
Lösung aus Cuxhaven: Neues Baggerkonzept könnte Kosten senken und Umwelt schützen
Ein innovatives Baggerkonzept könnte die Unterhaltungsbaggerei revolutionieren und Kosten senken, während gleichzeitig die Effizienz und Umweltverträglichkeit gesteigert wird. Staatliche Eigenregie würde damit in greifbare Nähe rücken.
Der Zeitpunkt, um einen Systemwechsel in der Unterhaltungsbaggerei herbeizuführen, war nie günstiger als jetzt. Statt teure Fremdvergabe an Privatreedereien könnte die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen - zumindest eines Teils des Aufkommens an Baggermaterial - in staatlicher Eigenregie deutlich günstiger werden, mit positiven Nebeneffekten für die Sicherheit von Schiffen und Umwelt.
Dieser Ansicht ist Jan Vermöhlen, Vorstandsmitglied des Bundes der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen. Mit Blick auf die Ausweitungen der Verschuldungsbefugnisse von Bund und Ländern könne "fehlendes Geld" kaum noch als Begründung dafür herhalten, sich einem Pilotprojekt weiterhin zu verweigern. "Als Bund der Steuerzahler würden wir dieses nach wie vor begrüßen, da die Argumente, die für einen Paradigmenwechsel sprechen, nachvollziehbar und unabweisbar sind", so Vermöhlen. Neben dem Einsparpotenzial würde auch die anderweitige Einsetzbarkeit der Schiffe für einen solchen Wechsel sprechen.
Auf längeren Strecken zu den Verklappungsstellen deutlich effizienter
Gemeint ist das Baggerkonzept, das eine Arbeitsgruppe um den Cuxhavener Ingenieur Jürgen Grzeskowiak erstellt hat. Es ist eine Abkehr von den jetzt üblichen Saugbaggern mit Laderaum und schlägt Bagger ohne Laderaum mit Transportschiffen vor, deren Einsatz besonders auf längeren Strecken zu den Verklappungsstellen deutlich effizienter sein soll als die so genannten Hopper Dredger, die mit ihrer Ladung aus Sand und Sedimenten lange Törns absolvieren. Zusätzlich können die Transportschiffe laut Konzept zur Ölbekämpfung bei Havarien und bei Ladungsverlusten etwa von Containerschiffen ausgerüstet werden.
Erst kürzlich schlossen die Initiatoren des Baggerkonzepts mit der Rönner Group in Cuxhaven eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit ab. Die Rönner Group vereinigt mehrere Werftenstandorte an Nord- und Ostsee, darunter auch die Cuxhavener Mützelfeldwerft.
Grzeskowiak hat das Konzept verschiedenen Fachinstitutionen wie der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, dem Havariekommando und dem Reedereizentrum vorgestellt. Die Resonanz sei positiv, eine Zusammenarbeit in Sachen Schadstoffbekämpfung und Bereederung hält man dort für denkbar. Das würde dann sowohl für Baggerschiffe des Bundes, als auch für solche unter der Regie der Hamburger Hafenverwaltung (HPA) gelten. Auch in der Politik stößt es zunehmend auf Befürworter, insbesondere wenn es darum gehen wird, Baggergut in weit entfernte Gebiete wie die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) zu transportieren.
Werden Mittel für ein Pilotprojekt bereitgestellt?
Bei den Beratungen für den Bundeshaushalt 2025 im vorigen Jahr sollten Mittel bereitgestellt werden, um das von Jan Vermöhlen erwähnte Pilotprojekt - den Bau eines Baggers mit zwei Transportschiffen - zu planen. Bekanntlich bedeuteten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der anschließende Bruch der Regierungskoalition das Aus für den Haushalt, der erst jetzt unter neuen Vorzeichen beraten wird. Ob also das Vorhaben noch für dieses Jahr in den Haushalt eingestellt werden wird oder erst im kommenden Haushalt 2026, ist noch nicht gewiss.
Es zeichnet sich jedoch ab, dass man an dem Konzept der Grzeskowiak-Gruppe nicht mehr vorbeikommt, wie der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann festgestellt hat. Dessen Wirtschaftlichkeit, vor allem auf der Langstrecke, sei unbestritten.
Endlose Geschichte um den Bagger "Osteriff"
Und es gibt noch weitere Gründe: Der Staat behält sich seit jeher vor, mindestens 25 Prozent der Baggermengen selbst zu verklappen. Bei einem für 2030 bis 2035 prognostizierten jährlichen Aufkommen auf allen Bundeswasserstraßen von ungefähr 60 bis 65 Millionen Kubikmetern wären das etwa 15 Millionen Kubikmeter. Doch das Ziel wird heute nicht im entferntesten erreicht. Der einzige Saugbagger, den der Bund derzeit in Betrieb hat, ist die "Nordsee", rund 45 Jahre alt, die pro Jahr um die fünf Millionen Kubikmeter schafft. Sie hat nur noch mit Ach und Krach ihre "Klassifizierung" für fünf Jahre erhalten können und dürfte alsbald ausgemustert werden.
Die endlose Geschichte um den Bau der "Osteriff", dem Nachfolgebagger, die einst auf der Sietaswerft in Hamburg Neuenfelde begann und nach deren Insolvenz bei Blohm + Voss in Hamburg fortgeschrieben wurde, gleicht einer Tragödie. Der ursprüngliche Auftragswert betrug 95 Millionen Euro, die vorige Bundesregierung musste für den Weiterbau bei Blohm + Voss 47 Millionen Euro nachschießen. Wann das Schiff in Dienst gestellt wird, ist nicht bekannt. In diesem Jahr ist kaum noch damit zu rechnen. Antrieb und Elektronik - der Auftrag zum Bau des Schiffs erfolgte 2012 - gelten schon jetzt, vor Inbetriebnahme, als völlig veraltet. Und es kommt etwas Entscheidendes hinzu: Anders als die "Nordsee" ist die "Osteriff" nicht für die Ölbekämpfung und Havarien ausgelegt. Ursprünglich sollte das Schiff 2019 ausgeliefert werden. Rechnet man die seither angefallenen Kosten für die Unterhaltungsbaggerei, mit denen stattdessen Privatreedereien beauftragt werden mussten, hinzu, könnte der wirtschaftliche Verlust insgesamt fast 460 Millionen Euro betragen. Selbst wenn die "Osteriff" eines Tages eingesetzt werden könnte, wird sie bis zu 7,5 Millionen Kubikmeter Sand und Schlick pro Jahr baggern. Immer noch viel zu wenig, um an das 25-Prozent-Ziel des Bundes heranzukommen.
Auch die Privatreedereien, vornehmlich aus den Beneluxländern, haben ihre Schiffe nicht für die Ölbekämpfung ausgerichtet. Das war nie Teil der Ausschreibungen. Und offenkundig haben sie auch kein Interesse, ihre weltweit einsetzbaren Laderaumsaugbagger den speziellen Revieren der deutschen Bundeswasserstraßen anzupassen - schon gar nicht, wenn sie sich bei den Ausschreibungen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung immer wieder aufs Neue bewähren müssen und nicht sicher sein können, den Auftrag zu erhalten.
Staat könnte neue Schiffe an Reedereien verchartern
Eine Lösung könnte die Verlängerung der Vergabedauer sein. Eine andere Variante wäre die Umstellung des Baggerwesens auf eine öffentlich-private Partnerschaft. Die Privatreedereien wollen nicht ins Risiko gehen und selbst Schiffe bauen, die sie nur in bestimmten Revieren einsetzen können.
Die Schifffahrtsverwaltung zögert nach den schlechten Erfahrungen mit dem Bau der "Osteriff" ebenfalls. Außerdem müsste sie sich mit dem Personaleinsatz und den betrieblichen Aufwendungen, Ersatzbeschaffungen, Reparaturen und vielem mehr herumschlagen, was derzeit nicht der Fall ist.
Würde man aber ein System anwenden, das im Regionalverkehr auf der Schiene seit langem üblich ist, könnte beiden Seiten gedient sein. Der Staat würde demnach die Schiffe bauen und sie per Ausschreibung an private Reedereien über einen längeren Zeitraum verchartern. Diese hätten sich um den laufenden Betrieb zu kümmern, ums Personal, Treibstoff, Ausstattung und Reparaturen.