Afrikanische Elefanten in den 1980er Jahren. Foto: Archiv Bechinger
Afrikanische Elefanten in den 1980er Jahren. Foto: Archiv Bechinger
Blick zurück und nach vorn

Einzigartig im Kreis Cuxhaven: Vor 50 Jahren Gründung des Baby-Zoo Wingst

von Wiebke Kramp | 25.06.2022

WINGST. Der Zoo in der Wingst ist 50 Jahre alt - und einzigartig im Kreis Cuxhaven auch wenn er längst kein Baby-Zoo mehr ist. Ein Blick zurück und nach vorn.  

Elefantenkälber, Löwenbabys und Eisbärenkinder waren hier vorgestern. Heute ziehen Mähnenschweine, Krallenäffchen, Zwergotter oder Wölfe in artgerechten Gehegen die Blicke auf sich. Im Vergleich zu anderen Einrichtungen ist der Wingster Zoo zwar doch eher klein - aber immerhin seit 50 Jahren besitzt er in der Wingst touristische Anziehungskraft - mal mehr, mal weniger. Entstanden aus rein privatwirtschaftlichem Interesse mit der Aufzucht und Weiterverkauf von Tierkindern aus aller Welt, ist der Zoo mittlerweile seit 1994 in Trägerschaft der Gemeinde Wingst. Er steckt mitten in seiner Entwicklung zum Waldzoo, der auch Themen wie Klimawandel, Artensterben und Lebensraumbedrohung vermittelt. Fördervereinsvorsitzender Torben Klöfkorn und Zoodirektor Dr. Pierre Grothmann haben in dieser Woche anlässlich der Feierstunde die Geschichte und Entwicklung beleuchtet. Seit mittlerweile fünf Jahren ist Dr. Pierre Grothmann in Verantwortung für den Wingster Waldzoo, wie er seit Jahresbeginn offiziell heißt. Dieser Name ist Programm - darauf hat der Zoodirektor gemeinsam mit der gemeindlichen Tourismus-Gesellschaft und dem Förderverein inhaltlich bereits in den zurückliegenden Jahren hingewirkt. Es ist ein Entwicklungsprozess. Das Thema passe zur Umgebung und zum Tierbestand.

Vier Waldgebiete

Der Fokus liegt künftig auf vier unterschiedlichen Waldgebieten mit seinen jeweiligen tierischen Bewohnern: Taiga im bisherigen Wolfs- und Bärenwald mit Polarfuchs, Bartkauz und perspektivisch auch Amurtiger, Vielfraß und sibirischem Eichhörnchen. Südostasiens Wälder werden repräsentiert durch Weißhandgibbons, Hulmane, Baumstreifenhörnchen, Mähnenschweine oder Zwergotter. Hier ist schon einiges an Umbauten passiert - vieles in Eigenleistung des Zoopersonals.

In den Tropenhäusern soll der Blick auf den bedrohten südamerikanischen Tropenwald gerichtet werden mit Tieren aus Mittel- und Südamerika. Für 2023 ist ein Nachttierhaus mit Wickelbären, Fledertieren oder dem Axolotl in Planung .

Größte Herausforderung - auch finanziell - wird der Lemurenwald auf der heutigen Dingo-/Makakenanlage. Der Förderverein hat bereits eine sechsstellige Förderung zugesichert, damit die Attraktion schnellstmöglich realisiert werden kann. Dort begegnen die Besucher den aus Madagaskar stammenden Halbaffen Kattas, Vari und Maik auf 3000 Quadratmetern. Die Zoo-Verantwortlichen stecken gegenwärtig in der Detailplanung. Damit möchte die Einrichtung, die nach den Corona-Lockdowns großen Zuspruch erlebt hat, wieder die 100 000-Besucher-Marke knacken.

Begehbare Gehege gibt es zurzeit schon bei den Lamas oder Krallenäffchen. Und natürlich der Streichelzoo, der nicht wegzudenken ist - und vor allem bei den jüngsten Gästen riesigen Anklang erlebt. In diesem Bereich erleben die kleinen Besucher nicht nur Ziegen, sondern auch Haustiere wie Meerschweinchen, Kaninchen, Laufenten oder Hühner.

Sechs Zoodirektoren in 50 Jahren

In seinen nunmehr 50 Jahren hatte die Einrichtung nur sechs Zoodirektoren. Erster Leiter war Heinrich Lockau, aber Ruhl blieb fürs operative Geschäft zuständig. 1978/79 war Dieter Rinkel Übergangsleiter bis der gebürtige Cuxhavener Fritz Bechinger die Leitung des Baby-Zoos 1979 übernahm und sie bis zu seiner Pensionierung 2000 innehatte. Nach der Übernahme der Gemeinde kam Dr. Rüdiger Wandrey, seinerzeit noch Leiter der Bremerhavener Tiergrotten, ins Spiel, für die Gemeinde ein Zookonzept zu fertigen. Nach Bechingers Pensionierung übernahm 2001 Dr. Wandrey die Zooleitung. 2003 wurde der Name Baby-Zoo abgeschafft und die jährliche sommerliche Tropennacht eingeführt. Die größten Veränderungen waren die Erweiterung des Wolf- und Bärenwaldes, die Löwenanlage und die Sanierung plus Stallneubau des Streichelzoos. 2013 ging Dr. Wandrey in den Ruhestand und es folgte Nadja Niemann. Sie intensivierte kommentierte Fütterungen und schaffte Prinz-Alfred-Hirsche und Schleichkatzen an. Ihr Nachfolger wurde der Zootierarzt Dr. Pierre Grothmann.

Handaufzucht von Tierbabys

Die Gründung des Baby-Zoos in der Wingst ist eng mit der 1860 in Alfeld gegründeten Tierhandelsfirma Ruhl verknüpft. Hermann Ruhl III, ab 1961 Geschäftsführer des Unternehmens hatte zeitweise über 50 Zoos uns 15 Autosafaris weltweit. In den 1970er Jahren hatte sich der Gemeinderat darauf verständigt, dass es auch dem Gelände unterhalb von des Deutschen Olymp ein Zoo entstehen solle. Das Unternehmen bekundete Interesse, da feststand, dass es den Zoo Hannover angeben muss. Bürgermeister Klaus Föge und sein Gemeindedirektor Edgar Tiedemann fuhren nach Hannover. Nach dem Gespräch mit Hermann Ruhl stand fest, dass Tierkinder aus aller Welt und anderen Zoos hier mit der Hand aufgezogen werden, bis sie gewinnbringend weiter an andere Tierparks und Zoos gegeben wurden. Die Gemeinde war zuständige für Grundstücke und Gebäude, die Firma Ruhl für personal und Tierbestand. Die drei umliegenden Gastbetriebe "Deutscher Olymp", "Quellental" und "Waldschlösschen" gaben zusammen einen Obolus von 100 000 Mark. Ein Zeichen, dass sie sich viel von der touristischen Inwertsetzung versprachen. Die Ausstattung war spartanisch, die Gehege klein und der Durchlauf an Tieren groß. Auch die später hinzukommenden Gebäude blieben reine Zweckbauten. Tierwohl und Ästhetik spielten damals eine andere Rolle.

Alle Bärenarten waren vertreten

Der Baby-Zoo Wingst war einzigartig in Deutschland. Außer Pandas waren alle Bärenarten von Eisbär bis Kragenbär hier zeitweise zu bestaunen. Mindestens 17 junge Elefanten aus Asien und Afrika, eine Vielzahl an Löwen. Tigern, Leoparden oder Jaguaren durchliefen die Wingster Einrichtung. Breitmaulnashörner und Zwergflusspferde konnten bestaunt werden. Insgesamt 47 Schimpansen, 13 Gorillas und 26 Orang Utans waren zeitweise im Baby-Zoo beheimatet. Die mit der Hand aufgezogenen Menschenaffen zum Beispiel wurden am Tisch sitzend mit Brei gefüttert. Der gesamte Raubtierbestand des Serengeti-Parks in Hodenhagen stammt aus der Wingst. Zuspruch war immens. Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre kamen 300 0000 Besucher hierher.

Aber die Lage verschlechterte sich. Ruhl blockierte in den Folgejahren Umbauten und Veränderungen. Ende der 1980er Jahre war dieser Zoo nicht mehr zeitgemäß, der Zustand verschlechterte sich und kritische Stimmen zur Tierhaltung wurden lauter. Veränderte Rahmenbedingungen wie Artenschutzabkommen plus eine fehlende Bereitschaft, Handaufzuchten zu übernehmen gekoppelt mit gesellschaftlichem Wandel sorgten dafür, dass die Tierhandelsfirma 1993 in Insolvenz ging. Am 29. Dezember 1993 entschloss sich der Gemeinderat Wingst unter Klaus Föge dazu, dass die Gemeinde den Baby-Zoo übernimmt, der Sparkasse den Tierbestand abkauft und den Mitarbeitern geben.

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Wiebke Kramp

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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