
An der Klinik Otterndorf beginnt eine neue Ära
KREIS CUXHAVEN. Nun haben Kreis Cuxhaven und Samtgemeinde Land Hadeln das Sagen an dem Krankenhaus Land Hadeln in Otterndorf. Aber was bedeutet denn das im operativen Geschäft?
Als die drei Herren für das Pressefoto posierten, fragte die vor der Otterndorfer Klinik auf der Bank sitzende ältere Dame, ob denn die Rekommunalisierung jetzt vollzogen sei. Landrat Kai-Uwe Bielefeld, Samtgemeindebürgermeister Harald Zahrte und Interims-Geschäftsführer Manfred Junge bestätigten ihr dies. Ihr erfreuter Kommentar: : "Das ist gut und richtig so, denn Krankenhäuser gehören in die öffentliche Hand." Diese Szene scheint exemplarsich, beweist sie doch öffentliches Interesse an einem Gesundheitssystem, in dem nicht Profit Maß aller Dinge ist.
"Natürlich werden auch wir auf die Zahlen achten und uns wirtschaftlich ausrichten müssen", hatte Kai-Uwe Bielefeld zuvor im Pressegespräch erläutert. Aber es gebe Unterschiede zu einem privaten Träger: ",Wir müssen eben keine 15 Prozent Rendite abführen, sondern möchten reinvestieren - in das Krankenhaus und in das Personal."
Gericht lehnt Beschwerde ab
Auf den letzten Metern zur Übernahme des in Insolvenz geratenen Hauses wurde es zwar noch etwas ruckelig. Aber das Landgericht Stade habe die Beschwerde der Altgesellschafter als unzulässig verworfen, sagte der Landrat. Nun ist es also amtlich und die Tinte unter den notariellen Verträgen trocken: Der Landkreis Cuxhaven unterhält 74,9 Prozent der Otterndorfer Krankenhausgesellschaft, die Samtgemeinde Land Hadeln 25,1 Prozent. Dies gilt auch für die drei Tochtergesellschaft Ambulantes Therapiezentrum. Service-Gesellschaft sowie das Medizinische Versorgungszentrum in Cuxhaven. Insgesamt 330 Mitarbeitende sind an dem 94-Betten-Haus beschäftigt.
"Beispielhaftes Zusammenspiel"
Landrat Bielefeld und Samtgemeindebürgermeister Zahrte lobten unisono in dem Übernahmeprozess ein beispielhaftes Zusammenspiel aller Beteiligter von Politik bis Sozialministerium - und sie zeigen sich froh, dass Manfred Junge sich bereit erklärt hat, seinen Ruhestand zu verschieben und vorerst die Geschäftsführung des Hauses zu übernehmen. Er war bis 2016 in Otterndorf als Verwaltungsdirektor beschäftigt. Ihm in die Arbeit hineinfunken möchten die neuen Klinik-Eigentümer nicht: "Wir achten darauf, dass die Zahlen stimmen, ansonsten gilt die Devise, den Geschäftsführer machen zu lassen." Anfang November werde sich der Klinik-Aufsichtsrat konstituieren.
Deutlich machten die neuen Krankenhaus-Eigner: An den medizinischen Strukturen des Hauses der Grund- und Regelversorgung werde nicht gerüttelt, vielmehr möchte man sie auf Basis des Bestehenden weiter ausbauen. Die Klinik verfügt über eine Unfall- und Viszeralchirurgie sowie die Innere Abteilung. Die Geriatrie und eine orthopädische Abteilung runden das Spezialangebot ab. Perspektivisch können sich alle vorstellen, die Geriatrie aufgrund der Altersstruktur weiter auszubauen - zurzeit sind dort 24 Betten. Vorstellbar sei auf diesem Gebiet eine stärkere Zusammenarbeit mit niedergelassenen Geriatern.
Steigende Auslastung bemerkt
Manfred Junge berichtete von einer steigenden Auslastung: "Die Patienten kommen wieder zu uns, die niedergelassenen Ärzte schenken uns wieder Vertrauen und wir selber haben sehr gute Ärzte", sagt der Klinikchef selbstbewusst. Laut Wirtschaftsprognose könne die Klinik bei Hochfahren der Leistungen allerdings erst ab 2025 schwarze Zahlen schreiben. Hintergrund sind Abrechnungsmodalitäten wie der so genannte Fixkostendegressionsabschlag, den Krankenkassen fordern.
Personell sei das Haus gegenwärtig gut aufgestellt, dennoch gebe es Vakanz die er zügig beenden möchte, erläutert Junge. Neben einer neuen Pflegedienstleitung suche man aktuell noch Fachärzte. Freie Stellen gebe es zum Beispiel im Bereich Gastroenterologie, Anästhesie und Geriatrie. Und für das MVZ Cuxhaven seien demnächst die Orthopädie- und der Hausarzt-Stelle neu zu besetzen, weil sich das Medizinerehepaar Rundt leider neu orientiere.
Manfred Junge, der sich bereit erklärt hatte, seinen Ruhestandsbeginn zu verschieben, bis ein neuer Geschäftsführer gefunden ist, zeigte Zuversicht, zügig diese Vakanzen zu füllen. Auf dem pflegerischen Sektor hat er schon gestiegenes Interesse am kommunalen Arbeitgeber ausgemacht. "Wir haben schon jetzt ohne Ausschreibungen sechs Initiativbewerbungen erhalten." Auf seine Verwaltungsmannschaft könne er sich verlassen, betonte der neue Chef. Viele Mitarbeitende kennt er noch aus seiner früheren Tätigkeit im Haus. Auch seinen Stellvertreter Andreas Knust, der mittlerweile auch Prokura erhalten hat und damit zeichnungsberechtigt.
Privatisierung, Insolvenz, Rettung
Das Kreiskrankenhaus Land Hadeln wurde 2005 privatisiert. Es ging an die Deutschen Kliniken. Diese Gesellschaft wiederum wurde an den schwedischen Capio-Konzern verkauft und als Capio Deutsche Klinik GmbH geführt. Die Capio AB wurde 2018 von dem französischen Krankenhauskonzern Ramsay Sante übernommen, der sich von den drei Kliniken Otterndorf, Bad Brückenau und Dannenberg im vorigen Jahr trennte.
Hauptgesellschafter von drei eigenständigen Krankenhausgesellschaften wurden die Geschäftsführer Sigurd Gawinski und André Eydt sowie fünf weitere Teilhaber. Sie schafften es nicht, Otterndorf und ruhiges Fahrwasser zu bringen.
Ab 23. März 2021 befand sich die Klinik in Insolvenz, zunächst in Eigenverantwortung. Am 1. Juli 2021 eröffnete das Amtsgericht Cuxhaven das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft und bestellte Dr. Christian Kaufmann zum Insolvenzverwalter..
12. Juli 20121: Kreistag und Samtgemeinderat Land Hadeln geben ihr einstimmiges Placet zur Übernahme der Klinik ab.
20. Juli 2021: Der Gläubigerausschuss spricht sich für das Angebot des Landkreises Cuxhaven aus und damit für die Rekommunalisierung des Krankenhauses Land Hadeln.
17. September 2021. Die Gläubiger der Krankenhaus Land Hadeln Otterndorf GmbH stimmten dem vorgelegten Insolvenzplan mit einer großen Mehrheit von 97,75 Prozent zu.
Ende September 2021: In Bremen haben Landrat Bielefeld und Samtgemeindebürgermeister Zahrte auf Grundlage der Beschlüsse des Kreistages und des Samtgemeinderates den Gesellschaftsvertrag und den Konsortialvertrag zur Übernahme des Krankenhauses in die kommunale Trägerschaft unterzeichnet und notariell beurkunden lassen.