Jede Stimme zählt

Für ein starkes Europa
 brauchen wir ein starkes
 Europaparlament

von Ulrich Rohde | 07.06.2024

Die Wahlen zum europäischen Parlament gelten gemeinhin als so etwas wie eine Zwischenwahl vor den wirklich bedeutenden Wahlen. Nichts könnte weiter von der Wirklichkeit entfernt sein. Es ist die wichtigste Wahl von allen.

Seit 1979 gibt es Wahlen zum Europaparlament - doch in den 45 Jahren seither dümpelt die Wahlbeteiligung meistens so vor sich hin. Ich glaube nicht, dass das mit Europamüdigkeit zu tun hat, denn die meisten Wählerinnen und Wähler identifizieren sich mit der europäischen Idee. Ob sie immer von Europa begeistert sind, steht auf einem anderen Blatt. Offenbar sieht aber nur ein Teil der Wahlberechtigten die Europawahl als Pflichttermin an. Doch, die Wahlbeteiligung ist, um der Wahrheit die Ehre zu geben, in Deutschland in den letzten 20 Jahren um immerhin fast 20 Prozent gestiegen. 2019 betrug sie 61,4 Prozent. Allerdings: 1979, bei der ersten Wahl zum europäischen Parlament, gaben noch 65,7 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland ihre Stimme ab.

Europawahl? "Ich weiß gar nicht, was ich wählen soll?" So lautet ein häufig gehörter Satz. Es ist ja auch nicht so leicht. Europa ist kompliziert, vielschichtig und manchmal auch völlig unverständlich. Aber die Antwort auf die Frage ist trotzdem ganz einfach: "Gehe wählen und wähle demokratisch!" Denn die Feinde Europas sind auch Feinde der Demokratie und der Vielfalt - und davon gibt es leider in ganz Europa eine zunehmende Anzahl.

Europapolitik eignet sich selten für Bierzeltgepolter

Politik, die in Brüssel und Straßburg gemacht wird, wirkt sich ganz direkt auf jeden und jede einzelne von uns aus. Es ist nur nicht immer sofort sichtbar. Und häufig überlagern naheliegendere nationale Themen die europäischen. Europapolitik eignet sich selten für Bierzeltgepolter, es sei denn es wird auf "die da in Brüssel" geschimpft. Da muss dann oft der "Regelungswahn" der EU-Bürokraten herhalten, so wie die viel zitierte Verordnung, die den Krümmungsgrad einer importierten Banane vorschreibt. Es hat diese Vorschrift nie gegeben. Umso bemerkenswerter ist es dann, dass so viele Menschen denken, dass die EU genau dazu fähig wäre.

Zwischen der Bedeutung dieser Wahl und dem wahlkämpferischen Eifer liegt eine tiefe Kluft

Wenn die europäische Idee weiterbestehen und dieses Konzept eines multinationalen Staatenbundes mit gleichen Rechten und Pflichten ausgebaut werden soll, bedarf es der Demokratinnen und Demokraten, diese Idee zu schützen. Doch leider haben wir in den vergangenen Tagen und Wochen erlebt, dass zwischen der Bedeutung dieser Wahl am Sonntag und dem wahlkämpferischen Eifer eine tiefe Kluft liegt. Straßen und Plätze sind zwar vollgepflastert mit bunten Plakaten und Botschaften, aber ein Wahlkampf, in dem leidenschaftlich um Positionen gerungen und gestritten wird, sieht anders aus. Man spart sich offenbar die Atemluft für die Bundestagswahl im kommenden Jahr. Ein Gefühl davon, was für ein Wert darin liegt, ein Europäer zu sein, bekam man in den vergangenen Tagen jedenfalls selten.

Die Zeiten, als man noch abfällig reimte "Hast Du einen Opa? Schick' ihn nach Europa" und damit Politiker meinte, die vor dem Ende ihrer Karriere noch einmal in den Genuss Brüsseler Diäten kommen sollten, sind längst vorbei. In Wahrheit spielt die richtige Musik dort - und dazu braucht es die fähigsten Parlamentarier. Denn wir brauchen gerade jetzt ein starkes Europa.

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