Igel-Skandal in Osten: Warum Schuld bei Tätern liegt - nicht bei Gruppen (Kommentar)
Eine mutmaßliche Igel-Jagd im Kreis Cuxhaven sorgt für Empörung - doch eine zweite Dynamik ist ebenso alarmierend, findet unsere Redakteurin: In Kommentarspalten im Netz werden aus vagen Informationen schnell Zuweisungen an ganze Bevölkerungsgruppen.
Was mich in den vergangenen Tagen besonders bewegt hat, ist weniger der Fall selbst - so schockierend der Gedanke an gezielte Igeljagd auch ist -, sondern die Wucht der Reaktionen darauf. Die emotionale Empörung über den Umgang mit einem streng geschützten Tier ist nachvollziehbar und verständlich. Doch parallel dazu konnte man in den Kommentarbereichen großer Medienhäuser beobachten, wie sich etwas anderes entwickelte: die schnelle Suche nach kulturellen Erklärungen - und schließlich nach Schuldigen.
Es geht nicht darum, irgendetwas zu verharmlosen. Aber es macht einen Unterschied, ob wir historische oder regionale Praktiken beschreiben - oder ob wir aktuelles Handeln konkreter Personen einer ganzen Gruppe zuschreiben. Genau an dieser Stelle verschwimmen im Eifer vieler Online-Debatten die Linien. Aus einzelnen Erwähnungen oder internetbasierten Behauptungen werden in der Hitze der Debatte plötzlich Gewissheiten. Nicht, weil sie belegt sind, sondern weil sie in bekannte Schubladen passen.
Wenn Roma-Gemeinschaften in historischen Quellen erwähnt werden, bedeutet das nicht, dass sie im Jahr 2025 verantwortlich für ein konkretes Vergehen in einem Deichgebiet im Cuxland sind.
Natürlich müssen wir weiter hartnäckig berichten, wenn Tiere gequält werden oder Naturschutzgesetze verletzt werden. Natürlich müssen wir genau hinschauen, wer wann was getan hat. Aber wir müssen es genauso klar sagen: Verantwortung liegt bei Individuen - nicht bei Bevölkerungsgruppen.