Andrea Reinke mit seinen Erinnerungen vor sich von den Olympischen Spielen in Seoul. Im Hintergrund Landschafts-Fotografien von ihm. Foto: Lütt
Andrea Reinke mit seinen Erinnerungen vor sich von den Olympischen Spielen in Seoul. Im Hintergrund Landschafts-Fotografien von ihm. Foto: Lütt
Rudern

Andreas Reinke ruderte 1988 bei Olympia für Deutschland - und was macht er heute?

von Frank Lütt | 15.03.2022

OTTERNDORF. Andreas Reinke ist einer der ganz wenigen Olympioniken, die im Landkreis Cuxhaven leben. Er ruderte 1988 bei Olympia in Seoul.

Der Otterndorfer nahm 1988 als Ruderer an den Olympischen Spielen im südkoreanischen Seoul teil.

Ruhe und Bewegung

Auch wenn seine Karriere bei diesem Ereignis nicht mit Edelmetall gekrönt wurde, so war es definitiv der Höhepunkt in seinem sportlichen Leben - allein die Eindrücke aus dem olympischen Dorf sind tief in ihm haften geblieben. Heute genießt der Manager einer weltweit agierenden Firma in seiner Freizeit die Ruhe, aber Bewegung ist immer noch ein elementarer Teil seines Lebens.

Als Kind Rückenbeschwerden

Dass Andreas Reinke überhaupt zum Rudern gekommen ist, das verdankt der heute 59-Jährige einem Arzt. In seiner Kindheit in Braunschweig litt er unter Rückenbeschwerden. Ein Mediziner riet zum Sport, am besten eine Sportart, bei der die Rückenmuskulatur gestärkt wird. "Der Ruderklub war direkt neben meiner Schule", erinnert sich Reinke an die Anfänge. Mit zehn Jahren begann die Karriere mit den Kinder-Slalomwettbewerben. Zwei Jahre später folgten die ersten Rennen im Vierer, aber ab 1977 "war die Spielerei vorbei". Das war mit dem Eintritt in die Juniorenklasse. Reinke: "Dann macht man es richtig oder man lässt es sein."

Jugend- und Junioren-WM

Und obwohl er in den Altersklassen immer einer der Jüngsten war, weil er im Dezember geboren wurde, folgten im Einer die Erfolge Schlag auf Schlag: 1978 Deutscher Meister der 16-Jährigen, 1979 und 1980 DM-Titel bei den 18-Jährigen. Mit dem Gewinn der beiden zuletzt genannten Titel qualifizierte er sich jeweils für die Junioren-Weltmeisterschaft. In Moskau und im belgischen Hazewinkel holte er jeweils Silber. Als 18-Jähriger startete Reinke sogar im Einer bei der U23-DM und wurde überraschend Zweiter. Die Gegner waren teilweise vier Jahre älter. "Ich war in meiner Karriere auch noch immer etwas kleiner und hatte ein paar Kilogramm weniger drauf als die anderen", erinnert sich Reinke.

Umstieg in Zweier und Vierer

Als er dann im U23-Bereich angekommen war, fuhr er weniger Einer, sondern stieg in Zweier- und Vierer-Boote. "Also Doppel-Zweier und Doppel-Vierer", ergänzt er. In diesen Klassen haben die Sportler zwei Ruder in den Händen. Bei den anderen Bootsklassen halten die Sportler ein Ruder mit zwei Händen fest. "Diese Schiefschwingerei habe ich nie gemacht, das habe ich meinem Sohn überlassen", sagt Reinke mit einem Augenzwinkern in Richtung seines Sohnes Carl, der später in die Fußstapfen des Vaters trat und U23-Weltmeister im Achter wurde. Auch der andere Sohn Max war erfolgreicher Ruderer.

Immer Schlagmann gewesen

Für Andreas Reinke war die U23-Zeit auch sehr erfolgreich, er holte mit dem Doppel-Vierer Gold und im Doppel-Zweier Silber bei Weltmeisterschaften. In beiden Booten war er der Schlagmann, saß also im Heck und gab die Schlagzahl vor, im Vierer übernimmt man an dieser Position auch noch die Fußsteuerung.

Sparringspartner für Kolbe

1983 startete Reinke mit seinem Berliner Zweier-Partner schon bei der Herren-DM. Als Vizemeister verpassten sie die WM-Nominierung knapp, aber Reinke wurde als Ersatzmann für die Heim-Weltmeisterschaft in Duisburg vorgesehen. Dementsprechend durfte er auch die Vorbereitung voll mitmachen, unter anderem auch das dreiwöchige Höhentrainingslager in St. Moritz. Dort wurde nicht nur intensiv gerudert, auch Bergläufe standen auf dem Programm. Bei den Rudereinheiten war Reinke Sparringspartner für sein Vorbild Peter-Michael Kolbe, der im Einer fünfmal WM-Gold und dreimal Olympia-Silber holte. "Im Sparring bin ich auch immer gut gestartet. Ich war wirklich schnell und am Start echt flink. Gegen Kolbe habe ich aber keine Sonne gesehen, da war nichts zu machen", muss der Otterndorfer die Übermacht des damaligen deutschen Ruder-Stars eingestehen,

Internationaler kanadischer Meister

Ein Jahr später war Reinke nach U23-WM-Gold als Ersatzmann für die Olympischen Spiele in Los Angeles im Gespräch. "Das klappte aber nicht ganz, dafür hat der Verband mich dann nach Montreal gelassen." Diese Regatta lief nahezu parallel zu Olympia. "Ich bin da internationaler kanadischer Meister geworden", so Reinke, der mit einem Grinsen hinzufügt: "Ich weiß gar nicht, was mir der Titel bedeutet. Und ich weiß auch gar nicht, ob der jemals noch einmal vergeben wurde."

Keine WM-Nominierung

In den Folgejahren lief es nicht so gut. Erst stoppte ein beim Volleyball zugezogener Bänderriss von Reinke das Unternehmen Doppelvierer, dann verpasste das Boot die WM-Quali knapp und im dritten Jahr wäre das Quartett eigentlich soweit gewesen, denn es hatte bei der bedeutenden Regatta von Luzern das Finale erreicht. Die Ruderer um Andreas Reinke glaubten fest an die WM-Nominierung, aber: "Der Verband hat uns nicht nominiert. Das war ein riesiger Frust. Ich war kurz davor, mit dem Rudern aufzuhören." Doch das Ruderteam motivierte sich noch einmal für die Olympia-Saison 1988. Der Ruderverband hatte sich etwas Neues einfallen lassen: Für den Doppel-Vierer musste die Olympia-Qualifikation über die Zweier erfolgen. Reinke gewann mit seinem neuen Partner Georg Agrikola einen frühen Leistungstest, ehe es in Ratzeburg dann wirklich um die Tickets nach Seoul ging. Vier Zweier waren eingeladen. Die Trainer erklärten, dass drei Ruderer für das Olympia-Boot gesetzt sind - darunter auch Andreas Reinke als Schlagmann. Der vierte Mann wurde aus den übrigen fünf durch Ausscheidungsrennen ermittelt. Das Auswahlverfahren schien aufzugehen, denn beim ersten Auftritt, die internationale Regatta in Essen, schlug der deutsche Vierer den amtierenden Weltmeister Russland.

Vor Finale Hebel verändert

In Südkorea war nach überstandenen Vorlauf das Halbfinale mühsam, aber unterm Strich erfolgreich. Vor dem Finale gab es Diskussionen. Einige wollten Veränderungen an den Hebelverhältnissen der Ruder vornehmen, Reinke gehörte nicht dazu, konnte sich aber nicht durchsetzen. "Das Finale war kein grandioses Rennen, es wäre bestimmt besser gegangen, wenn wir nicht an den Skulls gesägt hätten, da bin ich mir sicher", so der Otterndorfer im Rückblick. Deutschland landete auf dem sechsten Platz.

Begegnung mit Top-Athleten

Trotz des sportlichen Rückschlags schwelgt Reinke gern in Olympia-Erinnerungen: "Allein die Eröffnungsfeier war ein Highlight, wenn man das Gefühl hat, die ganze Welt schaut einem zu beim Einmarsch ins Stadion." Und die Begegnungen mit den Top-Athleten wie Sprint-Ikone Florence Grifftith-Joyner oder Tennis-Star Gabriela Sabatini. Bleibende Eindrücke sammelte er auch beim Besuch von Wettkämpfen, ob Bahnradfahren, Hockey, Fechten, Wasserball oder auch der Olympia-Silber-Lauf von Dieter Baumann über 5000 Meter. Und das olympische Dorf hat es Reinke angetan: "Wo trifft man sonst schon Steffi Graf beziehungsweise wird von ihr versehentlich angerempelt. Ich stand mit ihr gemeinsam in der Reihe an der Essensausgabe."

1989 Karriere beendet

Das nächste Jahr sollte das letzte aktive von Reinke werden. "Ich befand mich im Studium zum Wirtschaftsingenieur in Berlin." Mit einem vierten Platz im Einer bei der DM verabschiedete er sich vom Rudersport.

Beruflich weltweit unterwegs

Der berufliche Werdegang stand nun im Mittelpunkt. Und auch hier zahlten sich Ehrgeiz und Zielstrebigkeit aus. Anfang 1992 begann er bei Schmalbach-Lubeca (heute Trivium Packaging) Cuxhaven - zeitgleich ist Sohn Max auf de Welt gekommen, Carl folgte eineinhalb Jahre später. Die Familie zog von Groden nach Altenbruch während Andreas Reinke die Karriereleiter empor stieg. Von 2002 bis 2006 war er Werkleiter, anschließend verantwortete er diverse Projekte bei dem weltweit agierenden Unternehmen für Metallverpackungen. Reinke hat in weiteren Positionen fast jeden der 60 Standorte von Trivium schon besucht. "Vor Corona habe ich etwa 120 bis 150 Mal pro Jahr ein Flugzeug bestiegen", erklärt er. Er war unter anderem für die Qualitätsentwicklung in Europa verantwortlich, zur Zeit ist er Business-Relationship-Director und sorgt unter anderem für eine Vereinheitlichung der Software weltweit.

Rudertouren auf der Medem

Nach einer stressigen Woche sehnt der in zweiter Ehe lebende Otterndorfer sich nach Ruhe; die findet er am besten beim Blick aus seinem Haus auf die Medem oder noch besser bei einer Rudertour mit seiner Frau Anke auf dem selben Fluss. Die Reinkes sind außerdem absolute Finnland-Fans, auch hier paddeln sie über diverse Flüsse und Seen. Hinzu kommen noch Radtouren, mit dem Rennrad oder dem Liegerad. Anstrengende Etappen durch die Alpen hat der drahtige 59-Jährige auch schon mehrfach mit dem Nachwuchs unternommen. Und alle Aktivitäten werden von Andreas Reinke sorgfältig in selbstgestalteten Fotobüchern festgehalten. Seine beeindruckenden Fotografien zieren auch diverse Wände im Otterndorfer Eigenheim. Zusammen mit den Aufnahmen von seiner Ruderkarriere und denen seiner Söhne hat er sich mittlerweile eine Art Familienarchiv aufgebaut, das beim Durchblättern so manche Erinnerung wach küsst.

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Frank Lütt

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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