
Cuxhavenerin wird während der Pandemie schwanger: "Angst und Unsicherheit waren immer da"
CUXHAVEN. Das Warten auf die Geburt ihres ersten Babys sollte für Stephanie Jünger eine Zeit voller Vorfreude sein - doch dann kam die Corona-Pandemie.
Es sollte eine ganz besondere Zeit werden voller positiver Eindrücke. So hatte sich Stephanie Jünger aus Cuxhaven ihre erste Schwangerschaft vorgestellt. Doch diese entpuppte sich aufgrund der Corona-Pandemie als eine Odyssee.
Schwangerschaft hat Spuren hinterlassen
"Die Zeit, die mir genommen wurde, bekomme ich nie wieder zurück", sagt Stephanie Jünger. Seit der Geburt ihrer Tochter Lara ist mehr als ein Jahr vergangen. Die Schwangerschaft, Geburt und auch die Zeit danach haben bei Jünger Spuren hinterlassen.
Bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie wissen Stephanie Jünger und ihr Mann, dass sie eine Familie gründen wollen. Die Entscheidung treffen beide bewusst. Zu dem Zeitpunkt ist jedoch nicht absehbar, dass sich innerhalb der ersten Schwangerschaftsmonate ein gefährliches Virus in ihrer Heimat ausbreitet.
"Nichts mehr möglich"
Stephanie Jünger schildert: "Als das Virus in Deutschland ankam, war unsere Lara schon unterwegs." Als dann der erste Shutdown kommt, ist Stephanie Jünger im vierten Monat schwanger. "Von heute auf morgen war gar nichts mehr möglich", schildert die Mutter.
Vorfreude leidet
Kein letzter Urlaub mit ihrem Mann, kein Babybauch-Fotoshooting, auch keine Kontakte zu anderen Schwangeren und somit kaum Austausch. Krankenhäuser vor der Geburt anzugucken, um zu entscheiden, wo sie entbinden möchte, ging nicht. Auch verschiedene Hebammen kennenzulernen, damit eine Vertrauensbasis vor diesem persönlichen Erlebnis entstehen kann, ging nur eingeschränkt über Video-Telefonie. "Das war alles niederschmetternd für mich, weil ich mich auf all diese Dinge gefreut habe", erklärt Stephanie Jünger. Auch leidet die gemeinsame Vorfreude des Paars unter der Krisensituation.
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Sorge um das Baby
"Mein Mann durfte nicht zu den Untersuchungen beim Frauenarzt mitkommen", fährt sie fort. Lediglich bei einem Ultraschall-Termin darf er anwesend sein, ausnahmsweise. "Ich habe diese Zeit überwiegend alleine verbracht", sagt Jünger. Die werdende Mutter kämpft dadurch mit negativen Emotionen.
Sie fühlt sich eingeschränkt, isoliert und ist traurig. "Angst und Unsicherheit waren immer da", beschreibt die 31-Jährige. Besonders hinsichtlich einer Ansteckung und der Folgen für sich und ihr Baby. Auch das Tragen einer Maske sorgt für Beklemmung: Jünger ist unsicher, ob ein eventueller Sauerstoffmangel ihrem Baby schaden könnte. "Jeder Tag war anstrengend", betont sie.
Kaum Besuch im Krankenhaus
Der Stress führte vermutlich zu Frühwehen, so Jünger. "Ich musste wegen des Frühgeburtsrisikos ins Krankenhaus", erzählt sie weiter. Ihr Mann darf sie während des Aufenthalts eine Stunde pro Tag besuchen - eine Belastung für das Ehepaar. "Niemand kann sich vorstellen, wie einsam sich das für uns beide angefühlt hat", sagt Stephanie Jünger.
Maske tragen während Geburt
Als es Wochen später nachts um drei Uhr zum Blasensprung kommt, fährt das Ehepaar ins Krankenhaus. Wider Erwarten darf ihr Mann bleiben. "Als die Geburt im Kreißsaal losging, musste mein Mann eine Maske tragen. Ich eigentlich auch", sagt Jünger. Diese Vorschrift findet sie unmöglich.
"Die Menschen, die sich diese Regeln ausdenken, sollten unter Geburtswehen mal eine Maske tragen", so Jünger. Auch die Ärzte und die Hebamme tragen einen Mund-Nasen-Schutz. Die Cuxhavenerin sagt: "Ich würde heute niemanden des Personals, das bei der Geburt anwesend war, wiedererkennen." Nach der Geburt darf ihr Mann eine Stunde bleiben, dann muss er gehen. Die Cuxhavenerin ist alleine: "Es ist nach der Geburt keiner gekommen, um nach mir zu sehen." Auch während des weiteren Krankenhausaufenthalts ist die Distanz zwischen Personal und der Mutter groß.
"Mein Mann wollte mir helfen"
Das hat spürbare Folgen: "Das Stillen hat nicht funktioniert, weil sich keiner Zeit genommen hat, uns zu zeigen, wie es richtig geht." Besuchen darf sie nur eine fest ernannte Person - ihr Mann. Der kann ihr aber nicht zeigen, wie das Stillen funktioniert.
"Mein Mann wollte mir helfen und konnte nicht. Darunter hat er sehr gelitten", sagt Jünger. Um körperliche Nähe zu der Mutter zu umgehen, drückt das Krankenhauspersonal ihr stattdessen ein Fläschen in die Hand.
"Zu Hause eingeschlossen"
"Das liegt am Krankenhaus selbst", sagt die Otterndorfer Kinder- und Familienkrankenschwester Martina von Glahn. Es habe vermutlich am Personalmangel gelegen. Grundsätzlich sei deutschlandweit zu beobachten, dass das Stillen durch begrenzte Besuchszeiten besser gelinge. Die Mütter haben so mehr Ruhe, auch um eine engere Bindung zum Neugeborenen zu entwickeln.
Für Jünger setzt sich die Odyssee nach Entlassung aus der Klinik fort: "Die ersten drei Monate nach der Geburt, war ich zu Hause wie eingeschlossen", schildert Stephanie Jünger. Kurse, Stillgruppen oder Baby-Schwimmen fallen aufgrund des zweiten Shutdowns aus. So fällt auch hier der Austausch mit anderen Müttern weg.
Austausch mit anderen Müttern
Werden Lockerungen der Corona-Regeln umgesetzt, sind die limitierten Plätze sofort vergeben. "Das war ziemlich heftig", sagt Stephanie Jünger. Dass sie nicht die einzige Mutter ist, die während der letzten zwei Jahre einschneidende Erfahrungen machte, weiß die Cuxhavener Hebamme Maritta Schoepe. Unter anderem bietet sie für Mütter eine Stillgruppe als Video-Konferenz an.
Der Austausch mit anderen Frauen stelle aber einen wichtigen Baustein nach der Geburt dar. "Wenn das fehlt, kann das bei den Frauen zu einer massiven Vereinsamung führen", sagt Schoepe. Auch für die Kinder sei es wichtig, um sich an andere Menschen zu gewöhnen. Im Laufe der Zeit haben Mütter Wege gefunden, sich zu verabreden und auszutauschen. "Kontakteknüpfen ist Gold wert", bestätigt Stephanie Jünger. Mittlerweile hat sie andere Mütter kennengelernt. Sie stützen sich gegenseitig. Die Erinnerungen holen sie manchmal dennoch ein. "Dann kommen mir die Tränen", sagt sie. Paaren mit Kinderwunsch würde sie daher raten, diesen noch etwas aufzuschieben. Und eins steht fest: "Ein Geschwisterkind muss warten."