
Durch Corona-Pandemie: Neugeborene im Kreis Cuxhaven weisen Entwicklungsverzögerungen auf
KREIS CUXHAVEN. Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen zwei Jahren Einfluss auf die Entwicklung von Babys und Kleinkindern genommen - im positiven wie im negativen Sinne. Experten im Kreis Cuxhaven bestätigen dies und ordnen die Erkenntnisse ein.
255 Babys, die zwischen März und Dezember 2020 auf die Welt kamen, wurden in einer Studie der New Yorker Columbia University unter die Lupe genommen. Verglichen wurden die Daten mit Daten von Neugeborenen, die vor Pandemie-Ausbruch auf die Welt kamen.
Verzögerungen bei Grob- und Feinmotorik
"Wir haben festgestellt, dass die Pandemie-Kinder nach sechs Monaten bei Grob- und Feinmotorik sowie sozialen Fähigkeiten etwas schlechter abschnitten", äußert Kinderärztin Dani Dumitriu, eine der Autorinnen der Studie in einer Pressemitteilung der Universität. Ist dies auch bei Neugeborenen im Landkreis zu beobachten?
Cuxhavener Hebamme bestätigt Studien-Erkenntnisse
"Was die soziale Entwicklung der Babys betrifft, konnte ich entsprechende Beobachtungen machen", sagt die Cuxhavener Hebamme Maritta Schoepe. Sie betreut durch ihre Stillgruppe Mütter und ihre Babys bis zu einem Jahr nach der Geburt. "Mütter sind bei mir lange in Betreuung", so Schoepe.
Angst vor fremden Gesichtern
Sie habe deshalb beobachten können, dass insbesondere Erstgeborene, zwischen sieben und 14 Monaten, deutlich länger brauchen bis sie in einer Gruppe auftauen. Schoepe erläutert: "Diese Babys sind sehr zurückhaltend." Auch seien sie stärker an die Mutter gebunden, haben Probleme sich von ihr wegzubewegen oder weinen, wenn ihnen jemand zu nahe komme. Auch bestehe manchmal Angst vor fremden Gesichtern.
"Das ist anders als vor der Pandemie", betont sie. Dass es zu diesen Veränderungen komme, sei allerdings naheliegend. "Wo lesen Kinder Emotionen ab? Wie lernen sie Empathie? Das geht nur über den Gesichtsausdruck", erklärt Schoepe.
Keine Maske im Kurs
"Das Maskentragen in Neugeborenengruppen widerspricht allem, was ich gelernt habe", fährt sie fort. Aus diesem Grund habe sie sich schon vor einem Jahr entschieden, die Stillgruppe in Absprache mit dem Gesundheitsamt nicht mehr mit Maske anzuleiten.
Über die deutliche Augenmimik reagieren die Babys zwar auch, dennoch seien sie dadurch merklich verunsichert. Dazu komme erschwerend, dass sich viele Schwangere und Mütter in den vergangenen zwei Jahren aus Angst isoliert haben.
Sie fährt fort: "Was die kognitiven Fähigkeiten betrifft, kann ich das nicht beurteilen." Die Babys, die Schoepe betreut, zeigen ihrer Beobachtung nach keine Auffälligkeiten. Dennoch sei es denkbar.
Stress kann sich auf das Kind auswirken
"Stress während der Schwangerschaft hat immer eine Auswirkung auf das Baby", betont Schoepe. Habe eine werdende Mutter pandemiebedingt unter großen Ängsten gelitten, dann habe dies ganz sicher Auswirkungen auf den Nachwuchs, auch nachgeburtlich.
Das wird auch von den Forschern der New Yorker Columbia University vermutet. "Aus der Forschung an Tieren und Menschen wissen wir, dass Stress während der Schwangerschaft Einfluss auf die Entwicklung des Fötus hat. Und je früher in der Schwangerschaft dieser Stress auftritt, umso wahrscheinlicher tritt auch dieser Effekt auf", so Kinderärztin Dani Dumitriu.
"Neugeborene fangen an zu fremdeln"
Die Otterndorfer Kinder- und Familienkrankenschwester Martina von Glahn hat ähnliche Beobachtungen wie Schoepe gemacht. "Komme ich zum Hausbesuch, stelle ich vermehrt fest, dass Neugeborene anfangen zu fremdeln", schildert von Glahn.
Markant sei dies vor allem bei Familien, die coronabedingt zurückgezogen leben. Normalerweise komme ein Lachen zurück, wenn sie den Babys zulächele. "Das ist bis zum neunten Monat typisch", so von Glahn. Vor allem, da sie Familien wöchentlich besuche. Dass habe sich verändert.
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Stillen klappt besser
Doch die gleichzeitige Isolation bringe auch einen Positivfaktor mit sich. "Durch die straffe Regelung der Besuchszeiten auf den Entbindungsstationen sind die Babys viel enger an die Eltern gebunden", so von Glahn. Das sei positiv zu vermerken, da sich die Mütter viel mehr auf ihre Neugeborenen konzentrieren können. Obendrein gelinge dadurch auch das Stillen besser.
Kinder lernen mehr Wörter
Eine Studie der Universität Göttingen zeigt, dass die Shutdowns gute Auswirkungen auf Kleinkinder gehabt haben. Demnach lernten Kleinkinder deutlich mehr Wörter, wenn ihnen vorgelesen wurde. Über 2000 Kleinkinder und Säuglinge zwischen acht und 36 Monaten wurden während der Studie beobachtet. Diese beurteilt von Glahn allerdings kritisch.
"Ich denke, dass diese Studie vermutlich mittelständische Familien abbildet", sagt sie. Diese Menschen haben die Zeit bestimmt für sich genutzt, so Schoepe. Sie weiß allerdings aus der beruflichen Erfahrung heraus, dass nicht alle das so wahrnehmen.
"Ergebnis gilt nicht für alle Familien"
"Das Ergebnis gilt nicht für alle Familien", sagt sie. Die Familien, die sie vorwiegend betreue, haben die Corona-Zeit nicht genutzt, um mit ihren Kindern zu lesen und haben auch ohne die Corona-Pandemie Schwierigkeiten im Alltag und leben zurückgezogen.