
Betriebe im Kreis Cuxhaven in Corona-Not: "Situation spitzt sich zu"
KREIS CUXHAVEN. Die Unternehmer im Kreis Cuxhaven beklagen Corona-bedingt verheerende Personalausfälle. Wir erklären, was das Cuxland im Herbst erwartet.
Die Immunität der Bevölkerung sinkt, die Inzidenzen steigen. Trotzdem hat Niedersachsen keine Änderungen der Corona-Verordnung bis Ende August vorgesehen. Zusätzlich werden die öffentlichen Schnelltests ab Juli kostenpflichtig. Das hat Auswirkungen im Cuxland. Was das Cuxland im kommenden Herbst erwarten könnte.
"Personalausfälle führen aktuell dazu, dass Gesunde zusätzlich belastet werden", sagt Andreas Wulf, Vorstandsvorsitzender des Unternehmensverbandes Cuxhaven-Elbe-Weser-Dreieck (UVC). Dies passiere überall. Das belegt auch eine Studie des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Im Jahr 2021 betrug der durchschnittliche Krankenstand coronabedingt deutschlandweit 4,3 Prozent.
Auswirkungen auf Arbeitsprozesse
Damit lieg der Wert derzeit über dem Niveau der Jahrtausendwende. Bei der Studie wurden unter anderem Rentner, Studenten oder Jugendliche nicht berücksichtigt. Diese Sachlage habe laut Wulf verheerende Auswirkungen auf Arbeitsprozesse: "Wenn Zahnräder ineinandergreifen und eines in Stillstand gerät, kommt alles zum Erliegen." Besonders dann, wenn Ersatz fehlt, sei das ein Problem. "Wir müssen abwarten, was der Herbst bringt." Dem blickt Wulf besorgt entgegen.
Nicht nur, weil die öffentlichen Schnelltests ab Juli kostenpflichtig werden, sondern auch, weil vermeintlich nicht jedes Testzentrum korrekt teste. Auch die Niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens beäugt die Test-Situation kritisch.
"Das Auslaufen der anlasslosen, kostenlosen Bürgertests nimmt uns Sicherheit im Erkennen von Infektionen und bei der Unterbrechung von Infektionsketten", heißt es in einer Stellungnahme des Landes. Die gewählte Strategie sei ihrer Auffassung nach falsch.
Personalmangel vorhersehbar
Andreas Dotzauer, Leiter des Virologischen Instituts der Universität Bremen, bestätigt Wulfs und Behrens Sorge: "Die Situation wird sich im Herbst weiter zuspitzen." Ernüchternd sei aus seiner Sicht: Der aktuelle Personalmangel war angesichts des Virusgeschehens vorhersehbar, so Dotzauer.
Die Politik lege allerdings nicht auf die wirtschaftliche Situation sein Augenmerk, sondern darauf, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Laut Dotzauer sei das aber ein "Minimalziel" und wirke nicht präventiv. "Ist das System überlastet, liegt das Kind bereits im Brunnen."
"Fühle mich nicht beschützt"
Um die Wirtschaft perspektivisch aufrecht zu erhalten, müsse der Fokus anders gesetzt werden. "Wenn ich als Virologe über entsprechende Maßnahmen nachdenke, wäre mein Ziel, Infektionsketten zu unterbrechen."
Das Virusgeschehen der Allgemeinbevölkerung zu überlassen, so wie es aktuell passiere, sei gegenüber der vulnerablen Gruppe sowie denjenigen, die nach Corona-Infektion ein Long-Covid-Syndrom entwickeln, bei den derzeitig hohen Infektionszahlen unverantwortlich.
Hohes Risiko
"Wenn ich an den Herbst denke, wird mir schlecht", sagt Holger Meier. Er hat Angst vor Anfeindungen, daher wurde sein Name von der Redaktion geändert. Der 41-Jährige hat aufgrund von Vorerkrankungen ein hohes Risiko für einen schweren Corona-Verlauf und wird von seiner Frau zu Hause gepflegt.
Menschen in privater Pflege wie Meier leiden besonders unter der aktuellen Situation. "Ich fühle mich derzeit nicht mehr von der Politik beschützt", betont Meier. Ihm bleibe nichts anderes übrig als eine Infektion zu riskieren oder sich streng isolieren. Letzteres macht er bereits seit mehr als zwei Jahren. Der Cuxhavener meint, es werde bereits zu wenig getestet. "So findet niemand Infizierte."
Kein Ende in Sicht
Das sieht Virologe Dotzauer ähnlich: "Das Virus wird infektiöser, das sehen wir jetzt schon." Folglich dessen sei es nicht unwahrscheinlich, wenn der Herbst mit einem hohen Inzidenz-Plateau beginne. Auf die Frage "Wann ist die Pandemie endlich vorbei?" antwortet Dotzauer: "Es gibt im Moment keinerlei Hinweise, dass wir das in nächster Zeit erreichen."