
American Football in Cuxhaven ausprobiert
CUXHAVEN. Die Sportredaktion der Cuxhavener Nachrichten und der Niederelbe-Zeitung probiert Sportarten im Selbstversuch aus.
Die Sportlandschaft in unserer Region ist sehr vielfältig. Um einmal einen Einblick in die Bandbreite zu geben, wagen wir CN/NEZ-Sportredakteure Selbstversuche. In unserer Serie "Sportlich von A bis Z" werden wir ausgewählte Sportarten präsentieren. Es beginnt mit A wie American Football, ein wieder aufstrebender Sport in Cuxhaven - er ist körperlich hart, aber auch geistig fordernd.
Aufgeregt bin ich schon ein bisschen, als ich die teilweise muskelbepackten Hünen sehe. Aber auch eher schmächtige Jungs sind dabei - dazu zählt jedoch nicht der Koloss mit dem alten Northstars-Trikot. Die Nummer 93 ist kräftig, der Durchmesser seiner Unterschenkel oder seiner Oberarme übertrifft den meiner Oberschenkel. Marcus Behrendt ist heute der Gast-Coach. Der 45-jährige Cuxhavener gehört der früheren legendären Northstars-Truppe an, war auch aktiv für Weyhe, Cloppenburg und die Seahawks in Bremerhaven. In der Seestadt ist er immer noch dabei, aber nun als ein Trainer der A- und B-Jugend. "Mein Sohn spielt da", erklärt der C-Lizenz-Inhaber, der sich über die Wiederbelebung des American Footballs in seiner Heimatstadt wahnsinnig freut. "Ich wohne nur wenige Hundert Meter weg vom Sportplatz, und ich helfe hier gern." Headcoach Andre Bernhardt (29) kommt das gelegen. Der Cuxhavener mit Spielerfahrung bei den Bremen Bulls kann so heute mehr als Aktiver an den Übungseinheiten teilnehmen.
Finger an die Naht
Mit ein paar lockeren Würfen beginnt das Training. Coach und Betreuer Dirk Schmidt (47), ebenfalls ein ehemaliger Northstars-Spieler, gibt mir Tipps, wie der eiförmige Ball am besten fliegt. Gar nicht so einfach, dass das Spielgerät einigermaßen ruhig in der Luft und so für den Fänger kontrollierbar ist. "Die Finger müssen an die Naht. Und möglichst weit hinten anfassen", höre ich mehrfach. Kontinuität sieht zwar anders aus, aber immerhin gelingt der eine oder andere Wurf. Aber als gelernter Basketballspieler habe ich bei dieser Aufgabe auch hohe Ansprüche an mich selbst.
Es ertönt ein Pfiff aus der Trillerpfeife von Gastcoach Marcus. Die zwei Dutzend Spieler stellen sich im Halbkreis auf, hören erst einmal eine klare Ansprache. "American Football ist ein Karambolage-Sport", mahnt der Trainer. Das sollte eigentlich mein Sport sein, schließlich brachte ich es in früheren Tagen zu Titeln im Karambolage-Billard, aber das war doch eher weniger körperlich, wie ich im Verlauf des Trainings noch merken sollte.
Disziplin oberstes Gebot
"Disziplin ist das oberste Gebot. Ich muss mich immer konzentrieren, damit grenze ich das Verletzungsrisiko ein, ich minimiere es", sagt Marcus mit rauer und bestimmender Stimme. Beim Blick auf die am Spielfeldrand bereit liegende Schutzkleidung und dem Wissen, dass ich so etwas heute nicht tragen werde, wird mir doch ein wenig mulmig. Das Teamgefüge sei entscheidend. Marcus peitscht uns ein, wie ein Drill-Instructor hämmert er seine Worte raus: "Wir sind zusammen auf dem Platz, zum Gewinnen oder zum Verlieren. Immer gemeinsam. Und solange gespielt wird, wird auf dem Platz gerannt. Jeder muss das umsetzen, was der Coach sagt." Ehrfürchtiges Nicken ist die Reaktion des Teams, das erst einmal auf drei Einlaufrunden geschickt wird. Der Center, er ist derjenige, der bei einem Spielzug, die Pille durch die Beine zum Quarterback spielt, gibt das Tempo vor. Auch die anschließenden Sprintübungen oder Bewegungsübungen für das Abwehrverhalten sind für einen durchschnittlich trainierten Menschen machbar. Der Lauf über kleine, dicht hintereinander aufgestellte Hürden und durch Autoreifen erfordert schon Koordination und Konzentration.
Nach einer kurzen Trinkpause wird es allmählich ernst. Die Profis legen sich ihre Schutzausrüstung an: Helm, Mundschutz, Schulterpads, Hüftpads, Steißbeinschutz, Suspensorium, Oberschenkelpads und Kniepads - alles zusammen gebraucht zu erwerben vielleicht für 250 Euro, neu angeschafft ist man da schon mal locker 750 Euro oder mehr los.
Coach Marcus sah zwar schon vorher fast so aus, als ob er Schulterpolster und Co. getragen hätte, nun legt aber auch er die Ausrüstung an. Er ist bei der ersten Übung mit Körperkontakt unser Gegner. Mutig sollen wir mit angewinkelten Armen, aber nach oben zeigenden Daumen, die Handflächen gegen seinen Oberkörper stemmen und dabei die Arme dann ausstrecken. Das Wegschubsen will gelernt sein. Beim ersten Versuch rutsche ich ab und knie förmlich vor dem Trainer nieder.
Es kracht ordentlich bei den anderen, wenn Schutzausrüstung auf Schutzausrüstung prallt. Mein zweiter Versuch: Noch mehr nach vorn, mit noch mehr Kraft. Mein Kopf und Marcus Helm machen miteinander Bekanntschaft. Wer dieses Aufeinandertreffen gewonnen hat, ist klar. Meine Unterlippe blutet innen etwas, aber ich lass mit nichts anmerken. "Gut gemacht! Alles klar?", sagt Marcus. "Alles gut Coach", lautet meine Erwiderung, während ich mir denke: Jetzt hast Du Blut geleckt.
Als Tight End eingesetzt
Zum Abschluss ist Spielen angesagt. Elf gegen Elf, wie beim Fußball, aber es ist so vieles anders. Es geht zum Beispiel nicht wild hin und her, sondern es gibt eine Offensivmannschaft und ein Defensivteam. Coach Marcus versammelt sein Team um sich, packt seine laminierten Spielzüge für die Offensive aus. Die Positionen sind für die meisten klar. Zu mir sagt der Trainer, während er mit seinem Finger auf den aufgemalten Spielzug zeigt: "Du bist der Tight End. Du stehst hier." Ja und dann? Klarer Auftrag: "Du blockierst den Verteidiger vor Dir!" Mein Gegenüber kommt nicht an mir vorbei. Wie ich später erfahre, war mein Einsatz nicht ganz regelkonform. Angreifer dürfen nur mit den Händen schubsen, festhalten ist nicht erlaubt. Unser Angriff war mittelprächtig.
Die Pille fallen gelassen
Der Coach gibt einen neuen Spielzug heraus: "Der Tight End soll den Ball bekommen." Erschrocken schaue ich Marcus an und sage: "Das bin ja ich." Er antwortet: "Genau. Du läufst jetzt drei, vier Meter geradeaus auf den Verteidiger zu und biegst dann im 90-Grad-Winkel nach rechts ab und bekommst dann den Ball." Gesagt, getan, aber ich drehe mich einfach zu spät um. Im Rückwärtsfallen berühre ich die Pille, kann sie aber nicht kontrollieren. Die Abwehr freut sich.
Neuer Versuch. Coach: "Wir machen dasselbe noch mal." Ich ziehe meinen Laufweg durch, aber unser Quarterback hat die Übersicht, sieht auf der anderen Seite einen noch besser postierten Mitspieler. Raumgewinn geschafft. Und im folgenden Angriff läuft es noch besser. Ein super Pass erreicht einen Mitspieler, der prescht durch die Abwehr, schlägt dabei wie ein Hase diverse Haken und: Touch down!
Weitere Informationen
Mitte der 1990-er-Jahre sorgten die Cuxhaven Northstars für Furore. Das American-Football-Team wurde dann aber nach zehn erfolgreichen Jahren aufgelöst. Die Szene lag lange brach. Jetzt gibt es die Wiederbelebung bei Rot-Weiss Cuxhaven.
Seit Juni trainieren die RW Cuxhaven Seagulls auf dem Strichweg-Sportplatz. Schon mehr als zwei Dutzend Spieler sind dabei. Ziel ist es, 40 Mann zu haben. Um am Punktspielbetrieb teilnehmen zu dürfen, muss ein Verein 35 Aktive mit Spielerlizenz vorweisen.
Das Training findet dienstags ab 18.30 Uhr auf dem Strichweg-Sportplatz statt. Wer Interesse hat, ist gern gesehen. Sportliche Kleidung und Stollenschuhe sollten mitgebracht werden. Team-Captain André Neumann, Telefon 0171-62 34 608, steht für weitere Informationen zur Verfügung.
Ein Video von der Einheit gibt es hier.