Der SV Werder Bremen feierte 1988 ausgelassen den Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Hier reckt Thomas Schaaf die Meisterschale in die Höhe, rechts neben ihn sind Thomas Wolter und Gunnar Sauer. Foto: dpa/Ingo Wagner
Der SV Werder Bremen feierte 1988 ausgelassen den Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Hier reckt Thomas Schaaf die Meisterschale in die Höhe, rechts neben ihn sind Thomas Wolter und Gunnar Sauer. Foto: dpa/Ingo Wagner
Fußball

Gunnar Sauer: Ein Cuxhavener Jung wurde Bremens Beckenbauer

von Frank Lütt | 09.12.2020

CUXHAVEN/BREMEN. Der gebürtige Cuxhavener Gunnar Sauer hat als Fußball-Bundesliga-Profi beim SV Werder Bremen reichlich Titel gesammelt. Er ist bis heute der erfolgreichste Fußballspieler aus Cuxhaven. Doch was der 56-Jährige heute?

Bei Olympia 1988 gehörte er zur deutschen Auswahl, die die Bronzemedaille gewonnen hat. Im selben Jahr war er im Kader der deutschen Nationalmannschaft, die im eigenen Land die EM bestritt. Er galt wegen seiner Spielweise auf der Libero-Position als der potenzielle Nachfolger von Franz Beckenbauer. Doch ausgerechnet dieser hätte damals dem jungen Gunnar Sauer mehr Vertrauen schenken sollen, dann wäre seine Karriere in der Nationalmannschaft sicherlich noch weitergegangen. "Aber die Konkurrenz war damals schon brutal groß", sagt der Wahl-Bremer heute. 

Wenn das Verletzungspech bei Gunnar Sauer nicht zugeschlagen hätte, dann wäre auch eine noch größere Karriere möglich gewesen, aber im Gespräch mit ihm wird schnell deutlich, dass der heute 56-Jährige dem nicht nachjammert. Es ist vielmehr so, dass er zu Recht stolz ist auf das Geleistete - und er ist zufrieden mit seinem Leben, das er in zweiter Ehe teilt mit seiner Frau, zwei eigenen Söhnen und einem Stiefsohn.

Er wohnt und arbeitet in Bremen als Immobilienmakler: "Ich habe im Moment ordentlich was zu tun", sagt Sauer, als er zwischen zwei Terminen Zeit für das Interview hat. Sein Einsatzgebiet für ein alteingesessenes, über 100 Jahre altes Unternehmen liegt in Bremen und umzu. "Das mache ich nun über 20 Jahre. Ich habe schon zu meiner aktiven Fußballzeit etwas mit Immobilien gearbeitet, unter anderem Häuser umbauen lassen." Während seiner letzten Station als Kicker legte er den Grundstein für sein weiteres Berufsleben und wurde Immobilienmakler. Aber auch wenn er mittlerweile in der Hansestadt einen Ruf in der Branche hat, so verbinden die Bremer den Namen Gunnar Sauer doch auch heute noch eng mit Werder.

Er gehörte schließlich einer besonders erfolgreichen Truppe an, die Ende der 1980er- bis in die 1990er-Jahre hinein für Furore sorgte, Meistertitel, DFB-Pokalsiege und Europapokalsieg inklusive.

Der Grundstein für diese Karriere wurde schon früh gelegt. Gunnar Sauers Vater Gustav-Adolf war in Cuxhaven nicht nur als Kripobeamter bekannt, sondern auch als charismatischer Fußballtrainer. Er hatte einige Jugendmannschaften beim Cuxhavener Sportverein (CSV) betreut, unter anderem auch die seines Sohnes. Der Sprössling war ein Multitalent, Gunnar Sauer spielte erfolgreich Tennis beim ATS Cuxhaven und gehörte dem von Günther Bosch (später Trainer von Boris Becker) betreuten Landeskader an und war als Leichtathlet aktiv.

Rote Karte vom Bruder

"Meine Eltern haben mir viel ermöglicht", blickt er heute zurück. Aber so wie heutzutage einige Kinder von A nach B kutschiert werden, das gab es damals nicht: "Ich bin dann eben vom Fußballtraining zum Tennis und zurück nach Hause mit dem Fahrrad gefahren." Eine besondere Erinnerung an die fußballerischen Kindheitstage hat er außerdem: "Meine erste Rote Karte habe ich mit zwölf oder 13 Jahren gesehen. Der Schiedsrichter war mein Bruder", so Sauer lachend. Der ältere Bruder Stefan, vielen besser unter dem Spitznamen Bonzo bekannt, verwies den kleinen Gunnar vom Platz, weil dieser bei der Ausführung einer Ecke nicht ganz nach der Pfeife des großen Bruders tanzen wollte. "Völlig unberechtigt die Rote Karte", fügt Gunnar Sauer amüsiert hinzu.

Richtung Bremen ging es dann schon im zarten Alter von 15 Jahren an das Werder-Internat. "Mitten in der Pubertät von zuhause weg, das war nicht so einfach", erinnert sich Sauer. Die Späher des Bundesligavereins hatten ihn vorher auf dem Zettel. Sauer war als CSVer schon in der niedersächsischen Landesauswahl, aber den Bremer Talentsichter musste er bei einem Spiel in Cuxhaven überzeugen. "Der Scout sagte dann zu meinem Vater über mich: ‘Der kann ja ein bisschen kicken'", berichtet der spätere Profispieler. Damals war der Jugendspielbetrieb noch übersichtlich in der Bremenliga, sodass an einigen Wochenenden sogar noch Heimatbesuche möglich waren. Nahtlos ging es dann über die B- und A-Jugend in die zweite Herrenmannschaft des SV Werder, in der er drei Spielzeiten aktiv war.

Zeitgleich hat der Abwehrspieler schon bei den Profis mittrainiert. Kurz vor seinem 22. Geburtstag wurde ihm dann von Manager Willi Lemke ein Zwei-Jahres-Vertrag angeboten. "Die Entscheidung für mich traf aber Trainer Otto Rehhagel", so Sauer, und er fügt nach einer ganz kurzen Denkpause mit einem leichten Lachen hinzu: "Oder seine Frau. Aber mal Spaß beiseite, Ottos Frau hatte aber wirklich viel Ahnung vom Fußball."

Durch Leistung erarbeitete sich der Jungprofi die ersten Kurzeinsätze in der höchsten deutschen Spielklasse. Als sich dann Bruno Pezzey verletzt hatte, gab es das erste Spiel von Beginn an. "Und irgendwann war ich fest drin", stellt Sauer fest. Mit ihm wurde Werder hintereinander zweimal Zweiter und einmal Fünfter in der 1. Bundesliga, ehe der ganz groß Coup gelang.

In der Spielzeit 1987/88 holte sich Bremen den Titel. Die Abwehrleistung war überragend, lediglich 22 Gegentreffer gab es in der gesamten Spielzeit. Schon vier Spieltage vor Saisonende stand der Titelgewinn fest. Unüblicherweise übergab der DFB die Meisterschaftsschale direkt vor dem letzten Spiel, es war ein Heimspiel gegen den Nordrivalen Hamburger SV. Die Werder-Spieler unterlagen mit 1:4. "Das hat Otto nicht gefallen. Aber kräftig gefeiert haben wir anschließend trotzdem", so Sauer, für den das Jahr 1988 noch mehr Höhepunkte haben sollte. Nach dem Gewinn des Supercups gab es für den Cuxhavener die Einladung des DFB. Der Libero kam in den Kader der Nationalmannschaft, die im eigenen Land die Europameisterschaft bestreiten sollte. In der Turniervorbereitung lief es unter dem Trainer Franz Beckenbauer sehr gut. Einen Tag vor dem Eröffnungsspiel gegen Italien habe Beckenbauer zu ihm gesagt, dass er Sauer in die Startaufstellung bringen wolle, obwohl er vorher noch kein Länderspiel bestritten hatte. Nach eingehender Beratung mit dem Mannschaftsrat habe sich Beckenbauer dann am Spieltag anders entschieden und setzte auf den fast neun Jahre älteren Matthias Herget. "Ein Fehler von Herget leitete den Gegentreffer bei dem 1:1 ein." Nach dem Spiel habe Beckenbauer in der Kabine dann noch mit einem leichten Nicken zu Sauer hin gesagt: "Der erste Gedanke ist wohl doch immer der beste Gedanke." Und in einem Einzelgespräch gab der Bundestrainer ihm auf den Weg: "Du hast die Zukunft noch vor Dir."

Doch trotz dieses Zuspruchs erhielt Sauer bei der EM und auch danach keinen Einsatz mehr in der Nationalmannschaft. Das ermöglichte ihm aber dann, im Kader der Olympiaauswahl zu stehen. Kurz vor den Spielen verletzte sich Sauer, wurde aber dennoch von Trainer Hannes Löhr mitgenommen in die südkoreanische Hauptstadt Seoul. Und obwohl er keinen Einsatz hatte, war Olympia für ihn ein riesiges Erlebnis, nicht nur durch den Gewinn der Bronzemedaille. Sauer schildert besondere Begegnungen: "Ich habe ja früher in Cuxhaven Tennis gespielt, da war das dann schon was Tolles für mich, Steffi Graf und Gabriela Sabatini zu beobachten. Aber auch die Begegnung mit einer Leichtathletin, die mir erzählte, dass sie für einen DM-Titel 1000 Mark erhalten hat, blieb bei mir hängen, denn dann wird einem erst bewusst, wie privilegiert wir Fußballer damals schon waren. Wir haben für den DM-Titel vielleicht das Fünfzigfache erhalten."

Erst ging es nach der Verletzungspause nach den Olympischen Spielen mit der Karriere bei Werder munter weiter. Doch dann im DFB-Pokalfinale 1991 gegen den 1. FC Köln (4:3 im Elfmeterschießen für Bremen) verletzte er sich an der Achillessehne. Eine erste Operation misslang, es folgten drei weitere und ein zweieinhalbjähriges Martyrium. "Das war definitiv ein langer Leidensweg. Natürlich kamen da auch Gedanken auf, gar nicht mehr Fußball spielen zu können", erklärt Sauer, der sich aber durch seinen unbändigen Willen und ganz viel Physiotherapie und Krafttraining wieder herankämpfte.

Als er wieder gesund war, begann er zunächst wieder bei den Amateuren, um dann aber wieder schnell im Profikader zu kicken und um weitere Titel einzusammeln. 1996, nach dann 15 Jahren im Werder-Trikot, wechselte der 32-Jährige zu Hertha BSC. Mit dem Hauptstadt-Klub schaffte Sauer 1998 den Aufstieg von der 2. in die 1. Bundesliga. Es folgten sozusagen zum Ausklang noch eine Saison beim Zweitligisten beim VfB Leipzig und ein Jahr beim Regionalligisten VfB Oldenburg als spielender Co-Trainer.

Rückblickend ist Gunnar Sauer mit seiner Karriere mehr als zufrieden. "Zwar hat man die Erfolge damals gefeiert, doch erst immer im Nachhinein realisiert man erst richtig, dass es etwas Besonderes war." Heutzutage freut er sich über seine Erfolge auf dem Tennisplatz. Seiner früheren Leidenschaft geht er nämlich nun wieder vermehrt nach. Mit der Herren-50-Mannschaft des TC Oyten spielt er in der Verbandsklasse. Nach einem Auftaktremis in Horneburg kurz vor dem Shutdown (Sauer hatte sein umkämpftes Einzel nach drei Sätzen gewonnen) soll die Saison Ende Januar fortgesetzt werden.

Ausflüge nach Cuxhaven

So blieb denn jetzt auch mal Zeit, einen Ausflug in die alte Heimat zu unternehmen. "Mit meiner Frau mache ich das schon häufiger mal, dann nehmen wir auch die Fahrräder mit und radeln schön von Sahlenburg nach Duhnen und so weiter." Bei dem jüngsten Trip an die Nordsee waren die Kinder dabei. "Wir wollten ein schönes Krabbenbrötchen essen. Aber die Buden und Geschäfte hatten wohl alle wegen Corona zu. Auf der Rücktour haben wir dann in Dorum immerhin unser Brötchen bekommen." Beim nächsten Mal will er aber unbedingt wieder in seinem Cuxhaven die maritime Spezialität genießen.

Erfolge:

Deutscher Meister: 1988 und 1993

DFB-Pokal-Sieger: 1991 und 1994

Europapokal der Pokalsieger: 1992

Supercup-Sieger: 1988, 1993, 1994

Gunnar Sauer

Geburtstag: 11. Juni 1964

Geburtsort: Cuxhaven

Größe: 180 cm

Position: Abwehr

Stationen im Juniorenbereich:

bis 1979 beim Cuxhavener Sportverein

1979 bis 1982 SV Werder Bremen

Stationen im Herrenbereich:

1982 bis 1984 Werder Bremen II 126 Spiele (12 Tore)

1984 bis 1996 SV Werder Bremen 134 (8)

1996 bis 1998 Hertha BSC 8 (0)

1998 VfB Leipzig 12 (0)

1998 bis 1999 VfB Oldenburg 11 (5)

Stationen Nationalteams:

1981 bis 1982 Deutschland U18 1 (0)

1987 Deutschland U21 4 (0)

1987 bis 1988 Deutschland Olympiaauswahl 2 (0)

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Frank Lütt

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

fluett@no-spamcuxonline.de

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