
Aus der Börde Lamstedt in die weite Fußballwelt: Was macht eigentlich Wolfgang Rolff?
LAMSTEDT. Auch wenn Wolfgang Rolff in Sachen Fußball ein weit gereister Spieler ist, er weiß, wo er herkommt. Und er kehrt auch immer gern nach Lamstedt zurück, dort hat er seine Wurzeln.
Dabei lebt er zurzeit gut 5000 Kilometer entfernt. Der 61-Jährige genießt nicht nur das warme Wetter in den Vereinigten Arabischen Emiraten, sondern er arbeitet dort in Dubai bei einem (noch) drittklassigen Verein. Ihm gefällt die Aufbauarbeit, die er dort leistet, aber er ist jederzeit offen für Angebote, ob aus dem arabischen Raum oder aus Deutschland.
Das hätten wohl die wenigsten damals in Lamstedt gedacht, dass Wolfgang Rolff einmal solch eine außergewöhnliche Karriere hinlegt. Doch es war schon recht früh deutlich, dass der Junge besonders ehrgeizig war und wie ein Verrückter trainierte. Der jüngste Spross der Familie wuchs mit einem älteren Bruder und drei älteren Schwestern in Lamstedt auf. Hier nutzte er jede freie Minute, um draußen zu bolzen. In den Jugendteams des TSV Lamstedt gehörte er immer zu den besten Kickern. Und so war es nicht verwunderlich, dass andere Vereine anfragten.
Mit Bremerhaven in die 2. Liga
1978 zog es ihn zur Herrenmannschaft des OSC Bremerhaven, mit der er 1980 in die 2. Bundesliga aufstieg. Nach zwei Jahren beim Zweitligisten Fortuna Köln gelang ihm der Sprung in das Oberhaus - und das auch noch heimatnah, nämlich beim Hamburger SV.
Beim HSV war der Mittelfeldspieler zum Leistungsträger herangereift. Das Jahr 1983 ging in die Geschichte des Klubs aus der Hansestadt ein. Das Team unter Trainer Ernst Happel wurde Deutscher Meister (Rolff schoss das entscheidende 2:1 gegen Schalke am letzten Spieltag) und Europapokal-Sieger der Landesmeister (1:0 gegen Juventus Turin in Athen). "Einmalige Erlebnisse damals", schwärmt der Ex-Profi gegenüber unserer Zeitung.
Spiele für Deutschlands Nationalmannschaft
Und es wurde noch besser: In dem Jahr 1983 gab Rolff auch sein Debüt in der Nationalmannschaft. 37 Spiele absolvierte er für Deutschland. Neben den EM-Teilnahmen 1984 und 1988 gehörte die Weltmeisterschaft 1986 in Mexiko zu den Höhepunkten. Im Halbfinale gegen Frankreich stand Rolff dem ansonsten so überragenden Michel Platini auf den Füßen. Der französische Ausnahmekönner kam nicht wie gewohnt zur Entfaltung. Das war der Schlüssel zum Erfolg. Rolff selbst beschreibt es bescheidener, erwähnt die Mannschaftsleistung in diesem Zusammenhang. Deutschland gewann 2:0, unterlag dann aber im Finale Argentinien mit 2:3.
Anschließend, nach vier Jahren in Hamburg, wechselte der Lamstedter zu Bayer Leverkusen, wo er 1988 als Mannschaftskapitän den UEFA-Cup gewann. Es folgte noch eine Handvoll Stationen in seiner Spielerkarriere. Welches Spiel für ihn das schönste war, kann der heute 61-Jährige nicht mit Bestimmtheit sagen: "Es gab so viele tolle Spiele, mit so vielen tollen Mannschaften mit noch mehr tollen Spielern."
Das WM-Halbfinale gegen Frankreich sei schon besonders gewesen: "Das 7:0 mit dem Karlsruher SC gegen Valencia aber auch." Dieses legendäre UEFA-Pokalspiel, auch das Wunder vom Wildpark genannt, war 1993 gegen den spanischen Tabellenführer.
Beendet hat Rolff seine aktive Karriere 1996 bei Fortuna Köln, nach fast 500 Spielen in 1. und 2. Bundesliga, hinzu kommen noch zahlreiche Begegnungen in der französischen Liga und die vielen internationalen Spiele in Vereinswettbewerben oder mit der Nationalmannschaft.
In Köln geblieben
In der Rheinmetropole Köln lebt er auch heute noch mit seiner ebenfalls in Lamstedt aufgewachsenen Frau Andrea, geborene von Rönn, wenn er nicht gerade als Trainer in der Weltgeschichte unterwegs ist. Das Paar hatte sich übrigens 1987 das Jawort gegeben. Wo? Natürlich in Lamstedt, denn Andrea Rolff ist ebenfalls dort aufgewachsen. Das war sogar eine Doppelhochzeit, denn Thomas von Heesen, Wolfgangs Freund und Mitspieler beim HSV, trat dann ebenfalls in den Bund der Ehe. Der damalige Standesbeamte Heino Schiefelbein: "Das war schon was Besonderes. Mit Wolfgangs größerem Bruder Peter habe ich früher oft Skat gespielt. Und Andrea wohnte bei uns in der Nachbarschaft. Als sie klein war, habe ich ihr vorgelesen."
Das Ehepaar Rolff hat einen mittlerweile 29-jährigen Sohn. Yannick ist Fußballprofi. Nach einigem Verletzungspech spielte er zuletzt für einen zypriotischen Zweitligisten und befindet sich aktuell auf Vereinssuche. Vater Wolfgang sagt: "Wenn ein Verein einen Linksfuß braucht, der auf jeder Position spielen kann, dann sollte er sich melden."
Weil Andrea Rolffs Mutter noch in Lamstedt lebt und diverse Verwandte von beiden in der Börde und umzu wohnen, ist das Paar auch häufiger hier anzutreffen, zurzeit geht es eben nicht - zum einen wegen der Corona-Pandemie und zum anderen wegen des aktuellen beruflichen Engagements.
Erinnerungen an Thomas Schaaf
In Dubai bauen die Klubverantwortlichen nicht nur auf den großen Namen von Wolfgang Rolff, sondern eben auch auf seine enorme Erfahrung als Trainer, immerhin feiert er in diesem Jahr das 25-jährige Jubiläum auf der Trainerbank. Dabei ist er ordentlich rumgekommen. Neben mehreren zeitlich kürzeren Stationen im deutschen Fußball sind die neun gemeinsamen Jahre mit Thomas Schaaf beim SV Werder Bremen besonders in Erinnerung geblieben. Später war Rolff auch in Frankfurt und Hannover der Co-Trainer von Schaaf. Jobs im Ausland reizten den gebürtigen Lamstedter aber auch immer. Aserbaidschan, Kuwait und China waren Ziele. Ob er ein zweiter Rudi Gutendorf (Trainer mit den meisten internationalen Engagements) werden wolle, verneint Rolf mit einem Lachen, um dann gleich schwärmerisch hinzuzufügen: "Mir steht halt einfach die Welt offen. Das ist einfach schön." Dass er nun in Dubai bei einem Drittligisten (diese Spielklasse ist in den Vereinigten Arabischen Emiraten erst eingeführt worden) gelandet sei, wäre auch eher durch den freundschaftlichen Kontakt zu dem früheren nordirischen Nationalspieler David McCreery entstanden. Dieser ist Vizepräsident bei dem noch jungen Klub Laval United FC und dessen Sohn ist dort Sportdirektor. Dahinter steht als Förderer ein chinesisches Unternehmen, das ein internationales Videoportal betreibt.
Anfang August kam die Anfrage von McCreery, ob Rolff professionelle Strukturen bei Laval schaffen und eine starke Mannschaft aufbauen könne. "Eine spannende Aufgabe." Im Oktober war es dann so weit und der Lamstedter trat seine Stelle in Dubai an. Das Niveau ist in etwa vergleichbar mit der Regionalliga in Deutschland. Die Mannschaft besteht überwiegend aus Legionären aus Europa und Afrika, aber auch Brasilianer sind dabei.
Wolfgang Rolff bleibt fit
Auf die Frage, ob er selbst denn noch im Training gegen den Ball tritt und mit den Spielern mithalten könne, antwortet er schnell mit einem Schmunzeln: "Mit meinem guten Stellungsspiel geht das schon." Aber im gleichen Atemzug räumt der 61-Jährige ein, dass die Schnelligkeit am Ende doch fehlt, obwohl er dank Fahrradfahren, Crosstrainer und Krafttraining sehr fit sei. "Wenn es zum Beispiel nach dem Gewicht gehen würde, dann könnte ich spielen. Ich habe mein Spielergewicht von damals." Jedoch macht sich ein Knorpelschaden im linken Knie beim Laufen sehr stark bemerkbar.
Aber Rolff ist ja auch als Trainer nach Dubai geholt worden - und das läuft gut. Nach einer sechswöchigen Vorbereitung startete der Verein mit seinem prominenten Coach gleich mit einer Siegesserie in der 15 Mannschaften umfassenden Liga, die zunächst in zwei Gruppen aufgeteilt sind.
Aktuell ist das Team nach der Vorrunde Tabellendritter, nur zwei Punkte hinter einem Aufstiegsplatz. Diese Spielklasse ist insbesondere für junge Spieler gedacht, die in den Klubs auch keine Reichtümer verdienen. Anders sei das schon in der 1. Liga.
"Ich wollte David nur kurzfristig helfen. Bis Dezember sollte das Engagement eigentlich laufen. Dann reifte bei mir der Entschluss, dass ich erst mal bleibe. Alles läuft seinen Weg", stellt Rolff zufrieden fest, dessen Frau Andrea im Dezember von Köln nach Dubai nachreiste. "Das ist natürlich schön, dass wir hier Zeit miteinander haben", so der 61-Jährige, der in diesem Zusammenhang auch hervorhebt, dass das Leben in Dubai trotz Corona mittlerweile fast normal verlaufe. "Alle Geschäfte und Restaurants haben auf. Streng wird aber darauf geachtet, dass die Maskenpflicht und Abstände eingehalten werden." Die Trainingsarbeit ist kaum betroffen. "Wir werden alle regelmäßig getestet. Bei den Spielen gibt es keine Zuschauer", verdeutlicht Rolff.
Saison wird fortgesetzt
In gut zwei Wochen wird die Saison fortgesetzt. "Mal sehen, wie es dann weitergeht", so Rolff, der trotz des Spaßes, den er jetzt mit der jungen Truppe hat, offen für andere Angebote ist. "Wenn Klubs nachfragen aus Bahrain, Kuwait oder Saudi-Arabien, dann höre ich mir das an", erklärt Rolff und fügt noch hinzu: "Natürlich auch, wenn jemand aus Deutschland anruft."
Im arabischen Raum werde sich die aktuell gute Arbeit des Lamstedters bei Laval United herumsprechen, denn die Szene beobachtet sich und läuft sich immer mal über den Weg. So gab es erst vor vier Wochen für Wolfgang Rolff ein freudiges Wiedersehen mit seinem ehemaligen Trainer aus Karlsruher Zeiten, nämlich mit Winfried Schäfer. "Ich habe ihn in Dubai auf einmal auf der Tribüne sitzen sehen. Da haben wir erst mal geschnackt." Der mit seiner hellen Haarpracht auffallende Schäfer hat kürzlich das Traineramt in einem katarischen Spitzenklub übernommen.
Unterm Strich ist es also gut möglich, dass Wolfgang Rolff bald seine nächste Trainerstation in Angriff nimmt. Aber trotz aller Weltoffenheit hofft er, dass die Corona-Pandemie bald so eingedämmt ist, dass er und seine Andrea mal wieder für ein paar Tage in die Börde Lamstedt reisen können.
Höhepunkte:
Erfolge als Spieler: Europapokal der Landesmeister 1982/83 mit dem HSV, UEFA-Cup 1987/88 mit Bayer Leverkusen (als Kapitän), Deutscher Meister 1982/83 mit dem HSV, Vize-Weltmeister 1986 mit der Nationalmannschaft, EM-Teilnahme 1984 und 1988 Erfolge mit der Nationalmannschaft.
Erfolge als Trainer: Deutscher Pokalsieger 2008/09 mit dem SV Werder Bremen, Uefa-Pokalfinalist 2008/09 mit dem SV Werder Bremen, siebemalige Champions-League-Teilnahme, Gulf-Cup 2002 Platz 3 mit Kuwait, West Asienspiele 2002 Sieger mit Kuwait.
Stationen:
Stationen im Verein:
Bis 1978 Junioren-Jahre beim TSV Lamstedt.
1978 - 1980 OSC Bremerhaven 35 Spiele (6)
1980 - 1982 SC Fortuna Köln 75 (15)
1982 - 1986 Hamburger SV 129 (24)
1986 - 1989 Bayer Leverkusen 99 (9)
1989 - 1990 Racing Straßburg 30 (4)
1990 - 1991 Bayer Uerdingen 20 (0)
1991 - 1994 Karlsruher SC 94 (14)
1994 - 1995 1. FC Köln 14 (0)
1995 - 1996 SC Fortuna Köln 16 (2)
Stationen Nationalmannschaft:
1980 - 1985 U21-Nationalmannschaft 20 (0)
1983 - 1989 Deutschland 37 (0)
Stationen als Trainer:
1996 - 1997 Hamburger SV (Co-Trainer)
1998 SV Meppen
1998 VfB Stuttgart (Co-Trainer)
2000 - 2001 Bayer 04 Leverkusen (Co-Trainer)
2001 - 2002 Kuwait (Co-Trainer)
2004 - 2013 Werder Bremen (Co-Trainer)
2013 Werder Bremen (Interimstrainer)
2014 Aserbaidschan (Co-Trainer)
2014 - 2015 Eintracht Frankfurt (Co-Trainer)
2015 al Salmiya Club (Kuwait)
2016 Hannover 96 (Co-Trainer)
2016 - 2017 Shandong Luneng Taishan in China (Co-Trainer)
seit 2020 Laval United FC (Vereinigte Arabische Emirate)
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