Gunter Brandt in seinem Element: Mit seinem Motorrad liegt er bei hohen Geschwindigkeiten fast auf dem Eis. In den 1980er Jahren war der Baljer einer der besten Rennfahrer Deutschlands.
Gunter Brandt in seinem Element: Mit seinem Motorrad liegt er bei hohen Geschwindigkeiten fast auf dem Eis. In den 1980er Jahren war der Baljer einer der besten Rennfahrer Deutschlands.
Was macht eigentlich...?

Eisspeedway: Vom Kreis Cuxhaven in die weite Welt hinaus

von Jan Unruh | 14.12.2020

BALJE. Gunter Brandt sorgte in den 1980er-Jahren für Furore. Der Baljer war damals einer der besten deutschen Eisspeedway-Fahrer, holte unter anderem 1983 mit der Deutschen Nationalmannschaft sensationell den WM-Titel.

Motorräder haben es dem heute 65-Jährigen angetan. Schon früh drehte er seine Runden beim Sandbahnrennen in Hechthausen, nahm auch mal am Fischereihafenrennen in Bremerhaven teil, bis er seine absolute Leidenschaft entdeckte - das Eisspeedway-Fahren.

Bis zu 140 Stundenkilometer

Es ist eisig, die Motoren röhren. Dann fällt der Startschuss. Mit bis zu 140 Stundenkilometern rast Gunter Brandt über das Eis, legt sich waghalsig in die Kurven. Halt geben ihm die 300 Spikes, die an den Rädern seines Motorrads angebracht sind. Brandt ist ein Ausnahmetalent, sein Aufstieg in die Weltspitze kometenhaft. Dabei ist er aus geografischer Sicht eher ein Exot dieser Sportart. "Ich war immer Einzelkämpfer hier im Norden", sagt Gunter Brandt. Aber ein äußerst erfolgreicher Einzelkämpfer. In seinem Wohnzimmer stehen einige Pokale aus seiner aktiven Rennzeit. Die meisten aber liegen in irgendwelchen Kartons. Weit über 100 Pokale heimste Brandt in den 80er-Jahren ein. Erst auf der Sand- oder Grasbahn, dann auf dem Eis.

Sandbahn in Hechthausen

Richtig angefangen mit dem Motorradsport hat er im Jahr 1979. Seine Heimstrecke war die Sandbahn in Hechthausen. Er gehört übrigens zu den Gründungsmitgliedern der Motorradfreunde Niederelbe, die noch heute das Sandbahnrennen organisieren. Auf Sand und auch auf Gras fuhr er zwei Jahre lang in der Kategorie B-Lizenz, stieg dann auf in die A-Lizenz. Doch er wollte mehr, suchte eine neue Herausforderung. Im Hinterkopf hatte er immer das Eisspeedway. "Ich hab es mir angeguckt und es hat gekribbelt", sagt Brandt. Für sein erstes Training auf Eis fuhr er im Dezember 1982 nach Schweden. Er kaufte sich auf dem Weg dorthin ein passendes Motorrad in Dänemark. Und schon als er seine ersten Runden auf der Bahn in Schweden drehte, hat ihn das Fieber gepackt. "Ich hab vorher noch nie auf so einem Ding gesessen. Aber es passte sofort. Das lag mir gleich."

Steiler Aufstieg

In den Niederlanden fuhr er zwei Wochen später bei der Einzel-WM mit und wurde auf Anhieb Fünfter. Es war sein erstes Rennen überhaupt auf Eis. Durch diesen Erfolg wurde er auch in die Deutsche Nationalmannschaft berufen, die wenige Wochen später zur Team-WM in Berlin antrat. Mit drei Fahrern trat Deutschland an, Brandt war einer von ihnen. Die anderen beiden waren die erfahrenen Eisfahrer Max Niedermaier und Helmut Weber aus Bayern. Im Training lief es bei allen drei Fahrern sehr gut. "Wir waren alle gleichwertig", so Brandt. 

Rolle des Reservefahrers

Für Brandt blieb erst einmal nur die Rolle des Reservefahrers. Da es für die beiden Bayern so gut lief in den Rennen, wartete Brandt vergeblich auf seinen Einsatz. Er fieberte von der Seite aus mit und durfte mit der Mannschaft letztlich die WM-Goldmedaille sein Eigen nennen - auch ohne fahrerischen Einsatz. Dennoch war er angekommen in der Weltspitze, fuhr im nächsten Winter wieder die Einzel-WM und stand auch dort im Finale. Eine Medaille blieb ihm jedoch verwehrt. "Das war schon etwas ganz Besonderes, dass ich im ersten Jahr gleich in den Weltfinals war", so Brandt. Zumal er die Einzel-WM in Assen erst sein viertes Rennen überhaupt war. In den folgenden Wochen und Monaten nahm er an zig freien Rennen auf der ganzen Welt teil - von Österreich über Frankreich bis Russland.

Motorrad war nicht da

Kurios wurde es bei dem nächsten WM-Endlauf in Moskau, für den er sich im Frühjahr 1984 qualifizierte. Er flog nach Russland, sein Motorrad gab er einer Spedition, die es zur WM bringen sollte. Doch auf sein Gefährt wartete er lange. Als es losging, war es nicht da. Brandt lieh sich kurzerhand das Motorrad des besten schwedischen Fahrers - und fuhr trotzdem vorne mit. Wenig später kam das Motorrad an. Die restlichen Rennen konnte er auf seiner Maschine absolvieren. Am Ende wurde er starker Siebter vor damals rund 45 000 Zuschauern im Lenin-Stadion in Moskau. Die größte Kulisse, vor der Brandt jemals gestartet ist. "Das war schon beeindruckend." 

Schwerer Unfall

Die Saison lief super für den Baljer, bis ihn ein schwerer Unfall aus der Bahn warf. Er stürzte mit seinem Motorrad - jedoch nicht bei einem Rennen, sondern bei einer Fahrt durchs Cuxland. In Bülkau prallte er gegen einen Baum, zog sich einen Trümmerbruch der Hüfte zu. "Was genau damals passiert ist, weiß ich auch heute nicht", sagt er. Zehn lange Monate musste Brandt nach dem Sturz an Krücken laufen, seine Karriere als Rennfahrer war für lange Zeit unterbrochen. Eineinhalb Jahre später setzte er sich wieder auf seine Rennmaschine. 

Andere Prioritäten

Ganz so erfolgreich wie in den Jahren zuvor raste er nicht mehr über das Eis. Er blieb aber fester Bestandteil der Deutschen Nationalmannschaft und wurde 1988 noch einmal Dritter bei der Team-WM. Es war sein letzter großer Erfolg. Ende 1988 hörte er auf. Der Entschluss kam zwischen Weihnachten und Neujahr. Kurz zuvor wurde sein zweiter Sohn geboren. Die Prioritäten hätten sich einfach geändert. Er stellte den Motorradsport zurück und die Familie an erste Stelle. "Ich musste mich ein bisschen neu erfinden, schließlich war ich 13 Jahre im Rennsport aktiv", so Brandt. Sein gesamtes Material inklusive der zwei Motorräder bekam ein Bekannter aus Harsefeld.

Motorrad-Leidenschaft

Seitdem saß Brandt nie wieder auf einer Eisspeedway-Maschine. Die Motorrad-Leidenschaft blieb - bis heute. Er unternahm große Reisen, war unter anderem vor sechs Jahren mit seinem Motorrad in Sibirien. Insgesamt 12 000 Kilometer legte er ganz allein zurück. Er liebt das Reisen und außerdem den Adrenalinkick. Sein nächstes Ziel: das Nordkap mit seinem über 70 Jahre alten Nimbus-Motorrad. Wenn Corona es zulässt, will der pensionierte Berufsschullehrer im kommenden Jahr aufbrechen. "Dann werde ich 66 und das Motorrad 77. Das passt doch super", sagt er mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

Was ist Eisspeedway?

Das Eisspeedway ist eine mit Motorrädern betriebene und zum Bahnsport zählende Wintersportart, die es seit etwa den 1920er-Jahren gibt. Sie entwickelte sich aus dem Wintertraining verschiedener Motorradwettkämpfe als eigenständige Sportart. Die Teilnehmer benutzen leichte Speedway-Maschinen, die auf die niedrigen Temperaturen und die Glätte der Eisbahnen abgestimmt sind.

Die Reifen werden mit maximal 28 Millimeter langen Spikes gespickt. Durch den enormen Halt der Spikes werden höchste Beschleunigungswerte auf der kurzen Strecke sowie die größten Schräglagen im Motorradsport erreicht. Beim Eisspeedway wird nicht gedriftet.

Eisspeedway wird auf Natur- oder Kunsteisbahnen absolviert. Die Bahnlänge ist beliebig, als Standard sind jedoch 400-Meter-Eisovale beliebt. So dienen häufig Eisschnelllauf-Bahnen und zunehmend Eishallen als Austragungsorte.

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Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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