Corona-Bedrohung: Kein Alltag mehr im Bremervörder Gefängnis
BREMERVÖRDE. Trotz meterhoher Mauern, Stacheldraht und strenger Bewachung: Das Thema Corona hat längst auch die Justizvollzugsanstalt (JVA) Bremervörde erreicht.
"Seit zehn Tagen dreht sich unsere Arbeit mehr oder weniger nur darum", sagt Anstaltsleiter Dr. Arne Wieben. Damit das Virus so lange wie möglich draußen bleibt, dürfen die Insassen seit Dienstag keinen privaten Besuch mehr empfangen. Trotzdem stellt man sich im Knast auf den Tag X ein. Warum das so sein muss, erläutert Wieben.
Das niedersächsische Justizministerium hat in Zusammenarbeit mit den Haftanstalten einen dreiphasigen Aktionsplan zur Pandemievorsorge erarbeitet. Die Phasen gliedern sich nach der Stärke, mit der eine JVA von Corona betroffen ist - von nur einem Verdachtsfall bis hin zu einer Vielzahl von Verdachtsfällen oder gar bestätigten Infektionen. "Wir bereiten uns natürlich auf den Extremfall vor", sagt Dr. Arne Wieben, der die JVA Bremervörde seit ihrer Eröffnung vor sieben Jahren leitet. "Und wir sind meiner Meinung nach auf einem guten Weg." Doch was heute noch Stand der Dinge sei, könne morgen schon überholt sein. "Was heute noch richtig ist, ist morgen schon falsch. Da ist es bei uns wie in allen anderen Bereichen derzeit."
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"So etwas kann man nur gemeinsam und für alle Gefängnisse im Bundesland entscheiden. Sonst ist der Unmut der Insassen vorprogrammiert", erklärt Wieben. "Das spricht sich unter den Insassen schnell herum, und wenn nicht einheitlich verfahren würde, würde die Stimmung kippen." Der Anstaltsleiter setzt auf eine umfassende Information der Inhaftierten. "Alle schauen Fernsehen in ihren Hafträumen und sind bestens informiert über die Situation außerhalb der Gefängnismauern", sagt Wieben.
Wichtig sei es, jeden Schritt zu begründen. "Die Häftlinge werden von mir persönlich regelmäßig schriftlich informiert", sagt Wieben, der berichtet, dass die Insassen "bislang sehr verständnisvoll" mit der Lage umgingen. "Wir haben im Gegenzug das Skype-Angebot erheblich ausgebaut." Damit hätten die Insassen verstärkt die Möglichkeit zur Videotelefonie mit Angehörigen.
Davon, dass irgendwann der "Tag X" kommt, also Verdachts- oder gar Covid-19-Fälle in der JVA auftreten, muss Wieben ausgehen. "Die Zahlen in Deutschland steigen exponentiell. Und wir haben ja weiterhin Häftlingszugänge." In der JVA stehen für Verdachtsfälle Isolierungsräume bereit. Diese können auch bei einer Infektion mit leichten Symptomen genutzt. "Kommt es zu schweren Verläufen, würden die Insassen ins Justizvollzugskrankenhaus Lingen verlegt werden", erklärt Wieben. Würden die Kapazitäten dort nicht mehr ausreichen, müssten öffentliche Kliniken einspringen. "Dort aber natürlich von den Justizvollzugsbeamten bewacht", sagt Wieben.
Soziale Kontakte verringern
Das jedoch ist reine Zukunftsmusik. Damit es möglichst auf Dauer so bleibt, gilt es auch in der JVA, die sozialen Kontakte so weit wie möglich zu verringern. "Da haben wir natürlich den Vorteil, dass wir das mit aller Konsequenz beeinflussen können", sagt der Anstaltsleiter. Allerdings sei es keine gute Idee, die Häftlinge 24 Stunden täglich in ihren Hafträumen einzusperren. Es gelte, die richtige Balance zu finden aus eingeschränktem sozialen Leben und völliger Sicherheit vor Infektionen.
"Die Stimmung ist auch deshalb bislang nicht schlecht, weil die Häftlinge bislang noch arbeiten und die Bildungsangebote weiter stattfinden. Auf der anderen Seite haben wir den Hallen- und Mannschaftssport gestrichen." Die Häftlinge dürften nur joggen, "natürlich mit Abstand". Wieben: "Doch sie sind sich der Situation durchaus bewusst. Keiner lacht über das Thema. Sie gehen meinem Eindruck nach verantwortungsvoll mit dem Virus um."
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Von Stefan Algermissen
Um die Wahrscheinlichkeit einer Infektion innerhalb der Gefängnismauern so niedrig wie möglich zu halten, gilt seit Dienstag für alle 300 Bremervörder Insassen Besuchsverbot. Anwälte dürfen noch zu ihren Mandanten, Familienbesuche hingegen sind zunächst ausgesetzt. "Ich habe das am Dienstag mit sofortiger Wirkung so entschieden", sagt Wieben. Das niedersächsische Justizministerium habe dies den Anstaltsleitern dringend angeraten, und diese hätten sich in Absprache für diesen Schritt entschieden.