Gesundes Mittagessen zwischen Qualität und Kostendruck

von Bengta Brettschneider

In den Kindertagesstätten des Landkreises Cuxhaven lernen Kinder beim Mittagessen gesunde Ernährung und Gemeinschaft - doch viele Kommunen müssen sparen, trotz des pädagogischen Anspruchs. 

Stillstand für Start Unterelbe

Tödlicher Unfall bei Dollern: Zugverkehr zwischen Horneburg und Stade unterbrochen

Nach einem tödlichen Personenunfall war der Bahnverkehr zwischen Horneburg und Stade am Mittwoch für fast zwei Stunden komplett unterbrochen. Ein Mensch kam ums Leben, mehrere Fahrgäste wurden verletzt und rund 200 Reisende mussten evakuiert werden.

Zeugin schildert Behördenalltag

Antragsteller kamen mit Orchideen-Arrangements und Pralinen

von Kai Koppe

Bestechungsversuche waren offensichtlich, ein ehemaliger Fachgebietsleiter beschwichtigte: Vor dem Cuxhavener Amtsgericht sprach eine Zeugin über Zustände, die vor gut zehn Jahren in der Ausländerbehörde des Landkreises geherrscht haben sollen.