Das Hausboot "Lieselotte" ist in der Medemstadt längst schon so etwas wie ein Wahrzeichen. Die Otterndorfer und die Urlaubsgäste haben das 36,5 Meter lange Schiff, das normalerweise an der Medem, nahe der Jugendherberge liegt, sehr lieb gewonnen. Foto: Rose
Das Hausboot "Lieselotte" ist in der Medemstadt längst schon so etwas wie ein Wahrzeichen. Die Otterndorfer und die Urlaubsgäste haben das 36,5 Meter lange Schiff, das normalerweise an der Medem, nahe der Jugendherberge liegt, sehr lieb gewonnen. Foto: Rose
Fast 100 Jahre alt

Das Hausboot "Lieselotte" in Otterndorf ist Kult - und hat jetzt neue Besitzer

von Christian Mangels | 16.09.2022

OTTERNDORF. Die "Lieselotte" ist Kult in Otterndorf. Doch nun hat das urige Hausboot seinen Platz an der Medem verlassen. Wo ist es hin?

Wo ist eigentlich die "Lieselotte"? Das fragen sich viele Otterndorfer und Urlauber. Das Hausboot, in der Medemstadt längst schon so etwas wie ein Wahrzeichen, hat seinen angestammten Platz an der Medem verlassen und wird in einer Cuxhavener Werft schick gemacht. Die neuen Besitzer, die Familie Rose, wollen das fast 100 Jahre alte Schiff als "Familienrückzugsort" erhalten und ausbauen.

Vor diesem Schiff ist schon so mancher ins Träumen gekommen. Das Gefühl von Freiheit und Abenteuer - wo lässt sich das besser erleben als auf einem Hausboot? Wer zwischen Schleusenstraße und Ferienhausgebiet an der Medem entlangspaziert, der kommt zwangsläufig an der "Lieselotte" vorbei. Und immer wieder ist zu beobachten, dass Passanten hier stehen bleiben, das Schiff genauestens von außen inspizieren und so mancher ins Schwärmen gerät, dass das doch ein traumhaftes Zuhause wäre.

Skurrile Begegnungen

Axel und Brigitte Steffens haben 40 Jahre auf der "Lieselotte" gelebt, zogen dort zwei Kinder groß und können von vielen lustigen und skurrilen Begegnungen mit Urlaubern und Einheimischen erzählen. "Eine häufig gestellte Frage war: Frieren Sie nicht?", erzählt Brigitte Steffens. Manche Spaziergänger verwechselten die "Lieselotte" mit einem Lokal und wollten das Boot für eine Kaffeepause "entern". Spannende Geschichten kann das Ehepaar Steffens auch von den Anfängen berichten: Als die Otterndorfer das Schiff 1982 kauften und als festen Wohnsitz anmeldeten, begaben sie sich auf ein von Behörden noch wenig erschlossenes Terrain. "Früher gab es keine Regelungen für die Hausboote, denn Ämter stuften sie als Boote ein. Das war eine Grauzone", erzählt Axel Steffens. Es kostete einige Mühe, den "Amtsschimmel" vom festen Wohnen auf dem Wasser zu überzeugen.

Tadelloser Zustand

Ein Rundgang über das Schiff zeigt: Die "Lieselotte" ist deutlich geräumiger als man von außen annimmt. Auf 120 Quadratmetern gibt es viele Möglichkeiten des Wohnens und Schlafens. Das Boot hat eine Werkstatt und eine Badewanne. Sogar eine Sauna ist vorgeplant. Ein Tank mit 400 000 Liter Frischwasser macht das Hausboot unabhängig von öffentlichen Leitungen. Und die alte Deutz-Maschine mit 150 PS läuft nach wie vor wie ein Uhrwerk. Ein Sachverständiger hat dem schwimmenden Haus erst vor kurzem einen tadellosen Zustand attestiert.

Axel Steffens kennt jede Schraube, jedes Ventil und jede Schweißnaht auf der "Lieselotte" und hat viel Zeit, Geld, Energie und Schweiß in die Erhaltung des 36,5 Meter langen Wasserfahrzeugs gesteckt. Aber nun heißt es Abschied nehmen: "Wir haben das Schiff aus Altersgründen verkauft", sagt der frühere Projekt-Ingenieur.

Bauchgefühl hat gestimmt

Diese Entscheidung ist dem Ehepaar Steffens wahrlich nicht leicht gefallen. "Uns war sehr wichtig, dass das Schiff erhalten bleibt", sagt Brigitte Steffens. Und Axel Steffens ergänzt: "Ich würde die Lieselotte nicht jedem verkaufen." Bei der Wahl der Käufer haben die Otterndorfer deshalb genau hingeschaut. Bei Torben und Saskia Rose aus Belum und Saskias Zwillingsschwester Sarah hat das Bauchgefühl gestimmt, drei echte Hausboot-Fans gefunden zu haben. "Wir sind der Familie Steffens sehr dankbar, dass sie uns das Vertrauen entgegenbringt", freut sich Saskia Rose.

Für die Roses ist der Kauf und die Renovierung der "Lieselotte" ein "echtes Familienabenteuer" und ein Gemeinschaftsprojekt, bei dem auch die Steffens' tatkräftig mithelfen. "Der Sympathiefunke flog schnell über", beschreibt Saskia Rose die Verbindung zu den früheren Schiffseigentümern. Derzeit befindet sich die "Lieselotte" in der Schiffs- und Yachtwerft Detzkeit in Cuxhaven, wo sie gründlich gereinigt, gestrichen und auf Vordermann gebracht wird. Torben Rose - er arbeitet als Taucher bei der Berufsfeuerwehr Hamburg - ist aktuell fast täglich auf der Werft und packt mit an. "Man muss schon ein bisschen bekloppt sein für so ein Projekt", sagt der 36-Jährige und lacht.

Schon bald kehrt die "Lieselotte" zurück an ihren angestammten Platz an der Medem. Die Roses wollen das Schiff nicht nur als festen Wohnsitz nutzen, sondern auch für die Zukunft fit machen - mit Photovoltaik-Anlage und Wärmepumpe. Spätestens 2025 soll der Umbau fertig sein - dann wird die "Lieselotte" 100 Jahre alt.

Die "Lieselotte"

Die heutige "Lieselotte" wurde 1925 auf der Schiffswerft Ropers in Stade für den Schiffer Peter Köpcke gebaut. Eingesetzt wurde das Schiff unter anderem für den Obsttransport. Im Zweiten Weltkrieg war es für die Kriegsmarine in Norwegen im Einsatz. Das Schiff kehrte unbeschadet in die Heimat zurück und trug den Namen "Reinhard". Es wurde mehrfach verlängert. 1979 kaufte Ernst Suhr aus Grünendeich den Frachter und gab ihm den Namen "Gerda Suhr". Dann war es vorbei mit der Frachtschifffahrt. Im Jahr 1982 kaufte die Familie Steffens das Schiff. Seitdem heißt es "Lieselotte".

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Christian Mangels

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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