
Cuxländer erinnern sich an Jahrhundertwinter
KREIS CUXHAVEN. Zum 40. Mal jährt sich die Schneekatastrophe 1978/1979 nun schon, aber jeder, der sie miterlebt hat, hat die Bilder im Kopf.
Wir wollen weiter daran erinnern - mit unserer Serie "Das weiße Chaos". Leserinnen und Leser berichten, wie sie den Jahrhundertwinter erlebten.
"Unvergesslicher Jahrhundertwinter" - so hat Renate Grothkopf ihre Erinnerungen an die Schneemonate von 1978/79 überschrieben. "Für viele Menschen im Landkreis war der Februar 1979 die absolute Katastrophe, für mich nur ein einsamer Tag im Büro", schreibt sie. Während viele Cuxhavener Probleme hatten, zur Arbeit zu kommen, war der 600-Meter-Fußweg von der Schillerstraße zur Firma Lohmann Am Seedeich für Renate Grothkopf durchaus machbar. Nur wenige Kolleginnen und Kollegen hatten sich zur Firma durchkämpfen können, es herrschte ja auch Fahrverbot.
"Hauptthema im Büro war nicht die Arbeit, sondern das Schneechaos. Mein Chef steckte im Zug in einem Schneeberg auf dem Weg nach Bremerhaven und landete irgendwann zur Übernachtung im Hotel Seepavillon", berichtet die Cuxhavenerin.
Auch für den Otterndorfer Werner Lehmann fing es im Februar 1979 relativ harmlos an. "Aber nach mehreren Tagen mit ergiebigem Schneefall und immer stärker werdendem Wind wurde die Lage dann doch bald sehr ernst und ziemlich dramatisch", erzählt er. Lehmann war damals bei den Vereinigte Aluminium-Werken in Stade-Bützfleth beschäftigt und hatte bis 23 Uhr Spätdienst. "Im Radio hörten wir schon den ganzen Nachmittag und Abend, dass viele Straßen wegen Schneeverwehungen gesperrt und der Bahnverkehr auf der Strecke zwischen Hamburg und Cuxhaven zwischenzeitlich ganz eingestellt wurde", so Lehmann. Zum Glück gab es den risikobereiten Busfahrer Egon von der Firma KVG, der bereit war, Lehmann und seine Kollegen nach Hause zu bringen. "Auf fast unpassierbaren Straßen und durch viele Schneeverwehungen ging es in Richtung Otterndorf. Der Schnee türmte sich an den Straßenrändern teilweise meterhoch." Lehmann kam heil zu Hause an. Es war allerdings die letzte Fahrt mit dem Werksbus in diesem Schneewinter, "denn danach lief nichts mehr auf den Straßen." Da Lehmann und seine Otterndorfer Kollegen keine Möglichkeit hatten, nach Bützfleth zu kommen, bekamen sie von der Werksleitung zwei Tage Sonderurlaub. Diese freien Tage wurden von dem Ehepaar Lehmann gut genutzt: "Denn am 21. November 1979 wurde unsere Tochter Kerstin geboren. Im Krankenhaus war sehr schnell klar, was da vor neun Monaten los war, denn in dieser Zeit häuften sich die Geburten. Es wurde dann nur noch von den Schneekatastrophen-Babys gesprochen."
Dass man heute noch "Relikte" aus der Zeit der Schneekatastrophe in der Stadt Otterndorf besichtigen kann, weiß Thomas Dock: Im hinteren Teil der Hindenburgstraße - von der Goethestraße aus gesehen - seien die Bordsteine noch immer stark "angeknabbert". Dock: "Meines Erachtens sind das noch Schäden von den Räumpanzern, die durch die Hindenburgstraße zur Schleusenstraße in Richtung Firma Baumann gefahren sind. Dort türmte sich in Höhe der heutigen Ausfahrt der Straße Alte Medem eine riesige Schneewehe und versperrte den Weg zum Deich." Auch nach 40 Jahren konnte hier offenbar keine Reparatur durchgeführt werden....
Eine hübsche Auto-Anekdote kann der Cuxhavener Dietmar Rennebeck beitragen, der Ende der 1970er-Jahre im John-Brinckman-Weg wohnte. Ein Nachbar schimpfte, weil sein Auto, ein Mercedes, nicht anspringen wollte. "Er öffnete die Motorhaube und sah nur Schnee, der durch die Ritzen, und sonstige Öffnungen hineingeweht war." Rennebeck fuhr zu dieser Zeit einen Citroën 2CV, auch "Ente" genannt. Auch bei seinem Auto war der komplette Motorraum mit Schnee gefüllt. Obwohl die "Ente" für ihre Startprobleme bekannt war, sprang das Auto sofort an: "Sah lustig aus, dieser tuckernde Schneeberg. Der Nachbar staunte nicht schlecht und ich insgeheim auch."
Gerd Poppe aus Hemmoor hätte im Februar fast ein familiäres Drama erlebt. Es war der 15. Februar 1979, der zweite Geburtstag seiner Tochter Susanne. Poppe arbeitete in Stade und wollte sich mittags mit dem Zug auf den Heimweg nach Hemmoor machen - doch die Bahn fuhr nicht mehr. Gerd Poppe blieb entspannt: "Da ich meiner Tochter versprochen hatte, ein Geburtstagsgeschenk mitzubringen, ging ich noch in einen Spielzeugladen und kaufte ihr einen Puppenstuhl." Dann machte er sich zu Fuß auf den Weg. "Acht Stunden hatte ich kalkuliert. Also marschierte ich bei wunderschönem Winterwetter längs der B 73 in Richtung Hemmoor."
Als er gegen 18 Uhr Himmelpforten erreichte, nahm ihn ein Busfahrer mit und setzte ihn in Hemmoor ab. Poppe: "Meine Frau und Tochter waren freudig überrascht, dass ich dadurch viel früher als erwartet zu Hause war."