Bülkauer Bio-Bauer: Wohin mit meiner Milch?
BÜLKAU. Jens Griemsmann bewirtschaftet mit seinem Vater einen Familienbetrieb. 55 Kühe, 60 Hektar - vor zehn Jahren war das die durchschnittliche Größe eines niedersächsischen Milchviehbetriebs. "Heute", sagt der 29-Jährige, "sind wir damit eine kleine Klitsche."
Jens Griemsmann bewirtschaftet mit seinem Vater einen Familienbetrieb. 55 Kühe, 60 Hektar - vor zehn Jahren war das die durchschnittliche Größe eines niedersächsischen Milchviehbetriebs. "Heute", sagt der 29-Jährige, "sind wir damit eine kleine Klitsche." Um trotzdem erfolgreich wirtschaften zu können, produziert die Aue GbR, wie sich der Betrieb nennt, Bio-Milch. Genauer gesagt, Bio-Heumilch. Eine gute Nische, fand der Jung-Bauer. Bis ihm jetzt die Kündigung der Molkerei ins Haus flatterte. Aus Kostengründen, so hieß es, werde der Hof ab nächsten Sommer nicht mehr angefahren.
Eine Schwarzbunte aus Plastik ziert den Garten des kleinen Betriebs etwas außerhalb von Bülkau. Griemsmann mag Kühe. "Aber meine Eltern haben mir geraten, erst mal was Vernünftiges zu lernen", scherzt er. Der Hof war klein, die Zukunft unsicher. Griemsmann absolvierte eine Lehre als Metallbauer - und sattelte anschließend doch auf Milchbauer um. "Ich hatte einfach Lust dazu", sagt er. 2015 stieg der damals 25-Jährige in den Betrieb ein und stellte ihn auf Bio um.
Es war die Zeit der Milch-Krise. Die Preise waren im Keller, viele Bauern liebäugelten plötzlich mit der einst belächelten Öko-Nische. Die schaffte es auch in den Zeiten der Krise, einen anständigen Preis für die Milch zu sichern. Bio war attraktiv geworden. Für die Griemsmanns bedeutete der Wechsel auf Öko keinen großen Schritt. "Wir haben unsere Kühe immer schon draußen gehalten und mit wenig Dünger und Pflanzenschutzmitteln gearbeitet", erzählt Griemsmann. Und die Rinder seien immer gerne mit Heu gefüttert worden. "Wie früher halt", sagt der 29-Jährige und lächelt.
Ganz so aber doch nicht. Vater und Sohn Griemsmann bauten einen neuen Stall mitsamt mechanischem Heu-Trockner, stockten die Zahl der Kühe von 33 auf 55 auf und fanden sogar eine Bio-Molkerei, die ihnen für ihre Heumilch einen Extra-Zuschlag von fünf Cent zahlte. Sie sitzt in Mecklenburg, zwischen Hamburg und Berlin, wo man für solch Edel-Bio-Ware auch eine Käuferschicht findet. Zunächst lief alles gut. Doch als Lieferant der kleinen Molkerei bekam Griemsmann bei den Versammlungen immer öfter mit, wie der Preisdruck auf die Branche zunahm. Es schwappte immer mehr Öko-Milch auf den Markt. Auch größere Molkereien wie Ammerland entdeckten die Nische und brachten eine eigene Bio-Linie in die Supermärkte. Discounter-Ketten wie Aldi und Lidl bauten ihr Bio-Angebot aus und platzierten dort vor allem ihre eigenen - deutlich günstigeren - Marken.
"Bio", das musste Griemsmann lernen, "ist ein hart umkämpfter Markt." Da läuft es auch nicht anders als in der konventionellen Landwirtschaft. Wenn eine Molkerei sich zum Beispiel nicht auf die Kontrakte der Supermarktketten einlasse, dann holten die sich eben die günstige Milch aus Österreich, Tschechien oder sonst wo her, klagt der Bio-Bauer. "Das ist ein knallharter Verdrängungswettbewerb."
Dass seine Molkerei sich die Milch-Tour ins westliche Niedersachsen nicht mehr leisten könne, sei eine Folge. Wie's weitergeht? Griemsmann zuckt die Schultern. Bei mehreren Bio-Molkereien ließ er sich auf die Warteliste setzen. Ob sie ihn nehmen, sei offen. Bio-Molkereien treten beim Wachstum auf die Bremse. Zu viel Bio-Milch auf dem Markt verdirbt die Preise.
Griemsmann kann das durchaus verstehen. Aber wie es da mit seinem kleinen Betrieb weitergeht, weiß er nicht. Eins aber ist für ihn klar: So wie die Politik sich das derzeit vorstelle - mit dem Agrarpaket, mehr Insektenschutz und neuer Düngeverordnung - funktioniere das nicht. "Die Politik drückt die Bauern mit all den Auflagen immer mehr in Richtung Bio. Aber das haut nicht hin. Denn der Markt dafür ist nicht da", sagt er kopfschüttelnd.
Deshalb setzt sich der Bülkauer jetzt zur Wehr. Wie viele andere Bauern im Cuxland. Vor ein paar Tagen hat er ein großes grünes Kreuz auf seiner Weide vorne an der Kreisstraße aufgestellt. Ein stiller Protest dagegen, dass immer mehr Höfe aufgeben müssen. "So geht es nicht weiter", sagt Griemsmann, "wir haben alle Angst um unsere Zukunft. Wir müssen was tun." Der 29-Jährige wird was tun. Am Dienstag, 22. Oktober, den die Grüne-Kreuz-Initiatoren bundesweit zum Protest-Tag auserkoren haben, ist er mit seinem Trecker dabei.
Von Inga Hansen