Über den Umgang mit der wachsenden Wolfspopulation - auch im Kreis Cuxhaven - wird kontrovers diskutiert. Symbolfoto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Über den Umgang mit der wachsenden Wolfspopulation - auch im Kreis Cuxhaven - wird kontrovers diskutiert. Symbolfoto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Meinungen aus der CN/NEZ-Redaktion

"Nase voll" und "wenig Ertrag": Zwei deutliche Kommentare zum Wolf im Kreis Cuxhaven

14.11.2025

Der Wolf sorgt für hitzige Debatten im Kreis Cuxhaven. Nachdem die Raubtiere mehrere Nutztiere gerissen haben, steht die Frage im Raum, wie mit "Isegrim" umzugehen ist. Zwei Mitglieder der CN/NEZ-Redaktion positionieren sich eindeutig.

Verkehrte Welt: Zwischen Kehlbiss und Komfortzone … (ein Kommentar von Egbert Schröder)

Ehrlich gesagt: Ich habe die Nase voll - und zwar davon, dass jede Menge Wölfe hier im Cuxland und in ganz Niedersachsen - behördlich genehmigt sowie von selbst ernannten "Tierschutzverbänden" unterstützt - munter durch die Gegend tapern, die Wolfspopulation nahezu ungezügelt wächst und Überhand nimmt, Tierhalter fassungslos vor ihren Schafen, Pferden oder Rindern stehen, deren Gedärme aus dem Körper platzen, in der Nähe von Kindergärten oder privaten Spielgeräten Kadaver liegen, die durch einen Kehlbiss oder herausgerissene Körperteile entstellt sind. Wer einmal erlebt hat, wie zum Beispiel über ein Dutzend Schafe einer Herde durch Wölfe in die Enge getrieben, schwer verletzt, getötet und angeknabbert worden sind und danach in die Augen des fassungslosen und weinenden Schäfers blickt, der wird das nicht so leicht vergessen. Als Lokalredakteur im Landgebiet erlebt man so etwas nicht nur einmal - und ich hätte gerne darauf verzichten können.

CN/NEZ-Redakteur Egbert Schröder. Foto: privat

Vor fast zehn Jahren habe ich - vielleicht noch unter dem Eindruck einer solchen Attacke (damals in Stinstedt auf einer Winterweide) - in der Zeitung kommentiert, dass ein Abschuss von Wölfen als regulierende Maßnahme notwendig ist. Ein Shitstorm war damals noch die Folge. Damit konnte und kann ich gut leben, denn das öffentliche Bewusstsein für die Problematik der Ausbreitung dieses Raubtieres hat sich inzwischen sukzessive gewandelt. Zum Glück.

Und das - man höre und staune - angeblich auch bei so manchem Politiker! Plötzlich sind die Grünen in Niedersachsen - an der Spitze Umweltminister Meyer - vehemente Befürworter einer regulierten "Entnahme" von Problemwölfen. Jetzt treibt der Bund die Aufnahme des Wolfs in das Bundesjagdgesetz deutlich voran und gibt Rahmenbedingungen vor. Tja, Herr Meyer, dann lassen auch Sie ihren Worten mal in Niedersachsen Taten folgen.

Derweil geht die Angst weiter um - gerade in Dörfern -, wie groß die Bedrohung möglicherweise auch für Menschen schon ist oder noch sein wird. Aber da gibt es ja in Info-Blättern so viele tolle Verhaltenstricks, wie man bei einer Begegnung mit einem Wolf reagieren müsste. Reiner Mumpitz in der Praxis. Wer zückt schon sein Info-Blatt, wenn er in eine solche Situation gerät? Da ist Panik angesagt. Händeklatschen, sich zum Scheinriesen machen und "Einschüchterungsversuche"? Vielen Dank für die gut gemeinten Infos.

Na klar, liebe Wolfsschützer: Ihr schreibt meinen Kommentar sicherlich als unqualifizierte Polemik ab. Könnt ihr gerne. Ich lasse da jedem seine Meinung. Mir ist das egal. Baut mal schön idealistisch am trügerischen Bild eurer angeblich "wolfsabweisenden Zäune" weiter, stellt Forderungen auf und geht bloß nicht dahin, wo euer Wolf als das neue possierliche Raubtier des Nordens sein Unheil treibt. Sicher am "Runden Tisch" sitzen, juristisch gegen Abschussgenehmigungen vorgehen und dann feiern, wenn die Gerichte darauf auch noch anspringen - das ist natürlich sehr einfach in eurer Komfortzone. Schön für euch und den Wolf, schlecht für Tierhalter und die Bevölkerung.

Es gab in der Vergangenheit unzählige Statements, "Dialogforen", Lippenbekenntnisse und Beteuerungen - doch substanziell hat sich nichts am Umgang mit dem Wolf geändert. Die Zeit der Augenwischerei muss vorbei sein. Handeln ist längst überfällig.

Der Wolf im Fadenkreuz: Für drei Wochen galt die Ausnahmeabschussgenehmigung für den Wolf im Kreis Cuxhaven. Inzwischen ist die Frist verstrichen. Symbolfoto: Carsten Rehder/dpa

Rechtssicherheit für den Abschuss von Wölfen herstellen (ein Kommentar von Ulrich Rohde)

Ich könnte es mir jetzt leicht machen und meinem Kollegen Egbert Schröder recht geben. Das würde diesen Kommentar stark verkürzen und Sie hätten mehr Zeit für andere nützliche Dinge. Und um es hier klar zu sagen: Er hat recht, wie übrigens meistens. Deshalb ist dies auch kein richtiges Contra. Denn wer, außer einigen Traumtänzern, die finden, dass Schaf und Wolf in friedlicher Koexistenz leben können, glaubt, dass Wölfe auf eine leicht verfügbare Herdentiermahlzeit verzichten würden, wenn sich die Gelegenheit bietet? Dass einige Schafhalter ihre Verluste schon gar nicht mehr melden, weil sie frustriert über den bürokratischen Aufwand für die Schadensregulierung und die Entschädigung sind, spricht außerdem Bände über den Umgang mit den Geschädigten.

CN/NEZ-Redaktionsleiter Ulrich Rohde. Foto: Ringfoto Schattke

Selbstverständlich wissen wir alle, dass der Wolf gekommen ist, um zu bleiben. Und in einigen Regionen im Süden Deutschlands, wo er bis vor Kurzem noch nicht vertreten war, beginnen nun dieselben Debatten, die wir schon vor zehn Jahren geführt haben. Natürlich kann es kein "friedliches" Nebeneinander mit einem Raubtier geben, aber um den neuen Nachbarn kommen wir nicht mehr herum. Und weil im dicht besiedelten Deutschland mit wenig Wildnis und viel vom Menschen geprägter Kulturlandschaft eine solche Koexistenz nicht konfliktfrei sein kann, muss es ein paar Regeln geben - nicht für den Wolf, der einfach tut, was Wölfe so tun, sondern für unseren Umgang mit ihm.

Das beste Beispiel, wie es nicht funktioniert, lieferte jene befristete Ausnahmegenehmigung zur "Entnahme" eines Wolfes im Raum Hadeln, der zuvor etliche Schafe, Rinder und Pferde gerissen hatte. Sie galt für einen Umkreis von 1000 Metern um die letzte Rissstelle. Prompt ging eine Naturschutzorganisation (aus Rheinland-Pfalz!) dagegen vor, erzielte eine aufschiebende Wirkung gegen den Abschuss, unterlag dann vor dem Verwaltungsgericht Stade und danach mit ihrem Widerspruch vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Kurz darauf endete die Genehmigungsfrist und noch am selben Abend riss ein Wolf in der Nähe zwei weitere Schafe. Viel Aufwand für wenig Ertrag.

Es ist zu begrüßen, dass der niedersächsische Umweltminister Entschlossenheit an den Tag gelegt und gezeigt hat, dass ihm die Weidetiere und deren Halter nicht herzlich egal sind. Als bislang einziges Bundesland hat Niedersachsen damit die durch die EU ermöglichten Regelungen für Schnellabschüsse und reguläre Entnahmen umgesetzt. Zum anderen wird es auch ihm klar gewesen sein, dass ein erfolgreicher Abschuss innerhalb der Frist ziemlich unwahrscheinlich gewesen wäre, zumal die Jagdberechtigten sich wohl auch nicht gerade um den Job gerissen haben, weil sie befürchten müssen, von der Tierschutzlobby an den Pranger gestellt zu werden.

Nun hat sich der Bund darauf geeinigt, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Regelung zum Wolf umzusetzen und damit den Ländern rechtssichere Entnahmen sowie ein regional differenziertes Wolfsmanagement in Problemregionen zu ermöglichen. Konkrete Gesetzentwürfe zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes und des Bundesjagdgesetzes sollen folgen. Die Landesregierung will die neuen Spielräume dazu nutzen, Weidetiere besser zu schützen und Konflikte zu reduzieren. Das wäre dann das erste Mal, seitdem der Wolf die Oder überquert hat, dass tatsächlich Rechtssicherheit hergestellt und das Thema Wolf vom Kopf auf die Füße gestellt würde.

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