
Als Flüchtlinge nach Otterndorf kamen
OTTERNDORF. Vor genau drei Jahren brachte die Flüchtlingswelle zahlreiche Menschen nach Otterndorf. Das Feriencamp wurde über Nacht zum Flüchtlingscamp. Von Wiebke Kramp
Erstaunlich schnell stellte sich im Camp Alltag ein. Kinder rollerten über das Gelände, Frauen hängten ihre Wäsche zwischen den Zelten auf, Männer trafen sich zum Rauchen und Reden, Jugendliche spielten Fußball oder Billard.
Die Menschen aus Syrien, Afghanistan oder Nordafrika konnten dort die Strapazen ihrer Flucht hinter sich lassen und Kraft tanken für ihren Start ins neue Leben in der Fremde. Sie kamen zur Ruhe - und trafen auf durchweg wohlwollende Unterstützung.
Unausgesprochen einig hatten die Menschen dieser Region "Wir schaffen das" zum Leitmotiv erkoren. Willkommenkultur war keine Worthülse. Damals war es gelebte Wirklichkeit. Täglich machten sich zahlreiche Ehrenamtliche auf den Weg nach Müggendorf. An der Tagesordnung waren Übersetzungsdienste, Sprachunterricht oder Freizeitgestaltung.
Ein Drehbuch gab es nicht, vielmehr wurde nach Lage gelebt. Die Johanniter - im Zusammenspiel mit Kreis, Samtgemeinde, Feuerwehr, Krankenhaus und Kirche sowie zahlreiche Ehrenamtliche - organisierten einen gut funktionierenden Betrieb. Die Samtgemeinde stellte den Bus-Shuttle zwischen Müggendorf und Otterndorf sicher. Aus dem Nichts entstand in der leerstehenden Feuerwache in Otterndorf eine Kleiderkammer.
Rückblende: Als sie vor drei Jahren in Otterndorf ankamen, sprachen sie kein Wort Deutsch, hatten aber Universitätsabschlüsse im Gepäck und von der ersten Stunde den festen Willen, die Sprache zu lernen und im Gastland zu bleiben.
"Ich werde mich immer erinnern an die Angst, die wir mitgebracht haben - und an die Kälte", sagt Hadil "Wir gewöhnten uns aber schnell an das Leben im Camp", erzählt Amer. "Hier weckten uns keine Bomben auf, wir konnten schlafen und zur Ruhe kommen." Schon nach zwei Wochen fühlte es sich wie Heimat an. "Eine Heimat ohne Krieg und mit so vielen netten Leuten, die wir kennen gelernt haben." Vom ersten Tag an halfen beide mit, sich für die Allgemeinheit zu engagieren.
"Unser Leben hat sich schnell verändert und wir haben uns schnell daran gewöhnt ", sagen sie. Vorkommnisse wie in Chemnitz besorgen sie. Aber hier sei es anders als in den großen Städten - und die meisten Leute seien nett zu ihnen, versichern sie. Aber manchmal spüren sie doch die misstrauischen Blicke und Vorbehalte. "Wir müssen Vorbilder sein. Schließlich sind wir die fremden Leute und als Gäste hier", betonen sie in ausgezeichnetem Deutsch. Hadil - eine selbstbewusste, gebildete Frau - will bewusst ihren Hidjab nicht ablegen. Die Kopfbedeckung sei ihr als Ausdruck ihres Glaubens wichtig.
"Bevor Bund und Land handeln konnten, haben die Gemeinden längst agiert und auf die besondere Situation reagiert", erinnert sich Zahrte. "Es waren eben außerordentliche Tage. Wir hatten keinerlei Möglichkeiten die Lage im voraus zu planen. 400 Menschen kamen in Bussen an und mussten von uns versorgt werden".
Im Gedächtnis haften bleibt das Zusammenspiel der Johannitern, Feuerwehr, Kreis oder Klinik sowie der große Einsatz der Ehrenamtlichen. Das Miteinander und Füreinander in dieser Notsituation nennt er "gelebter Humanismus". Während es anderswo in Deutschland Probleme im Aufeinandertreffen von Kulturen gebe und es zu einem Wandel der Einstellung gekommen sei, gebe es bei uns vor Ort wenig Probleme, viele gute Beispiele und nach wie vor eine eine große gesellschaftliche Bereitschaft von Ehrenamtlichen.