"Kreuzfahrt"

Ganz sutsche mit 80 PS auf der Medem tuckern

06.07.2017

OTTERNDORF/IHLIENWORTH. Statt wie früher das Kommando über ein Containerschiff zu haben und über den Ozean zu schippern, tuckert Richard Hollander heute gemütlich mit "Onkel Heinz" auf der Medem zwischen Otterndorf und Ihlienworth. Von Wiebke Kramp

Mit Leib und Seele ist der gebürtige Otterndorfer auf seinem Heimatfluss auf Tour. Bis er von der Medem wieder an der Medem gelandet ist, war es ein weiter, weiter Weg. Fast so voller Windungen wie der kleine Fluss selbst, dessen Name sich von vorn wie von hinten lesen lässt. „Auf den 17 Kilometern zwischen Otterndorf und Ihlienworth gibt es auf der Medem an die 80 Kurven“, weiß Richard Hollander. Er muss es wissen als einer der beiden Kapitäne der „Onkel Heinz“, die täglich am großen Specken in Otterndorf die Leinen los macht.

Meist sind es Besuchergruppen gesetzteren Alters, die sich nach Voranmeldung auf Medemfahrt begeben. Der 74-jährige Richard Hollander ist mit Herz und Seele bei der Sache – und besonders gern erzählt er nicht nur kenntnisreich viel Wissenswertes über Stadt, Land und Fluss, sondern auch Döntjes und manch Flunkerei kommen über seine Lippen. Selbst Seehund, Wal oder Krokodil will er da schon in der Medem schwimmen gesehen haben. „Ein bisschen Spaß muss sein, ein bisschen Tüdelkram gehört dazu“, grient der waschechte Seebär.

Tatsache aber ist, dass Richard Hollander als mehrfach patentierter Kapitän einst Verantwortung für dicke Pötte von Frachtschiff bis Containerriese getragen hat. Auf der gesamten Nordhalbkugel bis nach Chicago war er auf den Ozeanen unterwegs.

Von Grund auf hat er die Seefahrt gelernt, „vom Moses bis zum Kapitän“, erzählt er mit Stolz. Richard Hollander wuchs in Otterndorf im Mühlenviertel direkt an der Medem auf. Wasser war von klein auf an sein Element. „Von Kind auf an war ich meistens auf dem Fluss, Heinz Ehler hatte ein Boot – und wir sind damit immer herumgefahren“, erinnert er sich gern an unbeschwerte Kindheit in Otterndorf. Der Fluss diente als seine Verbindungsschur in die Welt. Als 14-Jähriger heuerte er als Schiffsjunge an, mit 17 Jahren war er Matrose, mit 22 Jahren Steuermann und mit 23 Jahren hielt er sein erstes Kapitänspatent in den Händen. Es folgten die Qualifikationen für mittlere und schließlich große Fahrt. „Immer dran bleiben, immer auf dem neuesten Stand sein“, war dem Kapitän immer wichtig.

Bevor er mit 64 Jahren in Rente ging, fuhr er noch einige Jahre auf den Frachtschiffen seines Otterndorfer Jugendfreundes, des Reeders Heinz Ehler. Richard Hollanders Heimathafen ist seit 1972 Osterbruch. Dort kommt seine Frau her. Statt auf der Kommandobrücke steht er heute vorn am Steuerrad des Binnenschiffes „Onkel Heinz“. Der Flussdampfer der Ihlienworther Gastronomenfamilie Rüsch ist in diesem Jahr genau 30 Jahre alt.

„Mir macht das richtig Spaß, immer ganz sutsche über die Medem zu fahren“, erzählt Richard Hollander. Ganz und gar nicht langweilig sei das nämlich. Weil es außerhalb von Otterndorf, Neuenkirchen und Ihlienworth keine öffentlichen Wege an den Fluss gibt, lernen die Passagiere eine eigene Welt kennen. Hier neigen sich noch Weiden übers Wasser. Kapitän Hollander tuckert mit 80 PS bei maximal sechs Stundenkilometern auf dem Fluss. Schneller darf er nicht fahren, um die naturbelassenen Uferböschungen nicht zu strapazieren. Will er aber auch gar nicht, denn so entschleunigt bekommen die Fahrgäste schließlich Natur pur vor Augen geführt. Enten, Schwäne, Gänse, Kiebitze, Kraniche oder Fischreiher gibt es zu entdecken.

Richard Hollander weiß sogar, wo die Eisvögel brüten und auf Jagd nach kleinen Fischen gehen. Mit ein bisschen Glück kann man sie entdecken. Die passende Geschichte hat er auch zu den auf den Wiesen grasenden Rindviechern parat und erklärt den Passagieren gern, dass schwarz-weiße Kühe immer schwarze Ohren hätten, „damit habe ich auch schon gestandene Bauern überrascht, das ist wirklich kein getüdeltes Seemannsgarn“, beteuert er.

In zwei Stunden offenbart sich eine ganz andere, aus der Zeit gefallene Welt ohne Stress und Hektik. Dennoch muss der Kapitän sehr achtsam sein und aufpassen: „Gedrömelt werden darf nicht, immerhin ist das Schiff 17 Meter lang und es gibt diese vielen Kurven auf der Medem.“

„Onkel Heinz“

Täglich ab Ostern und nach Vereinbarung (außer mittwochs) fährt „Onkel Heinz“ (Baujahr 1987) der Familie Rüsch auf der Medem – allerdings nur auf Voranmeldung ab 20 Personen. Zusteigemöglichkeiten für kleinere Gruppen und Einzelpersonen sind möglich. Die Abfahrt erfolgt um 10.30 Uhr in Otterndorf „Am großen Specken“.

Ab Spätsommer gibt es auch die Dämmertouren vom Großen Specken ind Otterndorf bis zum Schöpfwerk.

Seit 2013 ist es von April bis Oktober möglich, sich an Bord der MS Onkel Heinz standesamtlich trauen zu lassen.

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