
Raketen von See ins All starten lassen? Bremerhaven im Mittelpunkt
BREMERHAVEN. Um den Plan, Raketen von See aus ins All zu schicken, ist es still geworden. Was passiert nun? Bremerhaven, Ausgangshafen für die Raketenstarts, ist besorgt.
Um den Weltraumbahnhof auf hoher See ist es in den vergangenen Monaten still geworden. In Bremerhaven, Ausgangshafen für die Raketenstarts, gab es sogar die Sorge, die neue Bundesregierung würde das Projekt fallenlassen. Sind die Countdowns gestoppt?
Im Vergleich zu ausgewachsenen Ariane-Raketen sind die Raketen, die von der Nordsee aus ins All starten, eher klein. Obwohl sie immer noch 30 Meter hoch sind. Die Nutzlast liegt bei bis zu einer Tonne. Ideal für Kleinsatelliten, beispielsweise für die Klimaforschung und die Telekommunikation. Bislang gibt es in Deutschland keinen Startplatz für diese sogenannten Micro-Launcher. Die Idee, den Startplatz aufs Meer zu verlegen, wo man keine Nachbarn stört, führte 2020 zum "Gosa"-Verbund mehrerer Unternehmen unter der Führung der Bremer Satelliten-Schmiede OHB. Und der setzt weiterhin auf Bremerhaven als Basishafen.
2023 soll es losgehen
Bereits im kommenden Jahr soll es losgehen. "Wir sind weiterhin fest entschlossen, 2023 den ersten Start zu absolvieren", sagt Sabine von der Recke, OHB-System-Vorstandsmitglied. Ob es ab dann bereits den geplanten Regelbetrieb mit mehreren Starts pro Jahr geben wird, sei noch unklar. Das hänge auch davon ab, wie weit die Kunden sind.
Die Kunden, das sind erste einmal junge Start-up-Unternehmen, die derzeit noch an der Entwicklung ihrer Raketen arbeiten. Zu ihnen gehört auch die OHB-Tochter "Rocket Factory" in Augsburg. Wie weit sind sie dort? Da will sich von der Recke nicht in die Karten schauen lassen. Spannend ist das allemal. Schon die Antriebsarten der verschiedenen Hersteller sind unterschiedlich. Das reicht vom Kerosin bis zum Kerzenwachs. Wie bitte? "Ja, mit Paraffin", sagt von der Recke. Es handelt sich um das Konzept des Raketenherstellers "HyImpulse", bei dem neben flüssigem Sauerstoff tatsächlich Kerzenwachs zum Einsatz kommt.
Bremerhaven im Mittelpunkt
Wenn sie alle mit ihren Projekten vorangekommen sind, steht als Zielmarke ein Raketenstart pro Woche im Raum. Im Mittelpunkt steht dabei Bremerhaven. Bislang hat die BLG die ABC-Halbinsel als Verladehafen vorgeschlagen. "Wir möchten das gern von Bremerhaven aus machen", sagt von der Recke. Ob das dann die ABC-Halbinsel oder ein anderer Bereich im Hafen der Seestadt sein wird, sei eher zweitrangig. Wichtig sei für das Projekt eine Halle, in der die Raketen zusammengebaut und mit den Satelliten vereint werden können. Das muss unter sehr sauberen Umständen vonstattengehen. Außerdem braucht man Schutzvorrichtungen für die Treibstoffe.
In Bremerhaven gibt es die logistischen Fähigkeiten, es gibt alle benötigten Gase, listet von der Recke auf. Areale wie die ABC-Halbinsel seien gut gesichert. Und der Transport der Raketenkomponenten könnte von überall her günstig und unkompliziert mit einem der Containerzüge organisiert werden, sagt sie. "Es wäre für uns als OHB gut, wenn sich das Raumfahrtprojekt in Bremerhaven entwickeln könnte", betont die OHB-Managerin.
Bremerhaven würde ebenfalls profitieren. "Die Branche schaut dahin", sagt sie, und dann ergeben sich neue Entwicklungsmöglichkeiten. Deshalb unterstützen Stadt und Land das Projekt, und auch aus der Bevölkerung gebe es viele positive Rückmeldungen.
Starter- oder Launchbox
In Bremerhaven würde die Rakete samt Satelliten in eine große Starter- oder Launchbox gepackt, die dann an Bord eines der Combi-Dock-Schiffe verladen würde. Die Schiffe sind der Beitrag der Bremer Reederei Harren & Partner, die ebenfalls zur Gosa-Gruppe gehört. Das Box-System hat den Vorteil, dass gleiche mehrere Starts vorbereitet werden können. Dann geht es hinaus in einen Bereich der Nordsee, den Deutschland als Sonderwirtschaftszone nutzen kann. "Entenschnabel" heißt das Areal. Weil es hier keine Windparks gibt, muss man bei den Starts auf keine Nachbarn Rücksicht nehmen.
Fünf Tage dürfte ein Startzyklus in der Regel dauern. Dazu gehören die Anfahrt und das Warten auf passende Höhenwinde. Das Auftanken der Rakete wird aus Sicherheitsgründen erst hier gemacht. Dann folgen der Start und die Rückfahrt.
Die Natur werde nur wenig belastet, sagt von der Recke. Anders als beispielsweise bei dem Bau von Windparks werde hier nichts in den Meeresgrund gerammt. Die Startphase ist nur kurz, und das Einsammeln ausgebrannter Raketenteile sei eingeübte Praxis, um mit der Wiederverwertung von Raketenteilen auch Kosten zu sparen. In der Öko-Bilanz müsse auch einkalkuliert werden, dass ein Start von der Nordsee aus wegen der kurzen Anfahrt natürlich günstiger ist als ein Start in Französisch-Guayana.
Die OHB-Managerin hat keine Hinweise, dass die aktuelle Bundesregierung und die die Bundesbeauftragte für Luft und Raumfahrt von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das Projekt kritisch bewertet. Geändert habe sich nur, dass der Gosa-Verbund seine Studien zu dem Projekt nun ausschließlich selbst finanziert und auf öffentliche Förderung verzichtet, um zügiger in die Umsetzung der Erkenntnisse zu kommen.