
Corona im Kreis Cuxhaven: 2G-plus gibt Geimpften den Rest
CUXHAVEN. Geimpft und nun noch zur Teststation? Das erzeugt Frust. Vor allem Senioren fühlen sich abgehängt. So geht das nicht, findet unsere Kommentatorin.
"Die Leute haben aufgegeben", sagte mir diese Woche eine 87-Jährige. Erst monatelange Isolation, dann der Kampf um die ersten Impfungen, nun schon der nächste um die Booster-Impfung - alles, was empfohlen worden sei, hätten sie gemacht. "Und nun kann ich mich nach einem anstrengenden Einkauf nicht mal mehr für einen Kaffee und ein Brötchen beim Bäcker hinsetzen."
Nicht mitgedacht
Das ist die bittere Bilanz. Ganze Gesellschaftsgruppen sind abgehängt, schon wieder. 2G-plus ist ein typisches Schreibtischprodukt, erdacht von Leuten, die sich nicht vorstellen können, dass es so schwierig sein kann, mal eben zu einer Teststation zu fahren.
"Wir schaffen das nicht mehr", wie oft hat unsere Redaktion in den vergangenen Tagen diesen Satz gehört, von körperlich Beeinträchtigten und von älteren Menschen.
Viele erleben die erste Hürde schon bei der Online-Anmeldung und die zweite beim Weg zur Test-station. Andere haben es probiert und sich zum Warten in die Kälte gestellt. Nachdem sie dort auch noch mit Aggressionen konfrontiert wurde, hat eine Cuxhavenerin entschieden: "Nie wieder. Dann verzichte ich lieber auf meinen Sport."
"Wir fühlen uns bestraft"
Die bescheidensten Wünsche - ausgebremst: "Wir sind bestraft; behandelt wie Ungeimpfte. Tausende bewahren Disziplin und werden ausgebremst von Ungeimpften, die sich wahrscheinlich auch noch totlachen", sagt die anfangs erwähnte 87-Jährige. Natürlich sind davon die ausgenommen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können (gerade für die wäre eine hohe Impfrate wichtig).
Ganz abgesehen von der notwendigen Überzeugungsarbeit: Die Fehler, die wieder und wieder gemacht werden - mal eben etwas anordnen, ohne dass dafür die Infrastruktur da ist - zermürben. Selbsttests, die "draußen" sowieso nicht anerkannt werden, sind erstens ausverkauft und zweitens (wenn sie nachgeliefert werden) über Nacht doppelt und dreifach teurer; FFP2-Masken ebenso. Teststationen sind überrannt.
Man traut sich gar nichts mehr
Beim Impfen weiß keiner mehr, was läuft und zu welchem Zeitpunkt man es wagen kann, beim Hausarzt anzurufen, um das Praxispersonal nicht noch mehr zu überlasten. Ja, wie macht man es denn nun richtig? Einerseits soll man vulnerablen Gruppen den Vortritt lassen, andererseits soll geboostert werden, was das Zeug hält. Erst recht, wenn nicht nur das Auslaufen des Impfzertifikats nach sechs Monaten winkt und vor allem die Wirkung der Impfung dann auch deutlich nachlässt!
Die Leute haben es sowas von über. Das birgt Zündstoff. Es braucht schleunigst Wege aus der Sackgasse. Eine Möglichkeit: Statt des Besuchs einer Teststation der Selbsttest unter Aufsicht beim Friseur, im Geschäft oder Restaurant. Das ist erlaubt, brät den Geschäftsleuten aber wieder eine Belastung über. Neuerdings kursiert auch die Idee, Menschen mit der Booster-Impfung von der 2G-plus-Regel zu befreien. Dann wird aber die Impftempo-Frage erst recht brisant.
P.S. Nachdem dieser Kommentar fertig war, kam gestern Nachmittag die Nachricht über genau jene Ausnahmen von 2G-plus. Glückwunsch allen Drittgeimpften und gute Reise allen anderen (auch mir) bei der Terminsuche.