Segeln

Cuxhavener verlor vor Mauritius sein Hab und Gut

06.12.2017

CUXHAVEN. Noch vor wenigen Monaten gehörte Reimer Kobs das Paradies. Von Thomas Sassen

14 Jahre ist er mit seiner Segeljacht „He geiht“ vor allem im Pazifik unterwegs, lebt wochenlang im Einklang mit Meer und Südseebewohnern. Nahe Südafrika erwischt ein Zyklon seine Segeljacht mit der er anschließend nur noch unter Notbeseglung durch den Pazifik treibt. Nach 68 Tagen strandet er völlig entkräftet auf einem Riff vor der Insel Mauritius. Dabei verliert er sein Schiff samt Ausrüstung. Zurück in seiner Heimatstadt Cuxhaven steht er vor dem Nichts. Mit 71 Jahren muss er von vorne beginnen.

Viele Jahre hat der Abenteurer in Cuxhaven gelebt, bevor ihn das Fernweh packte, er sich in Holland eine 12-Meter-Stahljacht kaufte und einfach lossegelte. Erst nur nach England, später an die spanische Küste, dann zu den Kanarischen Inseln, über den Atlantik in die Karibik und immer weiter.

Als Spross einer Büsumer Krabbenfischerfamilie zog es ihn schon früh zur Seefahrt. Von einer Karriere in der Hochseefischerei träumte er als junger Mann. Schließlich machte er an der Cuxhavener Seefahrtschule sein Kapitänspatent, in Kiel folgte später die Maschinistenprüfung. Seine Erwartungen erfüllten sich nicht. Stattdessen wollte der junge Kapitän dorthin Kurs absetzen, wo das Wasser blau, der Himmel voller Sonne und die Menschen fröhlich sind.

Auf seinem Lebensplan stand bald eine Weltumseglung. Doch dafür sollte er erst einmal Geld verdienen. Das schaffte der umtriebige Cuxhavener indem er sechs Jahre als Hafenmeister bei der Cuxhavener Seglervereinigung arbeitete und nebenbei mit seiner Frau und seiner Familie einen Souvenirladen nahe der Alten Liebe und eine Eisdiele in Sahlenburg betrieb. Kobs’ Ehe ging in die Brüche, weshalb ihm der Abschied von Deutschland leichter fiel. „Ich wollte irgendwo leben, wo es schön ist“, erinnert sich Kobs an sein früheres Leben als Weltenbummler.

Das hätte auch noch einige Jahre so weitergehen können mit Segeln, Faulenzen, Tauchen und Landabenteuern, wenn sich nicht urplötzlich ein Zyklon mit zerstörerischer Kraft rund 100 Seemeilen vor der südafrikanischen Küste in sein Kielwasser verirrt hätte. Mit dem Ausfall der kompletten Elektrik und Navigationstechnik begann das Unheil, das schließlich mit einer Strandung und dem Verlust seiner Segeljacht vor Mauritius endete.

Segler ist tief enttäuscht

Die Ereignisse vor rund vier Monaten hat Kobs noch immer nicht verarbeitet. Tiefe Enttäuschung über Willkür und Kriminalität der Behörden auf Mauritius erfüllt ihn bis heute.

Am 24. August entdeckt Kobs im Abendlicht die schwachen Umrisse von Mauritius am Horizont. Er streicht die Segel. Doch das Vorsegel lässt sich wegen der defekten Reffanlage nicht vollständig bergen. Die defekte Ruderanlage und auflandiger Wind besiegeln schließlich das Schicksal der Jacht. Der Schipper setzt verzweifelte Notrufe auf Kanal 16 ab. Er schießt Seenotrettungsraketen ab, die selbst vom mauritischen Flughafen hätten sichtbar sein müssen, meint Kobs. Doch alle Hilferufe und Signale bleiben unbeantwortet.

„Leichter Wind und Dünung ließen mich in der pechschwarzen Nacht noch hoffen. Mein funktionierendes GPS-Gerät zeigte mir noch zwei Meilen Abstand vom Ufer an, als plötzlich der Anker griff, den ich zur Sicherheit herabgelassen hatte. Es gab einen scharfen Ruck, die Jacht drehte sich um die Achse und im nächsten Moment riss die Kette. Kurz darauf folgte die Grundberührung mit Geräuschen, die mich noch lebenslang verfolgen werden“, erinnert sich Kobs an den schwärzesten Tag in seinem Leben.

Die Strandung erfolgt in den frühen Morgenstunden am 25. August nach 68 Tagen auf hoher See. Kobs findet in der Hektik gerade noch Zeit, einige wichtige Dinge und zwei Laptops mit Bildern und Aufzeichnungen seiner Reisen in einen Rucksack zu stecken. Alle Papiere und Dokumente bleiben an Bord. Mit Rettungsweste klettert er in der Morgendämmerung über Bord und kämpft sich durch die Wellen über die Felsen an Land. Als er seine Sachen ablegen will, sieht er auf der nahen Anhöhe einen Wagen. Es ist die Polizei, die aber anstatt zu helfen seelenruhig mit dem Fernglas zusieht, wie der erschöpfte Schiffbrüchige ihnen den steilen Weg entgegenklettert. Reimer will unbedingt noch mal an Bord zurück, um wichtige Gegenstände und Dokumente aus seinem Safe zu retten. Was nun folgt, kann Kobs bis heute nicht verstehen.

Dem bärtigen, abgemagerten, doch relativ fitten Schiffbrüchigen wird von der Polizei verwehrt, an Bord zu gehen. Stattdessen nehmen sie ihn mit zur Polizeistation, wo er wie ein Krimineller verhört wird. Im Vertrauen auf die Polizei erwähnt der Segler, dass er unbedingt an seinen an Bord versteckten Safe will, um seine persönlichen Dokumente und Bargeld in Höhe von rund 30 000 Euro zu retten. Doch ein arroganter Chefinspektor sagt ihm dann wörtlich: „We will take over your yacht and we will take everything from your yacht.“ Kobs antwortet ungläubig: „You have no right to do so. I will not allow that. I want to safe my yacht!“ Doch ihm wird nicht erlaubt, an der Rettung seines Besitzes und der möglichen Bergung seines Schiffes teilzunehmen.

Nach stundenlangem Verhör wird ihm der Reisepass abgenommen. Es folgt ein Krankenhausaufenthalt gegen seinen Willen. „Ich war dort regelrecht eingesperrt“, schimpft Kobs. Erst 24 Stunden später erscheint ein Arzt, der ihm bescheinigt, an einer Herzkrankheit zu leiden und er deswegen stationär bleiben solle. „So ein Unsinn. Ich war noch nie herzkrank. Ich war nur unendlich erschöpft und wollte ausschlafen. Meine einzige Verletzung, einen großen Seeigelstachel im Fuß, hat man erst Tage später behandelt,“ erinnert sich Kobs. „Als ich die Krankenstation verlassen wollte, um nach meinem Boot zu schauen, das Luftlinie nur eineinhalb Kilometer entfernt auf den Felsen lag, wurde ich von einem Sicherheitsmann mit einem Stock angegriffen. Er sagte ich, dürfte die Krankenstation, die vergitterte Fenster besaß und nachts abgeschlossen wurde, nicht verlassen. Außerdem wurde mir verwehrt, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen. In den folgenden Tagen bekam ich jeden Morgen vor der Visite des Arztes, Besuch von einem Beamten der Küstenwache. Er wollte nur wissen, wo sich mein Safe an Bord befand. Dazu verweigerte ich die Aussage. Meine Forderung, an der Bergung teilzunehmen, wurde immer wieder abgelehnt. Seinen Namen wollte mit der Polizist nicht nennen“, erinnert sich Kobs.

Erst drei Wochen später und nach dem Besuch des deutschen Konsuls darf Kobs das Hospital verlassen. Danach findet er seine Jacht als Wrack, leergeräumt, abgetakelt und von den Wogen zertrümmert wieder.

Mit Unterstützung eines katholischen Priesters wird Kobs im Seemannsheim der Hauptstadt Port Louis untergebracht. Die Behörden verlangen von dem nun mittellosen Kapitän, dass er die Kosten zur Entsorgung des Wracks tragen soll.

Segler halfen mit Spende

Ohne Geld und ohne Pass ist auch an eine Heimreise nicht zu denken. Die Kirche kann seine Unterkunft und Versorgung irgendwann nicht mehr tragen. Zum Glück fanden sich zahlreiche Mitglieder des lokalen Jachtclubs zu einer Spende bereit, von der er seine Versorgung und die Reisekosten nach Hamburg begleichen kann. Nach fast drei Monaten erhält Reimer Kobs endlich seinen Pass samt Ausreisegenehmigung.

Inzwischen ist er wieder in Cuxhaven gelandet, wo seine Weltumseglung einst begonnen hatte und wo er nun versucht, alte Freunde aufzutun und wieder Fuß zu fassen. Nach zwei Nächten im hiesigen Seemannsheim hat Kobs wieder Unterkunft und Adresse im Wohnheim der Stadt – Voraussetzung um anzukommen. Doch er sucht nun eine kleinere Wohnung am liebsten in der Innenstadt und einen Job, um ein bisschen Geld zu verdienen. Dann will er seine Rente beantragen und irgendwie einen Neustart versuchen. Dabei steht sein Ziel fest: Irgendwann wieder loszusegeln mit einem neuen Schiff, am liebsten einem Katamaran.

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