Heimatserie

Die Geburt eines neuen Stadtteils in Otterndorf

12.07.2018

OTTERNDORF.  "Gibst du mir Steine, geb ich dir Sand. Gibst Du mir Wasser, rühr ich den Kalk... Wir bauen eine neue Stadt, sie soll die allerschönste sein", heißt es in einem Singspiel von Paul Hindemith von 1930. Von Wiebke Kramp

So kinderleicht ist es natürlich nicht. Um eine Stadt weiter zu entwickeln, bedarf es Weitblick, politisches Geschick, ausgefeilte Planung – und hilfreich ist auch ein Quäntchen Glück.

Die Stadt Otterndorf scheint all dies bisher zu besitzen. Sie wächst – und das kontinuierlich bereits seit Jahren. 2012 zählte man 7136 Einwohner, 7268 Bürgerinnen und Bürger waren es Ende 2017 – und damit mehr als in den 1950er-Jahren, als im Zuge der Flüchtlingswelle nach dem Zweiten Weltkrieg Menschen hier eine neue Heimat fanden.

Aber Heimat ist immer auch mit Wandel verbunden. Mehr Menschen brauchen mehr Raum. Das Städtchen mit dem schmucken historischen Altstadtkern setzt auf weiteres Wachstum nicht nur im touristischen Segment. Es bleibt seinem Kurs treu, wegen der Nachfrage weitere Neubaugebiete auszuweisen.

Da wird nicht gekleckert: Am Medembogen entsteht gegenwärtig auf 30 Hektar in zwei Bauabschnitten sogar ein komplett neuer Stadtteil. Letztlich soll er rund 1000 Einwohnern mehr Heimat bieten. Die Lage ist vom Feinsten, Freizeitanlagen und der Strand liegen in fußläufiger Entfernung, eine Kindertagesstätte und ein Altenpflegeheim finden ebenfalls im neuen Quartier ein Zuhause.

Es ist nicht vom Tisch zu fegen, selbst wenn Stadtdirektor Harald Zahrte damit nicht laut auf die Pauke haut, sondern sich wegen guter Nachbarschaft zu Cuxhaven lieber klammheimlich im Stillen freut. Doch Siemens-Ansiedlung in Cuxhaven und weiterhin die Marineflieger in Nordholz sorgen für Aufwind in seiner kleinen Stadt an der Niederelbe, die bereits 1400 Stadtrecht erhielt. Heute rühmt sich Otterndorf seiner Standortfaktoren wie Schulen, Kitas, Krankenhaus, Kulturreichtum oder Freizeitangebote. Das besitzt ganz offensichtlich Zugkraft – in Otterndorf selbst, in der Region, aber auch über das Cuxland hinaus.

Als Frauke Zahrte am 19. September 2017 kurz vor 3 Uhr nachts beim Hadler Samtgemeinde-Bauamt in der Alten Meierei in Ihlienworth ankam, saßen bereits elf Interessenten vor der Tür. Ganz friedlich und zivilisiert sei es zugegangen, keine Spur von Hauen, Stechen oder Ellenbogenausfahren.

Ganz im Gegenteil: Die neuen künftigen Nachbarn im Neubaugebiet Am Medembogen hatten für eine nette Atmosphäre gesorgt, die nächtliche Wartezeit zu überbrücken. Ein Beweis dafür, wie ernsthaft es ihnen am Herzen liegt, ihren Familien eine neue Heimstatt in Otterndorf zu bauen. Die Vergabe der Bauplätze war an bestimmte Regeln gekoppelt. Im ersten Zuge durften nur Familien mit Kindern ihren Wunschbauplatz reservieren, die zuvor noch nicht in Otterndorf gebaut haben.

Gegenwärtig sind im ersten Abschnitt bereits 76 Grundstücke verkauft beziehungsweise reserviert, nur noch 14 sind verfügbar. Harald Zahrte ist damit hochzufrieden. Für den zweiten Bauabschnitt steht noch die Prüfung eines Nahwärmekonzeptes an, bevor es in die Vermarktung gehen könne.

Die Erschließung des neuen Stadtteils in Otterndorf ist jetzt fast abgeschlossen. Baustraßen sind fertiggestellt, nahezu sämtliche Leitungen verlegt. Für Verzögerungen hatten allerdings der viel zu nasse Herbst und Winter gesorgt, aufgeholt werden konnte Zeit während der anhaltend trockenen Periode seit Anfang Mai. Die neuen Grundeigentümer wollen jetzt aus den Startblöcken preschen – und endlich loszulegen, sich ihr Heim zu bauen.

Ab 6. August dürften die von ihnen beauftragten Baufirmen anrollen, die ersten Baugenehmigungen lägen vor, heißt es seitens des Bauamtes. Die ersten Eigenheime könnten dann schon zu Weihnachten bezugsfertig sein, schätzt Bauverwaltungs-Leitung Maike Schilling.

Zuerst war es nur eine Idee. Die Planungen für das Gebiet reichen zurück bis ins Jahr 2012. Sechs Jahre ist es her, dass in den städtischen Gremien die Entwicklung intensiv diskutiert wurde, nachdem diese landwirtschaftlich genutzte Fläche verfügbar wurde. Ein Bodengutachten, die Kartierung von Flora und Fauna und ein Verkehrsgutachten wurden gefertigt. Der Kauf erfolgte über die städtische Hadelner Baugesellschaft. Seit nunmehr 15 Jahren, so Stadtdirektor Harald Zahrte, laufe die Abwicklung von Baugebieten über diese städtische Gesellschaft. Parallel wurden die Rahmenbedingungen festgelegt, wie sich das Quartier entwickeln soll. Schon dabei wurde definiert, dass es Platz berücksichtigen solle für verschiedene Wohnungsbauten. Mehrere Planungsbüros wurden schließlich aufgefordert, Entwürfe abzugeben. Die Stadt kaufte beide eingereichten Entwürfe an. „Aus beiden haben wir dann das Beste herausgenommen und daraus einen neuen Entwurf gemacht“, gibt Maike Schilling Einblick in die Praxis, bis ein gültiger Bebauungsplan überhaupt aufgestellt werden kann.

Herausgekommen ist eine Planung, die vorsieht, dass an den Außenbereichen eingeschossig gebaut werden darf, während im Kern eine bis zu dreigeschossige Mehrfamilienhausbebauung errichtet werden kann. Eigenheime und Mehrfamilienhäuser sorgten für Vielfalt. So wie die Geschossvorgaben sind auch die Dachfarben und die Neigungen des Daches reglementiert, um eine homogene Wirkung zu erzielen.

Einher geht ein Verkehrskonzept. So sind Geh- und Radwege zum Deich und zur Innenstadt vorgesehen, die Hauptverkehrsanbindung erfolgt über die Schleusenstraße. Rund zehn Hektar sind für Grünanpflanzung vorgesehen. Dazu zählt auch ein kleines Waldstück an der Medem. An Radfahrer wird besonders gedacht. So entsteht ein Radweg quer durchs Areal, zudem gibt es eine Strecke im Grünen entlang der Medem. Beide führen zu der neuen Brücke, die das Neubaugebiet mit dem Feriengebiet verbindet. Es werde ein Stadtteil mit vielen Möglichkeiten und verschiedenen Formen des Wohnens in hoher Qualität, sind sich Maike Schilling und Harald Zahrte sicher. „Das passt hier gut ins Gesamtgefüge“, sagt Zahrte. Längst hegt er schon weitere Pläne zur Weiterentwicklung Otterndorfs als attraktivem Wohnort mit hoher.

Das Gebiet

Das Neubaugebiet Am Medembogen ist insgesamt rund 300 000 Quadratmeter groß. Davon stehen als Bauland rund 180 000 Quadratmeter zur Verfügung. Zehn Hektar sind als Grünfläche ausgewiesen.

Die Bebauung erfolgt in zwei Abschnitten. Im ersten Bauabschnitt sind es rund 76 000 Quadratmeter Bauland. Je nach Lage beträgt der Quadratmeterpreis 79,50 bis 114,50 Euro – enthalten ist die Erschließung.

Entwicklung

Kleiner Überblick über die Bevölkerungsentwicklung in Otterndorf: 1939: 4058 Einwohner 1950: 7166 Einwohner 1961: 5624 Einwohner 1970: 5363 Einwohner 1987: 6051 Einwohner 1990: 6142 Einwohner 2005: 7102 Einwohner 2014: 7147 Einwohner 2017: 7268 Einwohner

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