Vor 50 Jahren, im Februar 1968, schlugen die Wellen hoch, als Oswalt Kolle den Streifen "Das Wunder der Liebe" präsentierte. Foto: red
Vor 50 Jahren, im Februar 1968, schlugen die Wellen hoch, als Oswalt Kolle den Streifen "Das Wunder der Liebe" präsentierte. Foto: red
7. Serienteil

Als die Sexfilmwelle ins Cuxland schwappte

von Christian Mangels | 22.11.2018

KREIS CUXHAVEN. Als die heutigen Alt-68er noch Jung-68er waren, geschah in den Kinos etwas Unerhörtes: Der deutsche Film machte sich frei.

Vor 50 Jahren kam Oswalt Kolles erster Streifen, "Das Wunder der Liebe", auf die Leinwand - und sorgte auch im Cuxland für Aufsehen.

Wer an das Kinojahr 1968 denkt, der schwärmt von Musikfilmen wie "Yellow Submarine" und "Monterey Pop". Vielleicht denkt man aber auch eher an die Science-Fiction-Streifen "Planet der Affen" und "2001: Odyssee im Weltraum". Aber was hat tatsächlich Erfolg an deutschen Kinokassen? Die Hits des Jahres 1968 sind frech, frivol und aufklärerisch: Die Komödie "Zur Sache, Schätzchen" mit Uschi Glas und die Sex-Klamotte "Die Nichten der Frau Oberst" locken die Menschen massenweise in die Filmtheater. Und natürlich: "Das Wunder der Liebe" des Journalisten und Produzenten Oswalt Kolle.

Kolles Aufklärungsfilm, der am 1. Februar 1968 im Hamburger Passage-Kino Weltpremiere feiert, zeigt zunächst - etwas hüftsteif - eine Fachdiskussion zwischen Kolle, dem Psychologen Wolfgang Hochheimer und dem Sexualforscher Hans Giese. Anhand zweier Fälle erörtern sie sexuelle Schwierigkeiten eines jungverheirateten und eines schon sieben Jahre verheirateten Paares. Spielszenen illustrieren die Thematik. Sie werden immer wieder von Kommentaren unterbrochen, die auf die Folgen mangelnder Aufklärung hinweisen.

Der Film sorgt in ganz Europa für Furore und Skandale; ein Staatsanwalt will Kolle sogar verhaften lassen. Auch in den Medien schlagen die Wellen hoch: Ist das Aufklärung, ein Sexfilm, oder gar Pornografie? Das Cuxhavener Publikum ist also entsprechend vorgewarnt, als "Das Wunder der Liebe" am 23. Februar - drei Wochen nach der Hamburger Premiere - im Gloria-Palast anläuft. Das Interesse ist enorm: "Achtung! Die Kartennachfrage für diesen ab Freitag kommenden Film ist auch in Cuxhaven schon außergewöhnlich groß", informiert das Gloria wenige Tage vor dem Kino-Start.

"Aufregend waren ja bereits die Plakate und Filmfotos im Schaukasten des Kinos", erinnert sich der Cuxhavener Ralf Fröhlich, der damals 18 Jahre alt war - alt genug, um den Film sehen zu dürfen. In Damen-Begleitung gehen er und seine Freunde aber nicht in den Film, dafür sind sie zu schüchtern: "Wir genossen die Szenen mit unserer reinen Jungs-Clique."

Zwei Wochen lang ist der Kinosaal an der Deichstraße restlos ausverkauft. "Es gab zeitweise sogar Warteschlangen", erzählt die Nordholzerin Brigitte Allmers gegenüber unserer Zeitung. Nach dem Gloria-Gastspiel wird der Kolle-Streifen noch eine Woche in den Kammer-Lichtspielen am Alten Deichweg gezeigt. Weitere Kinos ziehen nach.

"Schweißgebadet ging man aus dem Film heraus, denn Sexualität war ja noch ein großes Tabu", erinnert sich die Hemmoorerin Erika Semken, die das "Wunder der Liebe" in Stade gesehen hat.

Der Oswalt-Kolle-Film ist der Auftakt zu einer ganzen Welle von Sex- und Aufklärungsfilmen, die in Cuxhavener und Hadler Kinos in den kommenden Monaten für Wirbel sorgen. "Eibsens Lichtspiele" in Otterndorf präsentieren im Februar 1968 den Aufklärungsfilm "Helga" (in dem eine Geburt gezeigt wird), das Bali in Cuxhaven bringt im März den schwedischen Streifen "Ich bin neugierig" (mit damals skandalösen Sex-Szenen) auf die Kinoleinwand. In der "Schauburg" in Stade ist "Die Sünderin" mit Nackedei Hildegard Knef zu sehen, im "Cuxhof" läuft Mitte März der Russ-Meyer-Film "Lorna - Zuviel für einen Mann".

Und auch in den Kneipen gibt es mitunter Schlüpfriges zu sehen. Die Cuxhavenerin Virginia Stüben erinnert sich an entsprechende Vorführungen in der Gaststätte "Bei Lulu": "Unsere mehrfachen Versuche, endlich einen Sex-Film zu sehen zu bekommen, schlugen allerdings fehl. Sobald wir Mädchen die Tür aufmachten, wurde der Film abgestellt."

Unsere Serie "Die 68er im Cuxland":

1968 - was ist damals von der Protest- und Aufbruchsstimmung in den Norden geschwappt? Darum geht es in unserer Serie "Die 68er im Cuxland". Im letzten Teil am kommenden Donnerstag wollen wir noch einmal die Leser und Leserinnen zu Wort kommen lassen: Wie haben Sie das Jahr 1968 erlebt? Schicken Sie uns Ihre Erinnerungen und Fotos an die CN/NEZ-Redaktion, Kaemmererplatz 2, 27472 Cuxhaven. E-Mail: mangels@nez.de

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Christian Mangels

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Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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