Frage um "Nordseebad" Otterndorf: An Nordsee oder Elbe? Jetzt gibt es Antworten
KREIS CUXHAVEN. Die Frage, ob sich Ferienorte im Cuxland zu Recht mit dem Prädikat "Nordseebad" schmücken, ist alt. Seegebietsbezeichnungen sind knifflig. Jetzt gibt es Antworten.
Wo liegt Otterndorf? An der Nordsee, wo viele die Stadt angesichts ihres Prädikats "Nordseebad" verorten? Oder doch eher an der Unter- oder Niederelbe, wie die traditionelle Zuordnung besagt? Die gleiche Frage stellt sich auch für das "Nordseeheilbad" Cuxhaven, das bekanntlich an der Elbmündung liegt, aber auch für das "Nordseebad" Wremen, das an der Wesermündung liegt. Was stimmt denn nun? Fluss oder Meer? Experten geben Auskunft, denn Seegebietsbezeichnungen sind eine knifflige Angelegenheit. Soviel vorweg: Sowohl Otterndorf, als auch Cuxhaven liegen gleichermaßen an der Elbe und an der Nordsee.
Für Dr. Gregor Scheiffarth, Dezernatsleiter Forschung bei der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, ist eine feste Grenze zwischen Nordsee und Elbe oder Weser, ökologisch betrachtet, schwer festzumachen: "Das gesamte Wattenmeer wird als Wattenmeer der Nordsee bezeichnet. Hierzu gehören auch die Wattenbereiche vor Cuxhaven. Nicht umsonst sind sie auch Teil des Unesco-Welterbegebietes. Natürlich ist das Wattenmeer zwar ein Ökosystem, allerdings mit regionalen Unterschieden. Das Besondere ist die Prägung durch die Ästuarien (trichterförmige Flussmündungen) der Flüsse Weser und Elbe. Ökologisch gesehen sind Ästuarien ein eigener Lebensraum, der stark durch Süßwasser geprägt ist. Dennoch ist der Übergang vom Ästuar- zum marinen Nordseelebensraum fließend; ökologisch lässt sich keine feste Grenze bestimmen.
Steigender Salzgehalt
Eine andere, eher formale Betrachtungsweise ist die Einteilung verschiedener Wasserkörper für die EU-Wasserrahmenrichtlinie. Hier sind, aus verwaltungstechnischen Erwägungen, klare Grenzen gezogen worden. So gibt es die Übergangsgewässer, also die Ästuarien, die Watten, die Küstengewässer und das Küstenmeer, die durch steigenden Salzgehalt geprägt sind. Bei Cuxhaven gilt alles, was westlich des Leitdammes liegt, also Döse, Duhnen und Sahlenburg, als Wattenmeer."
Aus dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium kommt folgende Erklärung: "Gemäß Definition zur Vergabe des Prädikats ,Nordsee(heil)bad‘ müssen Nordseebäder an der Meeresküste oder deren unmittelbaren Umgebung liegen. Das Nordseeheilbad Cuxhaven liegt direkt an der Nordseeküste sowie seitlich am Elbe-Mündungstrichter. Auch hier entsprechen Lage und Eigenschaften den Kriterien für das Prädikat Nordsee(heil)bad."
Nordseetypische Eigenschaften
Auch das Nordseebad Otterndorf trägt laut Ministerium sein Prädikat zu Recht: "Es liegt am Elbe-Mündungstrichter. Elbe und Nordsee vermischen sich. Otterndorf verfügt über alle nordseetypischen Eigenschaften wie Gezeiten, Watt, Salzwiesen, Salzaerosole. Die therapeutischen Angebote für chronische Erkrankungen der Atemwege oder Hautkrankheiten entsprechen den Eigenschaften eines Nordseebades." Aufgrund der Lage und Eigenschaften wurden die Voraussetzungen für das Prädikat Nordseebad im Rahmen der staatlichen Anerkennung für Otterndorf als uneingeschränkt erfüllt bewertet.
Thomas Richter, Fachbereichsleiter Verkehrswesen beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Cuxhaven, schlägt zuerst im Bundeswasserstraßengesetz nach, das zwischen Binnenwasserstraßen und Seewasserstraßen unterscheidet. "Danach verläuft die Grenze zwischen der Binnenwasserstraße Elbe und der Seewasserstraße Nordsee in Cuxhaven von der Kugelbake und der westlichen Kante des Deichs von Friedrichskoog (Dieksand) in Schleswig Holstein."
Elbe in der Helgoländer Bucht?
Betrachtet man die Elbe auf einer Seekarte des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie, reicht der Begriff Elbe deutlich darüber hinaus - bis zur Ansteuerungstonne Elbe, die 22 Kilometer westlich und 6 Kilometer nördlich der Insel Scharhörn in der Nordsee liegt. "Die Tonne signalisiert die Ansteuerung für die Elbe und ist für die Schifffahrt der Hinweis: Jetzt fahren Schiffe in das Linienrevier Elbe ein", so Richter. Deshalb sei in den Seekarten der Begriff Elbe bereits deutlich weiter draußen in der Helgoländer Bucht zu finden.
Richter weist darauf hin, dass die geografische Bezeichnung eine Frage der Betrachtung ist: "Wenn man vom Mündungstrichter Elbe spricht, kann man unterschiedliche Abgrenzungen finden." Nehme man den Salzgehalt als Maßstab, ergäben sich andere Abgrenzungen. So erklärt sich auch, dass das an der Unterelbe gelegene Otterndorf das Prädikat Nordseebad trägt. Die Begriffe Außenelbe und Unterelbe haben sich laut Richter über den Sprachgebrauch entwickelt. "Je nachdem, welche Fragestellung wir betrachten, verwenden wir intern die Ausdrücke Elbe oder Nordsee oder Unterelbe oder Außenelbe."
Ein Verwaltungsakt
Der Grund, weshalb Otterndorf Nordseebad wurde, ist recht profan. Stadtdirektor Harald Zahrte nennt ihn: "Bis 1985 lag Otterndorf auch verwaltungstechnisch an der Niederelbe und das Stadtgebiet erstreckte sich bis zur Flussmitte. Dann kam eine bundesbehördliche Verfügung, dass die Elbe an der Ostemündung enden sollte. Damit verlor die Stadt erheblich an Fläche, was auch finanzielle Auswirkungen hatte. Darum haben sich die Verantwortlichen in der Stadt gesagt, wenn wir rechtlich schon zur Nordsee zählen, dann können wir auch das Prädikat ,Nordseebad‘ beantragen."
Übrigens: "Deutschlands einzige Hochseeinsel" Helgoland liegt gar nicht in der "hohen See", sondern in der Deutschen Bucht. Und die zählt zum Bereich eines Festlandsockels.
Von Heike Leuschner und Ulrich Rohde