
Bundestag entscheidet gegen allgemeine Impfpflicht: Niedersachsens Führung reagiert
KREIS CUXHAVEN. Die Einführung einer Corona-Impfpflicht ist vorerst gescheitert. Der Bundestag stimmte gegen eine Impfpflicht ab.
Für das Personal in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen gibt es seit März eine Impfpflicht. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur Impfung für andere Bevölkerungsgruppen in Deutschland wird es zum aktuellen Zeitpunkt nicht geben.
Bedauern beim Ministerpräsidenten
In Niedersachsen stößt die Entscheidung gegen die Impfpflicht auf wenig Verständnis. "Das ist bitter! Ich bedauere es außerordentlich, dass heute im Deutschen Bundestag bei der Impfpflicht keine Einigung erzielt werden konnte", erklärte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Anschluss. "Es muss doch unser gemeinsames Anliegen sein, dass möglichst viele Menschen in Deutschland im Herbst vollständig geimpft sind."
Leider sehe es derzeit nicht so aus, so Weil, als "wäre das mit einem rein freiwilligen Impfangebot möglich. Wäre es gelungen, mit einer Impf(nachweis)pflicht zumindest ab 60 und mit Beratungsgesprächen eine Steigerung der Impfrate hinzubekommen, hätte sich die Zahl der schwer an Corona Erkrankten und der daran Sterbenden deutlich reduzieren lassen."
Wird Gesundheitssystem überfordert?
Der Ministerpräsident wirft den Blick schon jetzt ein paar Monate voraus: "Wenn wir nicht doch noch zu einer Impfpflicht kommen oder viele Menschen zum Impfen motivieren können, werden wir im schlimmsten Fall im Herbst und Winter wieder eine Überforderung des Gesundheitssystems und weitreichende Schutzmaßnahmen mit den damit verbundenen Einschränkungen für alle erleben."
Auch Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) bezieht klar Stellung zu der Entscheidung gegen die allgemeine Impfpflicht: "Es ist enttäuschend, dass der Bundestag nicht die Kraft gefunden hat, eine allgemeine Impfpflicht auf den Weg zu bringen", so Behrens. "Eine allgemeine Impfpflicht wäre die wirkungsvollste Präventionsmaßnahme in der langfristen Bekämpfung der COVID-19-Pandemie gewesen. Leider konnte sich der Bundestag auch nicht auf eine Impfpflicht für Ältere oder auf eine Beratungspflicht verständigen. Das ist eine schwere Hypothek für den Herbst."
800.000 erwachsene Niedersachsen ungeimpft
Die Gesundheitsministerin weiter: "Nur eine Impfung schützt vor schweren Covid-19-Krankheitsverläufen mit allen weiteren Auswirkungen wie Long-Covid." In Niedersachsen sind ihren Angaben zufolge rund 800.000 Erwachsene nicht geimpft. "Wir werden also weiterhin alle Anstrengungen unternehmen, um mit vereinten Kräften von Ärzteschaft, Apotheken und kommunalen Impfteams die Menschen vom Nutzen der Impfung zu überzeugen."
Vor allem aufsuchende Impfaktionen und niedrigschwellige Ansprachen könnten ihrer Ansicht nach helfen, "die Impflücke zu schließen. Es bleibt abzuwarten, ob so der harte Kern der Impfunwilligen überzeugt werden kann. Aber wir machen weiter, klären auf und bleiben dran."
Kritik von Wissenschaftsminister
Auch Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) ist ernüchtert: "Dass es vorerst keine Corona-Impfpflicht geben wird, ist ein Versagen des Bundesgesundheitsministers, der Bundesregierung und der Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag. Es ist ein Schlag in das Gesicht jeder Pflegekraft, die sich seit zwei Jahren um Covid-19-Patientinnen und -Patienten kümmert."
Die Ablehnung einer allgemeinen Impfpflicht halte er "nicht allein mit Blick auf die Covid-Welle im kommenden Herbst für falsch, sondern vor allem mit Blick auf die aktuell rollende Long-Covid-Welle, die ihren Scheitelpunkt noch lange nicht erreicht hat. Eine Impfung schützt nicht nur vor einem schweren Krankheitsverlauf von Covid-19, sondern kann auch vor Long-Covid schützen."
Thümler weiter: "Auch wenn die Hospitalisierungsrate der Patientinnen und Patienten mit Covid sinkt, ist im Moment noch keine abnehmende Belastung des Gesundheitswesens festzustellen." Freie Betten seien "nahezu irrelevant, wenn die notwendigen Pflegekräfte selbst an Covid-19 erkranken oder dringend auf Erholung angewiesen sind. Darauf haben die Mitglieder des Long-Covid-Expertenrats des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur in dieser Woche erst hingewiesen."