Die große Wurstfrage
Seit vielen Jahren begeistert die Kolumne "Moin Cuxhaven" die Leserinnen und Leser der Cuxhavener Nachrichten. Inzwischen sorgt die Rubrik auch auf cnv-medien.de für Unterhaltung und Information. Heute geht es "um die Wurst".
Deutschland diskutiert wieder über Grundsätzliches. Nicht über Armut, Klima oder Bildung. Nein - über Wurst. Genauer: über die Frage, ob eine vegane Bratwurst noch "Bratwurst" heißen darf. Die Republik ringt also um ihr letztes Stück kulturelle Identität - ausgerechnet zwischen Rost und Soja. Man möchte lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Oder umgekehrt.
"Achtung, enthält kein Tier. Nur Pflanzen. Keine Panik."
Mir ist das offen gesagt so Wurst, so etwas von wurst. Denn wer fühlt sich ernsthaft bedroht, wenn im Kühlregal neben der Thüringer plötzlich eine Tofuwurst liegt? Gibt es Menschen, die morgens aufstehen und denken: "Heute verteidige ich mein Fleisch gegen Erbsenprotein"? Das Argument der Verbrauchertäuschung wirkt da fast rührend. Auf der Packung steht in Lettern so groß wie ein Fußballfeld vegan - und doch fürchtet man den Moment, in dem jemand ahnungslos hineinbeißt und keine Spur Schwein findet. Vielleicht sollten wir künftig Warnhinweise einführen: Achtung, enthält kein Tier. Nur Pflanzen. Keine Panik. Natürlich, geschützte Herkunftsbezeichnungen - Nürnberger, Thüringer - sind sinnvoll. Aber eine "Wortpolizei", die darüber wacht, ob Soja "Wurst" heißen darf, ist sprachlich wie politisch eine Stilblüte. Dann bitte konsequent: Vegane Mettwurst wird zu Sojaschlonz, vegane Milch zu Haferwasser mit Frühstücksoption, veganes Steak zu pflanzlicher Flachpressung. Niemand will das kaufen, aber Hauptsache, die Begriffe sind rein.
Währenddessen warten echte Probleme
Und wo endet das? Darf Vanillepudding ohne Milch noch Pudding heißen - oder wird daraus ein Dessertgel auf Pflanzenbasis mit Vanilleandeutung? Vielleicht brauchen wir bald ein Bundesamt für Wurstintegrität, mit Prüfsiegeln und Ethikkommission. Währenddessen warten echte Probleme. Aber nein, wir grillen uns lieber an Nebenschauplätzen.
Die Angst vor Soja scheint größer als die vor Stillstand. Sprache soll Orientierung geben, nicht Ideologie. Eine vegane Bratwurst ist eine Bratwurst - ohne Tier, mit Geschmack, ehrlich beschriftet. Wer das nicht versteht, ist nicht Opfer von Vegan-Propaganda, sondern schlicht nicht lesekompetent. Also bitte: weniger Aufregung! Nennt es Wurst, nennt es Sojarolle, nennt es Gemüseknacker. Hauptsache, wir behalten den Humor. Es gibt wahrlich größere Würste zu braten.